12.01.2010

Nachhaltiges Pilotprojekt am Roten Meer

Wärmedämmung und Solartechnologie beginnen auch in der arabischen Welt Einzug zu halten – im Idealfall kombiniert mit traditionellen, an das lokale Klima angepassten Bauformen und –Konstruktionen. So geschehen bei einem Wohngebäude, das die niederländische Architektin Florence Visser in der jordanischen Hauptstadt Aqaba realisiert hat.
Ziel des in Schweden lebenden Bauherrn Tariq Emtairah ist, mit Hilfe der Aqaba Residence Energy Efficiency (AREE) energieeffiziente Bau- und Gebäudetechniken in Jordanien zu etablieren. In dem Bewusstsein, dass „ein Gebäude mehr Einfluss als eine Broschüre hat“, organisierte er zusammen mit dem Center for Study of the Built Environment in Amman einen privaten Wettbewerb, den die Niederländerin Florence Visser gewann.

Foto: Matilda Nisson

Der größte Energieverbrauch bei Gebäuden fällt im extrem heißen Süden Jordaniens durch die Kühlung an. Vissers Ansatz ist es, den technischen Kühlbedarf des Hauses durch standortgerechte Architektur, gute Verschattungseinrichtungen und eine für Jordanien untypisch gute Wärmedämmung stark zu senken. Zudem beinhaltet das architektonische Konzept ein passives Kühlsystem, dass Hitzestaus im Sommer sowie Hitzeverlust im Winter vorbeugt. Die Gebäudegrundrisse sind für die passive Nutzung von Solarenergie optimiert: Nebenräume wie Bad, Garage und Flure liegen in der heißesten Zone des Gebäudes an der Südwestseite und bilden so einen Klimapuffer für die Haupträume. Für sehr heiße Tage sind verschattete Außenbereiche in jedem Stockwerk vorgesehen. Bewusst angeordnete Fenster, Türen und Lüftungsöffnungen unterstützen zusammen mit dem Haupttreppenhaus, das als „wind tower“ wirkt, die natürliche Lüftung des Hauses. Ein beweglicher Sonnenschutz verhindert die solare Erwärmung der Wohnräume im Sommer und sorgt für eine geringere Heizlast im Winter, da er in geöffneten Zustand Sonnenwärme ins Gebäude lässt.

Zeichnung: Florence Visser

Die Hitzespeicherfähigkeit der Gebäudehülle sowie deren Dämmeigenschaften verbesserte Visser mit Hilfe konstruktiver Bautechniken. So bestehen die Wände aus Steinblöcken mit vulkanischem oder Perlite-Zuschlag. Zusätzlich sind sie mit Mineralwolle und Polystyrol gedämmt. Dazu kommen Techniken, die in unseren Breitengraden üblich, für Jordanien aber äußerst ungewöhnlich sind: Die Dachkonstruktion ist isoliert und auch die Wärmebrücken an den Verbindungsstellen zwischen Wand und Fußboden wurden gedämmt. Eine Füllung aus Sand steigert die Hitzespeicherfähigkeit der Nordwand aus Hohlkammersteinen.
Der traditionellen Fassadenverkleidung wurde Stroh beigeben, um durch diese zusätzliche Dämmung die Kühllast noch weiter zu verringern und den Verbrauch von Zement zu reduzieren. Selbst der Dachgarten spielt eine Rolle im Energiekonzept: Sein 40 Zentimeter tiefes Erdreich dient als thermischer Speicher, der Schattenwurf seiner Pflanzen hilft zudem, die Kühllast zu verminderten.

Foto: Matilda Nisson

Im Vergleich zu konventionellen Gebäuden konnte Visser durch diese Maßnahmen den energetischen Aufwand zur Gebäudekühlung von AREE um dreißig Prozent reduzieren. Die Installation von energieeffizienten Leuchten sowie einer lokal entwickelten Solar Cooling Anlage führten zu einer weiteren Senkung des Energiebedarfs. Das nachhaltige Kühlungskonzept der Solar Cooling Anlage basiert auf Warmwasser aus Solarpaneelen, das Energie für einen Adsorptionskühler liefert, der wiederum gekühltes Wasser für die Gebäudekühlung produziert.

Foto: Matilda Nisson

Das nachhaltige Konzept der AREE bezieht neben der Einsparung von Energie die Reduzierung des Wasserverbrauchs ein – ein wichtiger Aspekt in Jordanien, das zu den vier wasserärmsten Ländern der Welt gehört. Ein duales Rohrleitungssystem für Grau- und Abwasser in Kombination mit wassersparenden Armaturen führt zu einer Wasserersparnis von gut 50 Prozent. Das anfallende Grauwasser wird gefiltert und für die Bewässerung der Gärten genutzt. Deren minimaler Bewässerungsbedarf ist Ergebnis der Auswahl wassereffizienter, an das Klima von Aqaba angepasster Pflanzen und Bäume durch die schwedische Landschaftsarchitektin Matilda Nisson.
Eine wichtige Erkenntnis nach Abschluss des Projektes war für Visser, dass es viel einfacher gewesen sei, die Entwurfs- und Konstruktionselemente zu zeichnen als sie umzusetzen. Auf der Baustelle habe sie häufig mit dem Bauingenieur und dem Bauunternehmer diskutieren müssen, da die lokalen Unternehmer nicht daran gewöhnt seien, mit umweltfreundlichen Baumaterialen zu arbeiten oder nach Plänen zu bauen. Eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit von Planern und Ausführenden in allen Phasen des Projekts sei aus diesem Grund essentiell. Zu recht ist Visser stolz darauf, das erste nachhaltige Gebäude des Landes im Nahen Osten realisiert zu haben: „In Bezug auf die Möglichkeiten und Herausforderungen nachhaltigen Bauens in Jordanien ist AREE Modell und „Lehrstück“ zugleich.“, sagt Visser. Sie hoffe aber, dass darüber nicht vergessen werde, dass AREE auch ein inspirierendes architektonisches Werk und komfortables Zuhause sei.

Foto: Florence Visser

Planung und Bau der Aqaba Residence Energy Efficiency (AREE) wurden durch das „MED ENEC Project on Efficiency in the Construction Sector in the Mediterranean“ unterstützt.
Projektdaten
Standort Aqaba, 9th area, Jordanien
Architektur Florentine Visser (Niederlande)
Gartenplanung Matilda Nilsson (Schweden)
Bauherr Tariq Emtairah (Schweden)
Funktion Wohngebäude und Informationszentrum
Planungsbeginn October 2005
Bauzeit Januar 2007 - Juni 2009
Fläche 420 Quadratmeter
Weitere Informationen zum Projekt (in Englisch)
Zur Website von MED ENEC Project on Efficiency in the Construction Sector in the Mediterranean

Im Rahmen des Programms „Energieeffizienz im Bausektor“ förderte die "MED ENEC Project on Efficiency in the Construction Sector in the Mediterranean" das AREE-Projekt sowie zehn weitere Bauvorhaben. Ziel der Initiative ist es, Energieeffizienz und Solarenergie in zehn Mittelmeerstaaten zu fördern.
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