17.08.2009

Neuer Charakter für Berliner Plattenbau-Schulen

Im Zuge einer ökologischen Fassadensanierung haben huber staudt architekten aus Berlin dem Ensemble aus zwei 1965/66 als Plattenbauten errichteten, identischen Schulgebäuden einen neuen, vielschichtigen Charakter verliehen.
Die Abbildungen zur Entwicklung der ungewöhnlichen Bekleidung aus Aluminiumprofilen illustrieren die Schilderung von Architekt Joachim Staudt.

Neu für uns war die Aufgabe, eine Fassade zu gestalten, ohne die Innenräume des Bestands unmittelbar einzubinden. Die vereinfachende Betrachtung des äußeren Raumabschlusses auf städtebauliche und energetische Fragestellungen hat aber auch seine Reize. Die klare Grundrissstruktur des DDR-Typengebäudes »SK Berlin«, die auf der Aneinanderreihung gleicher Räume an einem langgestreckten Flur beruht, legt es nahe, die Idee für eine Fassadengestaltung im Außenraumbezug zu suchen.
Die beiden Schulbauten fassen über Eck stehend den Schulhof. Die Blumen-Grundschule an der Andreasstraße ist vom Straßenrand eingerückt und lässt viel Platz für eine Spielwiese zwischen Schule und Straße. Die Blockecke markiert ein vielgeschossiges Wohnhochhaus, welches erst vor Kurzem saniert wurde. Es ist in einer hellen, leuchtenden Grundfarbe gehalten, was typisch für derartige Sanierungen ist.
Die räumliche Fassung des Schulhofs sollte mit einem möglichst homogenen abstrakten Rand erfolgen. Das ist ein Grund, warum beide Schulbauten die gleiche Fassade aus Aluminiumprofilen erhielten. Auch die Möglichkeit des Übertritts von der Bernhard-Rose-Schule als Integrationsschule für lernschwache Kinder in die Blumen-Grundschule drückt sich hierin aus.

Zum Zeitpunkt der Beauftragung durch das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg im Februar 2006 arbeitete unser Büro parallel an drei Schulen in Berlin. Zwei sollten als Ganztagsschulen umgebaut, eine weitere neu errichtet werden. Zugleich war der erste Bauabschnitt unseres damals größten Projekts, die Erweiterung des Krankenhauses Hedwigshöhe, gerade in Betrieb gegangen. Die Fassaden zu den Innenhöfen dieses komplexen Gebäudeensembles bilden horizontal angeordnete Holzprofile, die teilweise dicht gefügt wie bei einer Verschalung, aber auch mit größeren Abständen zwischen den Profilen angeordnet sind.
Die Außenhaut öffnet sich so und wirkt vielschichtig und transparent. Uns faszinierte besonders die Möglichkeit, mit den linearen Stäben Transparenzen herauszuarbeiten und dabei gleichzeitig auch eine wohnliche Atmosphäre zu schaffen. Den Auftraggebern für die beiden Schulen in Friedrichshain gefiel die warme und freundliche Wirkung des Lärchenholzes. Nur, Holz durfte aufgrund der zu erwartenden Unterhaltskosten auf gar keinen Fall eingesetzt werden. Wie aber baut man eine Holzfassade ohne Holz?

Erweiterung Krankenhaus Hedwigshöhe, Foto: Jordi Bernado

Für die Bauherren und uns Architekten war sehr schnell klar, dass wir bestimmte Aspekte der vorhanden Schulbauten korrigieren und verändern wollten, während andere Gesichtspunkte und auch viele Details der Gebäude erhaltenswert erschienen. Schließlich handelte es sich bei der Bernhard-Rose-Schule um den Prototyp der Serie »SK-Berlin«, von der allein in Berlin 160 gebaut wurden. Insgesamt sollte die neue Fassade als spätere Intervention erkennbar bleiben und die neue »Haut« ablesbar sein. Die Gestaltung der Fassade mit horizontalen Profilen, möglicherweise aus künstlichen Holzwerkstoffen wie Hochdruck-Schichtstoff-Platten oder auch aus Metall, erschien als das richtige Mittel, um die Zeitschichten, dem Prinzip der Überlagerung folgend, ablesbar zu machen.

