28.07.2014 Jakob Schoof

Nachrichtenwerkstatt mit Nullenergiestandard: E2A Architekten gewinnen taz-Wettbewerb

Die Berliner tageszeitung (taz) zieht um – ausgerechnet an die Friedrichstraße, Inbegriff des Berliner Kommerzkapitalismus. E2A Architekten aus Zürich gewannen den Architektenwettbewerb mit einem Entwurf, der Anleihen beim russischen Konstruktivismus nimmt und ökologische Nachhaltigkeit verspricht.

Rendering: E2A Architekten, Zürich

25 Jahre lang residierte die taz, das Leib- und Magenblatt der progressiven westdeutschen Linken, schräg gegenüber dem Checkpoint Charlie an der Kochstraße beziehungsweise, nach deren Umbenennung 2004, in der Rudi-Dutschke-Straße. Damit soll nun Schluss sein, denn schon länger fanden nicht mehr alle rund 250 Mitarbeiter im Stammhaus der Zeitung Platz. 2013 hatte die taz daher ein Grundstück etwas weiter südlich an der Friedrichstraße erworben und Ende Februar 2014 einen nichtoffenen Wettbewerb mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren für den Neubau ihres Hauptquartiers ausgelobt.

310 Büros hatten sich um die Teilnahme beworben, 25 wurden zugelassen, der Sieger steht seit Anfang Juli fest: Es sind E2A Architekten aus Zürich, die in Berlin bereits die Zentrale der Heinrich-Böll-Stiftung gebaut haben.

Lageplan: E2A Architekten, Zürich

Der Neubau soll auf einem Eckgrundstück am Besselpark in einem heterogenen Umfeld entstehen. Das Shoppingquartier an der Friedrichstraße weiter nördlich fühlt sich hier schon recht weit entfernt an; es dominieren Wohnbauten und schräg hinter dem taz-Neubau steht die ehemalige Blumengroßmarkthalle , die heute von der Akademie des Jüdischen Museums Berlin genutzt wird.

Eigentlich jedoch ist der Entwurf von E2A Architekten weniger ein Eck- denn ein Kopfbau. Mit seinem H-förmigen Grundriss komplettiert er die Häuserzeile an der Friedrichstraße, formuliert im Westen eine leicht zurückgesetzte Eingangssituation und im Osten einen stärker ins Gebäude einspringenden Innenhof.

Grundriss EG: E2A Architekten, Zürich

Transparenter Brandschutz und sowjetische Ingenieurskunst
Das asymmetrische „H“ teilt die Grundrisse auch in drei unterschiedliche Bereiche, mit einem schlanken Büroflügel an der Brandwand im Süden, Besprechungsräumen sowie einer großzügigen Treppenskulptur in der Mitte sowie Großraumbüros und Veranstaltungsräumen im Norden.

Gleichzeitig reduziert diese Grundrissform die Raumtiefen auf maximal 13 Meter, so dass sie zum einen besser belichtet und zum anderen stützenfrei überspannt werden können. Mit der außen liegenden Tragkonstruktion (geplant von Schnetzer Puskas Ingenieure) nehmen die Architekten dem eigenen Bekunden zufolge Anleihe beim Moskauer „Schabolowka“-Radioturm. Dieser kegelförmige Stahlgerüstturm wurde 1922 nach Entwürfen von Wladimir Schuchow realisiert. Doch das außen liegende Stahlverbundtragwerk ruft auch andere Assoziationen wach – so etwa an das Centre Pompidou in Paris oder, für ein Schweizer Büro noch näher liegend, an Christian Kerez’ Schulhaus Leutschenbach in Zürich.

Grundriss 3. OG: E2A Architekten, Zürich

Die Geschossdecken sollen als Spannbetonelemente vorgefertigt liefern und an den Rändern auf gleichfalls vorgespannten, ebenengleichen Betonunterzügen aufliegen. Zwischen der Glasfassade und den außen liegenden Schrägstützen werden Balkone das gesamte Gebäude umlaufen.

