27.07.2009 Claudia Fuchs

"Modell Bauhaus": Ausstellung in Berlin


In der Ausstellung zeigen rund eintausend Exponate den interdisziplinären Ansatz der Schule, das breitgefächerte Spektrum der Arbeiten der Bauhaus-Meister und ihrer Schüler – und natürlich Bauhaus-Ikonen wie den Wassily-Stuhl im Original.
Erstmals präsentieren die drei deutschen Bauhaus-Institutionen – das Bauhaus-Archiv Berlin, die Stiftung Bauhaus Dessau und die Klassik Stiftung Weimar – eine gemeinsame Ausstellung mit Exponaten ihrer Sammlungen. Der Titel »Modell Bauhaus« verweist auf das Selbstverständnis der Schule, ihren Modellcharakter. Wenn auch Haltungen und Zielsetzungen der drei Direktoren Walter Gropius (1919-1928), Hannes Meyer (1928-1930) und Ludwig Mies van der Rohe (1930-1933) unterschiedlich waren, so stand doch stets die Suche nach zeitgemäßer Kunst und Architektur im Mittelpunkt, ebenso wie der Anspruch, die entsprechende Lebensform und Umwelt für den modernen Menschen zu gestalten. Bauhausmeister, Lehrer und Schüler arbeiteten und lebten gemeinsam am Bauhaus, forschten und experimentierten in allen Bereichen der Gestaltung, idealistisch in den Anfangsjahren, später rationalistischer. Neben der interdisziplinär und experimentell ausgerichteten Lehre waren die wichtigsten Anliegen der Schule während der 14 Jahre ihres Bestehens das praxisorientierte Werkstättenkonzept, das Interesse an sozialen Fragestellungen, eine funktionale Ästhetik sowie die Erprobung neuer Materialien und Verfahren in Architektur und Design.

Wettbewerbsbeitrag zum Ideewettbewerb Hochhaus am Bahnhof Friedrichstraße, Ludwig Mies van der Rohe, 1922

Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau ist mit rund eintausend Exponaten, meist Originalen, die bislang umfassendste Gesamtschau. Sie zeigt das gesamte Spektrum und die Kreativität der Bauhauses in einer Dichte, die in einem Besuch kaum zu erfassen ist: Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, grafische Arbeiten, Mobiliar, Textilien, Filme, Modelle. Beim chronologisch konzipierten Rundgang durch die 18 Säle werden die unterschiedlichen Schwerpunkte und Richtungen erkennbar, zugleich auch, dass die Entwicklung des Bauhauses von zahlreichen Brüchen gekennzeichnet war. Neben den bekannten Werken der Bauhaus-Meister sind auch zahlreiche Zeichnungen, Form- und Materialstudien der ehemaligen Schüler präsentiert. Ein Saal ist der avantgardistischen Bauhaus-Fotografie gewidmet, ein anderer den Theaterformen. In zwei Räumen hängen originale Fassadenelemente der Fagus-Werke und der Siedlung in Dessau-Törten an der Wand, deren schmale Stahlprofile im Kontext einer Ausstellung umso graziler wirken.

Foto: Claudia Fuchs

So überzeugend die einzelnen Werke sind – manche gar auratisch, wie ein Prototyp des Wassily-Stuhl von Marcel Breuer – und so eindrucksvoll die Anzahl und Qualität der Exponate ist, vermisst man doch in der Präsentation etwas vom Geist des Bauhauses, dessen Experimentierfreude und Nonkonformismus. Auch die Rezeptionsgeschichte oder kritische Perspektiven sind weitgehend ausgeklammert, was vielleicht auch den Rahmen dieser Werkschau gesprengt hätte. Die Ausstellung ist im besten Sinne eine klassisch-museale Retrospektive, auch in der Präsentation der Exponate an Stelen, auf Podesten, unter Plexiglas und in raumhohen Regalen.

Foto: Claudia Fuchs

Im imposanten Lichthof des Martin-Gropius-Baus, der in den 1880er-Jahren als kaiserliches Kunstgewerbemuseum von einem Großonkel Walter Gropius? erbaut wurde, hätte sich die Gelegenheit geboten, die Essenz der Bauhaus-Ideen darzustellen oder eines der großen Projekte räumlich spannungsvoll zu inszenieren. Stattdessen zerfällt die eigentliche Mitte der Ausstellung in drei separate Präsentationen: eine Videoinstallation mit Statements von elf Architekten, Designern und Künstlern der jüngeren Generation über ihre Beziehung zum Bauhaus; eine künstlerische Intervention namens »Volksboutique« und einen Verkaufspavillon mit Bauhaus-Devotionalien.

Foto: Claudia Fuchs

Die Relevanz der Ideen des Bauhauses für die heutige Zeit wird in der Ausstellung selbst kaum thematisiert, doch bieten zahlreiche Veranstaltungen in den nächsten Monaten Gelegenheit zu Diskussion und kritischer Betrachtung. Auf dem Programm stehen neben der Konferenz »bauhaus global« ein breitgefächertes Angebot an Vorträgen, Workshops und Führungen.

Foto: Claudia Fuchs

Ausstellung noch bis 4. Oktober 2009 im Martin-Gropius-Bau Berlin, täglich 10 bis 20 Uhr

Foto: Claudia Fuchs

Das Museum of Modern Art in New York ist Kooperationspartner der Berliner Ausstellung und steuerte zahlreiche Exponate bei. Ab 8. November widmet sich das MoMA – dessen Gründer Alfred Barr stark vom Bauhaus beeinflusst war – dem Thema mit der Ausstellung »Bauhaus 1919 – 1933: Workshops for Modernity«. Hier wird der Schwerpunkt mehr auf dem Charakter des Bauhauses als einer pulsierenden Schule liegen. Auch in New York wird es die erste große Bauhaus-Ausstellung seit 70 Jahren sein, seit der seinerzeit von Walter Gropius kuratierten Schau im MoMA 1938.

8. November 2009 bis 25. Januar 2010, The Museum of Modern Art, New York

www.moma.org

Farbplan für die Außengestaltung der Meisterdoppelhäuser in Dessau, Alfred Arndt, 1926

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