02.11.2014 Bettina Sigmund

Mehr Effizienz und Qualität im industriellen Bauprozess

Über zwei Jahre wurden im Forschungsprojekt DIB (Dienstleistungen im industriellen Bauprozess) Möglichkeiten zur Steigerung von Effizienz und Qualität im industriellen Bauprozess gesucht, gefunden und getestet. Die Ergebnisse zielen vor allem auf Verbesserungen im Informationsfluss und knüpfen an aktuelle Entwicklungen im Bereich des Building Information Modeling, kurz BIM, an. Fachbeitrag von Hagen Schmidt-Bleker, formitas Gesellschaft für IuK-Technologie mbH, der im Rahmen des Forschungsprojekts DIB für die 3D-Planung und BIM verantwortlich war.

Digitale dreidimensionale Darstellungen sind bei der Planung komplexer Bauprojekte nicht mehr wegzudenken. Im Forschungsprojekt DIB wird u. a. getestet, welche Darstellungsmöglichkeiten mittels neuer Applikationen für Smartphones oder Tablet-PCs auch zur Anwendung direkt auf der Baustelle genutzt werden können. (Foto: Carpus+Partner, Jörg Stanzick)

Die Projektbeteiligten aus Wissenschaft und Wirtschaft zeigten sich nach Projektabschluss alle mehr als zufrieden. War es doch gelungen, der Gestaltung von Bauprozessen durch die Betrachtung aus unterschiedlichen Perspektiven eine neue, gemeinsame Richtung zu geben. So konnte die Entwicklung von Dienstleistungen auf den Weg gebracht werden, die sich an den Herausforderungen für Planungsunternehmen sowie für die ausführenden Gewerke orientieren und auch die Kommunikation mit Nutzern und Bauherren in den Blick nehmen. Entscheidend war die Lösung von Schnittstellenproblemen, um die Verknüpfung der einzelnen Stadien im industriellen Bauprozess zu optimieren. Wissen vernetzen und organisieren
Als übergeordneter Störfaktor kristallisierten sich bereits zu Beginn der Forschung die heterogenen Informationskanäle bei einem Bauprojekt heraus. Die Kommunikation verläuft meist lediglich bilateral zwischen unmittelbar beteiligten Personen; Informationen entstammen oft nicht der Primärquelle, sondern werden durch Dritte weitergegeben. Ein Flüsterpost-Effekt mit dem bekannten Informationsverlust entsteht. Diesen Effekt verstärken die häufig auftretenden technischen Störungen, die durch die Verwendung verschiedener, nicht miteinander kompatibler Software entstehen.

Daten und Schnittstellen im Planungsprozess (Quelle: DIB Abschlussbericht)

Neue Möglichkeiten zur Koordination von Prozessen und Informationsflüssen entwickelte die Carpus+Partner AG, Standort Aachen. Das entstandene Dienstleistungsmodell ‚Integriertes Bauplanungs- und Prozessmanagement‘ ermöglicht nun die integrierte Abwicklung von Arbeitsabläufen über den gesamten Bauprozess hinweg sowie die durchgängige Bereitstellung von Informationen unter Vermeidung von Medienbrüchen. Zentral verwaltet und softwaregestützt werden mit dem integrierten Bauplanungs- und Prozessmanagement alle projektrelevanten Informationen gebündelt, strukturiert und stetig aktualisiert. In einem komplexen Netz des Wissens entsteht so ein zentraler Knotenpunkt, an dem die Fäden zusammenlaufen. Die Integration aller am Bauprozess Beteiligten mittels geeigneter Informations- und Kommunikationstechnologie in einen fallspezifisch strukturierten Prozessablauf ist damit ebenso gewährleistet, wie die kontrollierte und vorausschauende Nutzung von Innovationen unter Berücksichtigung veränderlicher Gesetzesvorgaben. Sich widersprechende Anforderungen können im Vorfeld in Einklang gebracht, Planungsmodule und Softwaretools firmenübergreifend aufeinander abgestimmt werden. Das Resultat sind verkürzte Planungszeiten und die Vermeidung von Störfaktoren an kommunikativen Schnittstellen, sodass Änderungen und Nachträge auf ein Minimum – und damit auch die Kosten – reduziert werden.

(Foto: Carpus+Partner, Jörg Stanzick)

Der Blick vor und hinter die gebaute Realität
Teil des Bauplanungs- und Prozessmanagements ist die Nutzung neuer Möglichkeiten der 3D-Planung mittels BIM: Alle Projektbeteiligten arbeiten unternehmens- und gewerkeübergreifend an einem zentralen dreidimensionalen, objektorientierten Gebäudemodell, in dem jedes reale Bauteil seine virtuelle Entsprechung hat. Diese Objekte sind mit nahezu beliebig vielen vernetzten Eigenschaften jederzeit aktuell verfügbar.