Kein zeitgenössisches Bürohaus ohne große Treppe zum Sehen und Gesehen werden – doch die Treppenskulptur, die den taz-Neubau erschließt, ist insofern ungewöhnlich, als sie zugleich als Fluchttreppe dient. Dazu wird sie komplett in eine EI90 (früher F90)-Glaskonstruktion eingehaust. In den übrigen Räumen setzen die Architekten auf den Charme eines veredelten Rohbaus, mit Sichtbeton und – in den Büroräumen, zwecks flexiblerer Leitungsverteilung – einem Hohlraumboden, auf den ein Fließestrich als Gehbelag aufgebracht wird.

Eine Besonderheit im Raumprogramm, die in der Ausschreibung nicht vorgesehen war, ist das „taz.panorama“ im obersten Geschoss des Neubaus: Hier sollen nach dem Willen der Architekten ein multifunktionaler Besprechungsraum sowie das Text- und Bildarchiv, der Serverraum und die Büchersammlung untergebracht werden. Rechner und Bücherregale mit Panoramablick, die Mitarbeiter auf den Etagen darunter  - schau’n wir mal, ob der Bauherr das auch tatsächlich umsetzt.

Grundriss 6. OG: E2A Architekten, Zürich

Dezentrales Energiekonzept
Das Konzept von E2A und der Energieplaner Ernst Basler + Partner sieht vor, den Energiebedarf für Heizung, Lüftung und Kühlung lokal und CO2-frei mit Photovoltaikstrom vom Dach des Gebäudes zu decken. Das dürfte – zumindest in seiner praktischen Umsetzung – zu einer Herausforderung werden.

Ein Schlüssel zum Erfolg soll hierbei das hocheffiziente, dezentrale Heiz- und Kühlsystem des Neubaus werden. Die Büros werden entlang der Fensterfronten mit Umluftklimageräten ausgestattet, die dank optimierter Wärmetauscher mit extrem geringen Vorlauftemperaturen für die Heizung (26-28 °C) und sehr hohen Vorlauftemperaturen für die Kühlung (bis zu 19 °C bei einer avisierten Raumtemperatur von 25 °C) arbeiten. Die Klimageräte sind ihrerseits an einen Heiz-/Kühlwasserkreislauf angeschlossen, der es auch erlaubt, Wärme bzw. Kälte im Gebäude zu „verschieben“. So werden zum Beispiel die Serverräume ganzjährig gekühlt und ihre Abwärme kann im Winter zur Beheizung der Büros verwendet werden.

Rendering: E2A Architekten, Zürich

Kühlenergie soll das System ausschließlich in Form von freier Kühlung, also ohne Kompressionskältemaschinen bereitstellen. Stattdessen werden zur Kälteerzeugung hocheffiziente Nasskühltürme im Untergeschoss des neuen Verlagshauses installiert.

Die Be- und Entlüftung der Räume verläuft auf unterschiedlichen Wegen: Zuluft gelangt über das zentrale Treppenhaus in die einzelnen Büroebenen, die Abluft entweicht durch zwei natürliche Abluftkamine entlang der zentralen Steigzonen über das Dach. Eine Wärmerückgewinnung ist bei diesem System lediglich indirekt über ein Kreislauf-Verbundsystem möglich, das mit einer Wärmeträgerflüssigkeit (üblicherweise einem Wasser-Glykol-Gemisch) arbeitet. Diese Flüssigkeit nimmt die Wärme aus der Abluft auf und gibt diese an anderer Stelle im Gebäude wieder an die Zuluft ab. Der Vorteil des Systems liegt nach Angaben der Energieplaner darin, dass Schachtquerschnitte auf ein absolutes Minimum reduziert werden und in den Büroebenen eine maximale Flexibilität erreicht wird.
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