Online-Partizipation in der Stadtentwicklung

Wie zeitgemäß und zielführend sind unsere heutigen Online-Partizipationsformate? (Foto: pixabay)

Die Möglichkeit zur Teilnahme an digitalen Partizipationsprozessen ist längst in unseren Wohnzimmern angekommen. Sei es die Entwicklung eines neuen Quartiers oder die Umgestaltung von öffentlichen Plätzen – dieses Jahrzehnt steht unter den zahlreichen Möglichkeiten der Teilhabe und Teilnahme an den stadtgestalterischen Prozessen. Wie werden die Beteiligungsformate angenommen? Was geschieht mit den erfassten Daten? Wie zeitgemäß sind die Methodiken tatsächlich? Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat sich in der Zeitschrift Informationen zur Raumentwicklung (IzR) dem Thema der Online Partizipation in der Stadtentwicklung gewidmet und dieses anhand unterschiedlicher Beispiele und Akteure evaluierend zusammengefasst: Von der Telefonbefragung zu crossmedialen Beteiligungsformaten
Beteiligungsformate stellen bereits seit den 1970er-Jahren eine Möglichkeit dar, um Personen zu bestimmten Dingen zu befragen und daraus Bedürfnisse und Tendenzen abzuleiten. Was früher über eine Telefonbefragung durchgeführt wurde, wird heutzutage vielfältig angewandt: Wünsche und Ideen zu Stadtentwicklungsprojekten werden digital und im physischen Raum beispielsweise in Form von Beteiligungsworkshops erfasst. Auffällig ist dabei, dass die Beteiligung bei beiden Formaten gleich stark ausfällt. Sollte man nicht meinen, dass man über eine digitale Option eine größere Anzahl an Personen erreicht? Wer sind die Teilnehmenden?
Hierzu ist es wichtig zu verstehen, welche Personengruppen sich an den Partizipationsmöglichkeiten beteiligen. Der Stadtforscher Klaus Selle stellt in seinem Bericht »Partizipation 8.0« fest, dass es sich meist um die gleichen Beteiligungsgruppen handelt: hochgebildete, gutverdienende Personen. Es finden sich somit kaum Menschen mit Migrationshintergrund, geringen Bildungsabschlüssen oder niedrigem Einkommen innerhalb der Beteiligungsprozesse. Da es sich hierbei um eine stark homogene Gruppe handelt, stellt sich die Frage danach, wie sich die Nutzergruppen stärker durchmischen lassen bzw. wie man ein größeres Publikum für die Beteiligungsprozesse erreichen kann. Welche Daten werden erfasst?
Ein weiterer Aspekt beschäftigt sich mit den tatsächlichen Aussagen, die online von Teilnehmenden veröffentlicht werden. Viele Personen nutzen die Plattformen, um ihren allgemeinen Unmut über politische Entscheidungen oder ähnliche Dinge zu nutzen. So ist es zwar für alle möglich, sich an den Verfahren zu beteiligen, doch fällt gleichzeitig auf, dass die Ideen und Vorschläge, die formuliert werden, häufig nichts mit dem eigentlichen Projekt zu tun haben. Zudem nutzen Personen solche Plattformen, statt einen konstruktiven Beitrag zu leisten, ihren Unmut gegenüber dem Projekt zu äußern. Dennoch muss man genau darauf achten, ob es sich bei den Kommentaren um willkürliche Äußerungen handelt oder ob hinter den Äußerungen ernst gemeinte Kritik steckt. Viele Autoren räumen in der Publikation ein, dass die Beiträge, mit Hilfe einer gut eingesetzten Moderation, eine konstruktivere Ebene erreichen. Um die Problematik von willkürlichen Ideen zu umgehen, wird vorgeschlagen, die Anforderungen im Vorfeld klar zu formulieren und in einer zweiten Befragungsrunde lediglich die qualifizierten Vorschläge weiter zu entwickeln. Verstaubte Partizipationsformate?
In einem Beitrag von Julian Petrin wird die Methodik der Partizipationsformate kritisiert. Sie sei zu sperrig, zu komplex und zu unflexibel, vor allem wenn es darum geht, neue Technologien in den Prozess mit einfließen zu lassen. »In der Regel bedeutet digitale Teilhabe im Jahr 2017 kaum mehr als das Tippen auf einer sehr mächtigen Schreibmaschine, mit der man ansprechende Formulare ausfüllt – während draußen, in der Welt der Consumer Electronics und Kommunikationstechnologie längst das Zeitalter der intelligenten Dinge und der Mixed Reality angebrochen ist.«, erläutert der Stadtplaner. In diesem Punkt werden die Akteure, die solche Beteiligungsformate anbieten, relevant. In der Regel handelt es sich dabei um Behörden von Städten und Kommunen. Zwar werden für die Beteiligungsprozesse Stellen geschaffen, doch häufig bleibt kaum Zeit, um sich um die umfangreiche Pflege und Aufarbeitung der Prozesse, Ergebnisse und die Betreuung der Teilnehmenden zu kümmern. Es wird vorgeschlagen, solche Aufgaben an externe Unternehmen, die sich auf Beteiligungsformate spezialisiert haben, auszulagern. Zudem ließen sich deutlich experimentierfreudigere Formate, die crossmedial angesetzt sind, umsetzen. So würde die Wahrscheinlichkeit, ein breiteres Spektrum an Personen zu erreichen, deutlich steigen. Letztlich muss geklärt werden, wie mit den erfassten Daten umgegangen wird und wo diese gespeichert werden. Über eine anonymisierte Erfassung der Daten wäre dies beispielsweise möglich. Die Publikation zeigt auf, dass auf diesem Feld ausreichend Handlungsbedarf besteht. Statt dialoglosen Online-Formularen stellt ein innovativer, crossmedialer Einsatz von Beteiligungsformaten die umfangreichste Erfassung der Wünsche und Ideen von Bürgern dar.
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