Nordenglische Wohnmaschine: Siedlung Park Hill in Sheffield

von Thomas Madlener Die Siedlung Park Hill gilt als größter denkmalgeschützter Gebäudekomplex Europas. Auf einer Anhöhe oberhalb des Bahnhofs von Sheffield dominiert sie die ehemals stolze englische Industriestadt; wie eine Stadtkrone mit stets gleicher Oberkante folgen die vier- bis dreizehngeschossigen Riegel dem Geländeverlauf. Bei seiner Fertigstellung im Jahr 1961 wurde der brutalistische Bau mit 995 geförderten Wohnungen nicht nur von Architekten als Symbol des Aufbruchs, als modernes, ehrgeiziges Vorbild zukünftiger Wohnsiedlungen und Vorzeigeprojekt eines großen Wohnungsbauprogramms gepriesen.  Architekten: Hawkins\Brown, London; Studio Egret West, London
Standort: Park Hill, GB–S2 5PN Sheffield

Blick über die Bahn auf Park Hill, Foto: Thomas Madlener

Wie die gesamte Stadt erfuhr die anfangs beliebte Siedlung in den 1970er- bis 80er- Jahren einen kontinuierlichen Niedergang. Zusehends vernachlässigt geriet der Komplex zum Auffangbecken für soziale Problemfälle. Hätte Park Hill im Jahr 1998 nicht Denkmalstatus erlangt, wäre die Siedlung wohl abgerissen worden. Traditionalisten wie politisch motivierte Gegner brandmarkten den Komplex nicht nur als weithin sichtbaren Schandfleck, sondern auch als Beweis für das Scheitern sozialdemokratisch geprägten Wohnungsbaus. 

Vor dem Umbau (2008), Foto: Keith Collie

Vor dem Umbau (2008), Foto: Keith Collie

Rückbau auf das Betonskelett, Foto: Keith Collie

Der gewollte, dem politisch-gesellschaftlichen Umfeld wie auch den Vermarktungsabsichten für die nun mehrheitlich frei finanzierten Eigentumswohnungen geschuldete Imagewandel spiegelt sich vor allem in den neuen Fassaden. Anstelle der ursprünglichen weißen Sprossenfenster zwischen Mauerwerksausfachungen, die von Dunkelbraun im Erdgeschoss bis Ockergelb unter dem Dach changierten, treten große Glasflächen und Öffnungsflügel aus eloxiertem Aluminium – von sattem Rot im unteren Bereich bis zu knalligem Zitronengelb nahe der Attika.

Sanierter Abschnitt neben unsaniertem Bestand, Foto: Thomas Madlener

Sanierter Abschnitt neben unsaniertem Bestand, Foto: Thomas Madlener

Grundsätzlich hat sich die Struktur mit dem typischen Grundelement der dreiachsigen und dreigeschossigen »Cluster« mit zweigeschossigen Wohnungstypen sowie Erschließungsstraßen auf jedem dritten Geschoss nicht geändert. Die unbestrittenen Qualitäten blieben erhalten, wie etwa die durchgesteckten Apartments mit natürlicher, auch nachts sicherer Querlüftung und nach Süden oder Westen orientierten Wohnzimmern sowie mindestens einem Balkon. Jedoch wurden die Grundrisse offener und großzügiger gestaltet, im Innern Betonflächen teils sichtbar belassen. 

Musterwohnung, Foto: Peter Bennett

Weitere Informationen
www.hawkinsbrown.com
In einigen Jahren soll der komplett revitalisierte Komplex 874 Wohnungen umfassen, 240 davon in unterschiedlichem Maß gefördert. So wird die Bewohnerschaft zwar gemischter, der fehlende geförderte Wohnraum allerdings nicht an anderer Stelle ­ersetzt. Dies ist jedoch eine politische und keine architektonische Entscheidung.

Das neue Eingangsportal, Foto: Thomas Madlener

Verspiegelte Fluchttreppe und verglaste Aufzüge, Foto: Daniel Hopkinson

Vor dem Umbau (2008), Foto: Keith Collie

Um die Schlafzimmer heller zu gestalten, wurde im Norden und Osten das Öffnungsverhältnis umgedreht, der Glasanteil liegt nun bei 66 %. Schlankere Betonbrüstungen mit feinerer Oberfläche und haptisch angenehmen Holzhandläufen ersetzen die alten Balustraden.

Foto: Daniel Hopkinson

Die monumentale, von Le Corbusier ebenso wie von Alison und Peter Smithson inspirierte Anlage bot in schmalen, mäandrierenden Gebäuderiegeln beidseits orientierte, mehrgeschossige Wohnungen mit viel Licht, Querlüftung und weiten Ausblicken über die Stadt hinaus. In Park Hill gab es Läden und Waschsalons, einen Kindergarten, eine Polizeistation und vier Pubs. Die Erschließungswege auf jedem dritten Geschoss, bekannt als »streets in the sky«, übernahmen identitätsstiftend die Straßennamen des ehemaligen, abgerissenen Quartiers. Sie sollten als Orte der Begegnung dessen Gemeinschaftsgefühl und soziales Leben wieder aufleben lassen.

Foto: Daniel Hopkinson

Musterwohnung, Fotos: Peter Bennett

Eine ausführliche Print-Dokumentation zum Projekt lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe DETAIL 2013/4 zum Thema »Sanierung«.

Foto: Keith Collie

Die Denkmalschutzbehörde entschied, dass nur das Betonskelett zu erhalten sei und ein Investor übernahm das Areal für ein symbolisches Pfund. Bisher wurde der nördlichste und höchste Teil, ein doppelt geknickter zehn- bis dreizehngeschossiger Riegel, erst bis auf das Tragskelett zurückgebaut, dann der brettgeschalte Beton mit einigem Aufwand saniert.

Rückbau bis auf das Betonskelett (2009), Foto: Keith Collie

Rückbau bis auf das Betonskelett (2009), Foto: Keith Collie

Ein neuer viergeschossiger Einschnitt schafft ein prominentes zentrales Portal, eine verspiegelte und gewendelte außen liegende Fluchttreppe sowie komplett verglaste Aufzüge, die Ausblicke über die Stadt bieten, markieren diesen Zugang. Um Park Hill zu einer belebten Destination zu machen, sind in den unteren Geschossen großflächig verglaste eineinhalb- bis dreigeschossige Einheiten für Läden und Studios, Cafés, Bars und Restaurants entlang der neu gestalteten Außenbereiche vorgesehen.

Foto: Keith Collie

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