23.09.2009

Öffentlichkeitsarbeit für experimentelle Architektur

Für junge Architekten mit experimentellen Ansätzen bedeutet es oft die größte Herausforderung, Öffentlichkeit für Ihre Ideen herzustellen. Für solche Ideen eine Plattform zu bieten, ist Ziel von Nadin Heinich, die seit 2004 mit plan a eine eigene Agentur für Architekturkommunikation betreibt. Im Interview spricht sie mit Carsten Sauerbrei über ihre Erfahrungen mit dem Kommunizieren und Finanzieren von Ideen.
Carsten Sauerbrei: Frau Heinich, Sie haben zunächst Architektur studiert. Wie ist aus Ihnen die Architekturvermittlerin und Inhaberin der Agentur plan a geworden?
Nadin Heinich: Das ist in unserem 2007 erschienenen Buch „Überfunktion. Zur Konstruktion von Wirklichkeiten in der Architektur“ gut beschrieben. Mein Grundstudium an der TU Berlin war sehr interessant. In dieser Phase wurden jedoch massiv Stellen eingespart. Elan, Leidenschaft, neue Impulse fehlten mir in der weiteren Ausbildung sehr. Aus Unzufriedenheit darüber entstanden zwei Vortragsreihen. Wir, Philip Kring bzw. Nadine Jerchau und ich, haben einfach die Personen eingeladen, die wir interessant fanden. Das waren bei der ersten Veranstaltungsreihe zum Beispiel realities:united, der Kurator Hans-Ulrich Obrist oder die Künstlerin Birgit Brenner. Später der Künstler Carsten Nicolai, der Opernregisseur Sebastian Baumgarten bzw. Oliver Rihs, der Filme macht. Wichtig war uns dabei der interdisziplinäre Charakter. Um unsere Ideen in einem anderen Rahmen, außerhalb der Uni umzusetzen, mussten wir über Dinge wie PR, Marketing und Kommunikation nachdenken. Aufbauend auf den Vorträgen bekamen wir im Jahr 2007 die Chance, eine Ausstellung in der Architekturgalerie Aedes und eine begleitende Publikation zu realisieren. An diesem Punkt wurde dann erstmals eine Sponsorenakquise im größeren Umfang notwendig.
Sauerbrei: Mit Blick auf Ihr Studium formulieren Sie die Frage: „Was ist ein Architekt in unserer gegenwärtigen Gesellschaft, was sind seine Aufgaben?“ Ist es für Architekten notwendig, dies für sich zu klären?
Heinich: Ich weiß nicht, ob man das verallgemeinern kann. Ich kann es aber aus meiner persönlichen Erfahrung beantworten: Für das, was ich mit plan a mache, musste ich anfangs einen Businessplan schreiben. Das klingt erst einmal nach viel Betriebswirtschaft, war aber ein gutes Mittel, um mir klar zu werden, was ich will - und zwar von der Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung.
Meiner Meinung nach ist die Arbeit von Architekten heute mehr, als nur Häuser zu bauen – sie repräsentiert die Gestaltung der Umwelt als Ganzes. Auf diesem Feld können Architekten neue Aufgaben und Märkte entdecken. Ein gutes Beispiel dafür ist das Büro von realities:united, wo dieses neue Verständnis gut zum Ausdruck kommt. Mit ihren Medienfassaden gestalten sie Raum mithilfe neuer digitaler Technologien. Sie sind als Architekten eher Problemlöser als Gebäudegestalter und haben ihre eigene Idee von Raumgestaltung entwickelt.

Nadin Heinich

Sauerbrei: plan a versteht sich als Plattform, auf der Positionen einer jungen Architektengeneration zur Diskussion gestellt werden. Worin unterscheiden sich Ihrer Meinung nach die „Architektengenerationen“?
Heinich: Ich denke nicht, dass es die großen Unterschiede zwischen den Generationen gibt. Die Integration neuer Technologien – Fragen des Gebäudeklimas, intelligente Gebäudetechnik bis hin zur Vernetzung von ganzen Gebäuden, also eher die weichen anstelle der statischen Bestandteile von Architektur –das sind sicher Themen, die für junge Architekten immer wichtiger werden. Aspekte davon habe ich in dem 2007 gemeinsam mit Franziska Eidner herausgegebenen Buch „Sensing Space – Technologien für Architekturen der Zukunft“ aufgegriffen. Außerdem interessiert mich die Suche nach neuen, experimentellen Entwurfs- und Ausdrucksmöglichkeiten in der Architektur.
Sauerbrei: Was sind viel versprechende Strategien, die eigene Idee, auch unter schwierigen Rahmenbedingungen tatsächlich umzusetzen?
Heinich: Bei plan a war es zum Beispiel so, dass sich die Unternehmen sehr schwer taten, eine Ausstellung mit jungen, experimentellen Projekten zu fördern. An diesem Punkt ist es sehr wichtig, miteinander zu reden und die gegenseitigen Bedürfnisse zu erkennen. Sich zu präsentieren hat für die Unternehmen Priorität. Das können sie aber auch in Begleitveranstaltungen, nicht ausschließlich nur mit gebauten Projekten. Langfristig ist es für solche Unternehmen attraktiver, anstelle von Produktpräsentationen ein positives Markenimage als Unterstützer von Baukultur aufzubauen. Meine Rolle besteht in der Vermittlung zwischen den verschiedenen Interessen – das heißt, die der anderen im Sinne des Projektes mit meinen eigenen bestmöglich zusammenzubringen.
Sauerbrei: Sie bezeichnen sich selbst als Architekturvermittlerin. Was vermitteln Sie und zwischen wem?
Heinich: Ich sehe mich als Schnittstelle zwischen den Welten. Da sind bei Ausstellungen zum Beispiel einerseits die Ausstellenden selbst, die am liebsten bis zur letzten Minute an ihren Werken basteln würden. Ich sehe meine Aufgabe darin, eine Plattform für die Präsentation ihrer Ideen zu schaffen. Das andere ist die Öffentlichkeit – Experten wie auch Laien sowie die Presse. Und natürlich zu guter Letzt die, die oft das Ganze möglich machen – Unternehmen, Geldgeber, Institutionen. Ich, als Vermittlerin muss allen Beteiligten deutlich machen, wo ihr Nutzen am Projekt liegt, wo sie sich mit ihren Bedürfnissen wieder finden.
Sauerbrei: Zum Abschluss: Wie sieht eine erste Bilanz nach 5 Jahren plan a aus?
Heinich: Der Beginn war ja sehr intuitiv, aus einem spontanen inhaltlichen Interesse heraus. Nach den Erfahrungen, die ich mit den Projekten gesammelt habe, weiß ich jetzt, was Architekturvermittlung überhaupt ist. Im Studium lernt man das ja nicht.
Mein Ziel ist es, mit plan a junge Leute und frische Ideen zu präsentieren. Begleitend zu dem aktuellen Buch „Sensing Space“ gibt es eine Veranstaltungsreihe. Die erste Veranstaltung fand im Juni in der Akademie der Künste statt, drei weitere werden in diesem und im nächsten Jahr folgen, nicht nur in Berlin, sondern auch in zwei anderen deutschen Städten.
In Zukunft soll es weiterhin um Kulturprojekte, also Ausstellungen und Publikationen gehen, aber perspektivisch auch darum, Unternehmen und Architekturbüros in Fragen der Kommunikation zu beraten.

Foto: Jovis Verlag

Alejandro Aravena. Photograph: Cristobal Palma

Alejandro Aravena. Photograph: Cristobal Palma

Autor:
Carsten Sauerbrei

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