Fassadenstudie Blumen-Grundschule/Bernhard-Rose-Schule, huber staudt architekten

Die feingliedrigen Stahlfenster und besonders die Metallbandfigur des Kosmonauten Juri Gagarin am Südgiebel der Blumen-Grundschule bauten die Brücke zu einer metallischen Außenhaut aus Aluminium, dem klassischen Material für leichte vorgehängte Fassaden. Nicht die eleganten dunklen Bronzefarbtöne der Bauten von Mies van der Rohe, sondern eine kontrastreiche Mischung unterschiedlicher Farbtöne der bronzenen (und nicht der goldenen) Farbreihe sowie unterschiedlicher Profilhöhen erschienen uns angemessen, um eine an Holzfassaden erinnernde Materialwirkung zu erzeugen.
Die Farbmuster im Maßstab 1:1 vor Ort zeigten schon zu Beginn, dass die metallisch glänzenden Stämme der Pappeln vor den Längsseiten der Schulen mit dem Aluminium harmonieren. Wird die Metallfassade dabei im Gegenlicht betrachtet, behält sie ihren Glanz. Bewegend ist es für uns, zu erleben, wie das Farbenspiel, das von »eingewobenen« feinen hellsilbernen Profilen verstärkt wird, gerade auch von den Schülern wahrgenommen wird.

Metallbandrelief Ikarus/Gagrin vor der Restaurierung

Bei der Farbigkeit verzichteten wir auf kräftige Töne. Es ging uns vielmehr darum, in den Dialog mit dem dichten Baumbestand unmittelbar am Gebäude zu treten. Die Hoffassaden mit den langen Fluren dahinter sollten möglichst geschlossen wirken. Daher wurden die Metallprofile hier über die gesamte Höhe der Fassade eingesetzt. An der Westseite der Blumen-Grundschule konnte so auf zusätzlichen beweglichen Sonnenschutz verzichtet werden. Mehrdeutig bildet die ursprüngliche Bandfassade zur Straßenseite nun mit ihren horizontal ausgerichteten Öffnungen die Folge der Klassenzimmer ab.

Fassadenmodell

Fassadenmuster

Fassadenmuster vor Ort

Ausgeführte Fassade

Die Baumaßnahme wurde aus Mitteln des Umwelt-Entlastungs-Programms (UEP), einem Förderprogramm der EU mit strengen Auflagen, finanziert. Beispielhaft liegt die Einsparung bei der Bernhard-Rose-Schule beim Primärenergieaufwand nach der Sanierung bei 16,2 kWh/m³pro Jahr (11,4 kWh/m³ nach der Sanierung gegenüber 27,6 kWh/m³davor). Auch wird bei den UEP-Maßnahmen ein sinnvolles Verhältnis zwischen Investitionskosten und tatsächlich erzielten Einsparungen zugrunde gelegt. Um die Einsparung von 1 MWh zu erzielen, betragen die Investitionskosten 4540 €. Der U-Wert der Fassade liegt mit 0,20 W/m²K, also 42 % unter dem U-Wert der gültigen EnEV 2007 von 0,35 W/m²K.

Je nach Lichtsituation reflektieren die Aluminiumprofile das Grün der Bäume - das Spiel der Blätter verändert ihre Farbwirkung.

Die energetische Fassadensanierung ist zwischenzeitlich zum Standardprogramm vieler Maßnahmen im Rahmen des Konjunkturpakets II geworden. Auch wir arbeiten gerade an einer Weiterentwicklung unserer Erfahrungen an einer Schule am Fennpfuhl in Berlin-Lichtenberg.

Foto: Andreas Gabriel, München

Die hohen Erwartungen an die Nachhaltigkeit der Fassadensanierung in Friedrichshain haben sich bislang erfüllt. Die kontrastreiche Farbigkeit der Außenhaut bietet keine Grundlage für Graffiti. Die wenigen Farbschmierereien auf den Profilen konnten mühelos abgewaschen werden. Die Schulen sind in ihrer Außenwahrnehmung deutlich aufgewertet worden, aber auch nach innen zeigt sich, dass die kleinteilige Gestaltung angenommen und weiterentwickelt wurde.
So konnte inzwischen an den Flurwänden ein Farbkonzept des Bezirks verwirklicht werden. Im Eingangsbereich der Blumen-Grundschule wurden von den Kindern farbenfrohe Mosaike angebracht. Die »Kastenfenster«, die als Folge der Innendämmung an den Innenseiten der Treppenhäuser notwendig wurden, werden als Ausstellungsvitrinen für den Kunstunterricht genutzt. Probleme gibt es bislang lediglich mit der Steuerung der Sonnenschutzelemente, was aber auch auf Fehlbedienung zurückzuführen ist. An einer Stelle probieren einige Schüler gerade, ob die Aluminiumfassade als Rankgerüst von Kletterpflanzen angenommen wird.

Schule in Berlin-Lichtenberg, Huber Staudt Architekten, Projekt 2009 - 2010

Blumen-Grundschule/Bernhard-Rose-Schule, Betonelementfassade Treppenhäuser

Foto: Andreas Gabriel, München

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