28.09.2012 Linder@detail.de

Photovoltaik ohne Kompromisse: Gebäudesanierung in Romanshorn

Mehr ist manchmal weniger: Das  Wohn- und Geschäftshaus Alleestraße 44 in Romanshorn hat durch seine Sanierung nicht nur an Volumen und Prägnanz gewonnen, sondern auch seinen Netto-Primärenergiebedarf unter Null gesenkt. Verantwortlich für den Umbau zeichnete das Architekturbüro Viridén und Partner aus Zürich. Architekten: Viridén + Partner AG, Zweierstraße 35, CH-8004 Zürich
Bauherrin: EcoRenova AG, Zweierstraße 35, CH-8004 Zürich
Standort: Alleestraße 44, CH-8590 Romanshorn

Fotos: EcoRenova AG, Zürich

Sechs Geschosse hoch, eine Betonfassade in Himmelblau und Currygelb und ein merkwürdig zerklüftetes Bauvolumen: Das sechsgeschossige Haus Alleestraße 44 in Romanshorn am Bodensee, 1962 erbaut, war vor dem Umbau alles andere als ein Schmuckstück. Eher schon bezeugte das Gebäude die über die Jahre fortgeschrittene Abwertung des Ortszentrums – und das trotz einer eigentlich privilegierten Innenstadtlage, nur 200 Meter vom Bahnhof entfernt am Ende einer verkehrsberuhigten Ladenstraße. Die ehemaligen Nutzer waren drei Läden im Erdgeschoss, eine von den Architekten Viridén + Partner als „zwielichtig“ beschriebene Bar mit Spielsalon im ersten Obergeschoss, eine Arztpraxis im 3. OG und vier Wohnungen in den restlichen Geschossen.  Insgesamt kam das Gebäude so auf eine Nutzfläche von 1516 Quadratmetern.

Grundriss einer Wohnetage mit neu hinzugekommenem Bauvolumen (rot). Abbruchwände sind gelb, neu hinzugekommene Wände rot eingezeichnet. Quelle: Viridén + Partner AG, Zürich

Ganz anders sieht das Bild nach dem nun durchgeführten, von der EcoRenova AG als neuer Eigentümerin finanzierten Umbau aus: Das Gebäude hat nun 56% mehr Nettowohnfläche und 44% mehr Gebäudevolumen, enthält nun neben den drei Läden 18 neu errichtete oder komplett renovierte Wohnungen mit zwei bis viereinhalb Zimmern. Ferner garantieren die Eigentümer allen Mietern der Wohn- und Gewerberäume null Schweizer Franken Energiekosten. Nach Aussage der Architekten handelt es sich bei dem Gebäude um das erste auf Plusenergiestandard sanierte Mehrfamilienhaus dieser Höhe in der Schweiz.

2009 erwarben die neuen Eigentümer das Gebäude, im Oktober 2011 war Baubeginn und ein Jahr später Fertigstellung. Möglich wurden das ambitionierte Projekt und dessen zügige Abwicklung wohl auch, weil Architekt und Bauherr hier gleichsam in Personalunion agierten: Der Geschäftsleiter und Namensgeber des Architekturbüros,  Karl Viridén, ist zugleich Geschäftsführer der Investorengesellschaft EcoRenova AG. Einfach war das Projekt deshalb noch lange nicht: Je größer und kompakter innerstädtische Gebäude sind, desto schwieriger lässt sich ihr Bedarf komplett mit auf dem eigenen Grundstück gewonnener, erneuerbarer Energie decken. Denn als einzige Energiequelle steht in aller Regel die Sonne zur Verfügung. Gleichzeitig jedoch sind bei solchen Gebäuden die Flächen kleiner, die sich mit Photovoltaik und Solarthermie ausstatten lassen, und die Gebäude sind häufiger durch Nachbarn verschattet.

Dämmstandards der Gebäudehülle. Quelle: Viridén + Partner AG, Zürich

Maßgeblich für den Plusenergiestandard der Alleestraße ist zunächst eine hoch gedämmte Gebäudehülle mit U-Werten zwischen 0,09 W/m2K und 0,12 W/m2K für die opaken Bauteile. Die Fenster erhielten eine Dreifachverglasung und erreichen Uw-Werte von 0,80 W/m2K. Zudem wurde im Gebäude eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert. Den Wärmebedarf deckt zu rund drei Vierteln eine 69 m2 große Solarthermieanlage auf dem Gebäudedach und zu einem Viertel eine Wärmepumpe. Um auch den Stromverbrauch im Gebäude komplett mit Solarenergie decken zu können, ließen die Architekten insgesamt 405 Quadratmeter Photovoltaik am Gebäude installieren – 110 m2 davon auf dem Gebäudedach und die restlichen 295 m2 an den Süd- und Westfassaden. Die dort angebrachten, hinterlüfteten Module bedecken nahezu jeden Quadratzentimeter Fassade, der nicht anderweitig – etwa durch Fenster – benötigt wird und verleihen den beiden „Schauseiten“ des Gebäudes so ein einheitlich schwarzes Kleid.

Vergleich des Hauses Alleestraße 44 mit den Anforderungen der Schweizer 2000-Watt-Gesellschaft an Treibhausgasemissionen und Primärenergieverbrauch. Der Energieverbrauch im Betrieb entfällt bei dem Gebäude in Romanshorn völlig; es fallen nur noch Graue Energie (für die Gebäudekonstruktion) sowie Energie für die Mobilität der Bewohner an. Grafik: Viridén + Partner AG, Zürich

Durch die bis zu 32 cm starke Wärmedämmung und die Lüftungsanlage sank der Heizenergiebedarf im Gebäude von 140 kWh/m2a vor der Sanierung auf jetzt nur noch 9,1 kWh/m2a (nach SIA 380/1).  Insgesamt beträgt der Endenergiebedarf im Gebäude – einschließlich des Haushalts- und Gewerbestromverbrauchs – nun nur noch 48,0 kWh/m2a; das ist rund ein Viertel des Bedarfs vor dem Umbau.  Trotz der um 56% größeren Fläche verbraucht das Gebäude so 62% weniger Energie als zuvor. Einem errechneten Energiebedarf von 113000 kWh pro Jahr stehen Energiegewinne durch Solarthermie, Umweltwärme und Photovoltaik von 117000 kWh/a gegenüber. Der Energieüberschuss von 4000 kWh/a (entsprechend dem durchschnittlichen Jahresverbrauch eines Vierpersonenhaushalts) wird in Form von Solarstrom ins Netz eingespeist.

Energiebilanz des Umbaus. Quelle: Viridén + Partner AG, Zürich

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