(Foto: Carpus+Partner, Jörg Stanzick)

Auf der Baustelle erfordern bisherige BIM-Lösungen jedoch ein geschultes Vorstellungs- und Abstraktionsvermögen. Um die Planung auch für den ungeschulten Blick auf die Baustelle übertragbar zu machen, hat die formitas Gesellschaft für IuK-Technologie mbH eine Augmented-Reality-Applikation entwickelt, mit der dreidimensionale Baupläne per Smartphone oder Tablet in Echtzeit über Aufnahmen des Bauobjekts projiziert und eingesehen werden können. Das geplante virtuelle Gebäude ist mit der Realität auf der Baustelle oder im fertigen Bauwerk direkt vergleichbar. Darüber hinaus können viele verschiedene Planungsdaten in der App vereint und kombiniert werden, wodurch sich die unterschiedlichen Gewerke wesentlich einfacher koordinieren lassen. Die Informationen bezieht die App über das Internet. Anders als unhandliche, oft schwer verständliche zweidimensionale Pläne ist die digitale Visualisierung jederzeit und für jeden Nutzer verfügbar. Bauleiter können sehen, was sich hinter bereits verputzten Decken, Wänden und Böden befindet, ob und welche Bauelemente fehlen oder ob diese sich an der richtigen Stelle befinden. Probleme werden sehr viel frühzeitiger erkannt und damit Bauabläufe sowie Planungs- und Realisierungsprozesse entscheidend optimiert. Zudem trägt das virtuelle Modell im Gespräch mit Auftraggebern zu einer verständlichen Demonstration und Erläuterung der Bauprozesse bei. Da das Konzept eine Datenbankanbindung vorsieht, ist es auch denkbar, dass Informationen zu allen Arten von Objekten schon während der Bauphase intuitiv zugänglich gemacht werden können. Der Abgleich virtueller und gebauter Realität bietet auch nach Abschluss der Bauphase Möglichkeiten verbesserter Koordination. Werden die entsprechenden Daten, z. B. Zusatzinformationen zu Wartungsterminen und zur technischen Gebäudeausstattung kontinuierlich eingepflegt, können diese für das gesamte Gebäudemanagement, von der Instandhaltung bis zu späteren Umbaumaßnahmen, nutzbar gemacht werden. Kritischer Erfolgsfaktor für eine gute Nutzbarkeit des Prototypen ist die korrekte Positionierung der virtuellen Objekte in der Darstellung, sowie die einfache Orientierung der Anwendung anhand von WLAN, GPS und weiterer Sensorik.

(Foto: Carpus+Partner, Jörg Stanzick)

Baustellenbedingungen vermeiden
Auch die konkrete bauliche Umsetzung war Thema im Forschungsprojekt DIB. Das Modell der Imtech Deutschland GmbH & Co. KG ‚Industrielle Vorfertigung‘ setzt bei den häufigen Qualitätsverlusten im Bau großer Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung an. Diese entstehen oft, wenn Standardrohre unter üblichen Baustellenbedingungen mit Schmutz, Kälte, Hitze, beengten Platzverhältnissen und Termindruck zusammengebaut werden. Die projektspezifische Vorfertigung und termingerechte Anlieferung von Rohrleitungsteilen bietet hier eine Lösung an. Neben den besser kontrollierbaren Produktionsbedingungen in der Werkstatt und damit besserer Qualität der Bauteile kann durch die industrielle Vorfertigung auch die Bauzeit reduziert werden. Eine wesentliche Zeitersparnis ergibt sich durch die Automatisierung im Bereich der Planung und Entwicklung sowie die optimierte Implementierung. Auch zeigte sich, dass sich die Arbeitszeiten in vielen Nebentätigkeiten deutlich reduzieren lassen. Eine weiterführende Automatisierung birgt zusätzliches Potenzial im Hinblick auf Qualität und Durchlaufzeit. Generell kann die industrielle Rohrleitungs-Vorfertigung für Heizungs- und Kaltwasseranlagen bei allen bekannten Anwendungen eingesetzt werden. Voraussetzungen sind die genaue Planung sowie die Beachtung der maximalen Abmessungen und des maximalen Gewichts für den Transport. Der Komplexität der Anlagenteile hingegen sind keine Grenzen gesetzt. Projektabschluss zur allgemeinen Zufriedenheit
Erste Validierungen und Praxistests der drei Geschäftsmodelle haben bereits zu positiven Ergebnissen geführt: Für die gesamte Branche konnten Wege und Methoden aufgezeigt werden, wie der funktionale und phasenorientierte Bauprozess im Sinne von Qualität und Effizienz gestaltet werden kann. Projektbeteiligte
Zu den Projektbeteiligten, die sich der Herausforderung einer Neugestaltung industrieller Bauprozesse gestellt haben, gehörten neben Carpus+Partner, formitas und Imtech Deutschland auch das Forschungsinstitut FIR an der RWTH Aachen, das WZL der RWTH Aachen sowie die Gildemeister AG (heute DMG Mori Seiki AG). Gefördert wurde das Projekt aus Mitteln des Landes NRW und der Europäischen Union.
Über die Carpus+Partner AG
Gebäude, die Wissen vermehren – für eine hoffnungsvolle Zukunft. Mit dieser Vision plant und realisiert Carpus+Partner individuelle Architektur für moderne Arbeitsumgebungen. Vor allem Hightech- und Pharmaunternehmen, Hochschul- und Großforschungsinstitute sowie Kliniken und öffentliche Einrichtungen erhalten Labor-, Produktions- oder Bürogebäude, in denen Menschen begeistert zusammen arbeiten. Hauptsitz ist die C+P Werkstatt auf dem Campus der RWTH Aachen. Hier und an den Standorten Frankfurt und Ulm wirken über 200 Mitarbeiter für nationale wie internationale Auftraggeber: Die Architekten, Ingenieure und Projektmanager der Carpus Generalisten konzipieren, planen und realisieren in interdisziplinären Teams umfangreiche Bauprojekte als Generalplaner; die individuellen Wissensträger der Carpus Experten stehen den Auftraggebern zur Problemlösung in hoch spezialisierten Expertenfeldern beratend und planend zur Seite. Weitere Informationen finden Sie hier
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