09.10.2012 Bettina Sigmund

Stone Spray: Dreidimensionale Strukturen aus Sand

Barcelona hat nicht nur einen eigenen Strand mitten im Stadtzentrum, hier gibt es auch hervorragende Hochschulen für Design und Architektur. In einem Forschungsprojekt dreier Design- und Ingenieurschmieden in der katalanischen Metropole kommt nun beides zusammen: Studenten des Institute for Advanced Architecture of Catalonia entwickelten in Zusammenarbeit mit Vortica und dem Fab Lab Barcelona einen Roboter, der aus Erde oder Sand plus einem Bindemittel dreidimensionale, belastbare Strukturen erschafft.

Alle Fotos: Anna Kulik, Petr Novikov, Inder Shergill

Die Studenten Anna Kulik und Petr Novikov aus Russland sowie Inder Shergill aus Indien arbeiteten am Institute for Advanced Architecture of Catalonia in Barcelona an einem aufregenden Projekt. Professionelle Unterstützung erhielten sie dabei von den Designern und Ingenieuren von Vortica und dem Fab Lab Barcelona, einer offenen Hightech-Werkstatt. An der IAAC wurde die Gruppe von Marta Male-Alemany, Jordi Portell und Miquel Lloveras betreut. Schon der erste Blick auf die Endprodukte aus der „Hand“ des Roboters lässt unterschiedlichste Bilder im Kopf entstehen. Der Ort Barcelona weckt unweigerlich Assoziationen zur Sagrada Familia mit der in einzelne Kraftlinien aufgelösten sandfarbenen Konstruktion. Die dreidimensionalen Strukturen aus Sand erinnern an die Mikrostruktur von organischem Gewebe wie beispielsweise Knochen: scheinbar massive Gebilde, die sich unter dem Mikroskop in einzelne Streben und Fasern auflösen und aus dieser Struktur ihre Stabilität gewinnen. Bioniker lassen sich bei der Entwicklung und Erforschung neuer Techniken und Materialien von der Zusammensetzung gewachsener Formen inspirieren.

In einem ersten Schritt wurden verschiedene gebräuchliche Roboter analysiert. Die Gruppe experimentierte mit unterschiedlichen Ausgangsmaterialen und Bindemitteln aus der Industrie oder dem Straßenbau. Die Form des Sprühkopfs und der Verbindungsvorgang von Sand und Verfestiger wurden in Versuchen erprobt. Der Name des Roboters Stone Spray steht Pate für das Projekt. Aus einer Düse am Arm des Roboters tritt das flüssige Bindemittel aus. Einfache lose körnige Materialien wie Sand in verschiedenen Zusammensetzungen werden mithilfe des Verfestigers nach einer programmierten Vorlage gebunden und nehmen nach der Trockenzeit feste Formen an. Zunächst wurden bewehrte, später auch unbewehrte Modelle errichtet. Erstere bestehen aus einem Grundgerüst aus Draht, das mit dem Sandgemisch ummantelt wird - ähnlich einem Trägergewebe für Putz, wie es bei konventionellen Drahtputzdecken oder Stahlträgerverkleidungen verwendet wird. Die Versuche zeigen, dass auch Strukturen ohne Trägermaterial funktionieren. Der Prototyp hat bereits unterschiedliche Formen hergestellt, darunter beispielsweise ein Baum oder ein Stück Wand. Die Konstrukte sind zusätzlich zu ihrem Eigengewicht belastbar. Für einen dreibeinigen Hocker mit den Ausmaßen von etwa 200 x 200 x 200 mm benötigt der Stone Spray etwa drei Stunden. Dazu kommt eine Trockenzeit von einer Stunde, bis das Materialgemisch vollständig ausgehärtet ist.

Der Fokus des Projekts lag auf der Auslotung der Möglichkeiten und Grenzen der computergesteuerten Fabrikation auf der Baustelle. In der Industrie werden bis dato hauptsächlich kleinere Bauteile im Werk produziert und auf die Baustellen geliefert. Der Stone Spray arbeitet direkt vor Ort. Die Technologie stellt eine Revolution von Bauablauf und Baustellenorganisation in Aussicht. Maschinelle Unterstützung des Baustellenpersonals könnte Bauzeiten verkürzen und zu Kosteneinsparungen führen. Programmierte Roboter arbeiten mit höchster Präzision und sind diesbezüglichen Anforderungen bestens gewachsen. Es werden einfachste Materialien verwendet. Sand und Erde finden sich auch in ansonsten rohstoffarmen Gegenden. Dadurch können Materialengpässe, Lieferschwierigkeiten oder hohe Kosten bei gesteigerter Nachfrage wie beispielsweise im Stahlbau vermieden werden. Durch die Verwendung vorhandener natürlicher Ressourcen entsteht kein Abfall. Der Roboter selbst kann in seiner aktuellen Form ausschließlich mit Sonnenenergie betrieben werden. Er zeichnet sich durch einen sparsamen Verbrauch aus. Das Bindemittel besteht aus LEED zertifizierten Komponenten.
Die Technologie selbst steckt momentan noch in den Kinderschuhen. Die Entwicklung der Modelle innerhalb weniger Monate von einfachen „Stützchen“ zu raumhaltigen Gebilden von aktuell bis zu vierzig Zentimetern Höhe ist jedoch vielversprechend. Als nächster Schritt soll die 1-Meter-Höhe "geknackt" werden. Die Architekten denken auch über ein Trockensystem nach, das die Aushärtungs- und Bauzeit weiter verkürzt. Alle Ergebnisse wurden in einem Projektbuch zusammengefasst, dass sogar die Anleitung zum Bau eines eigenen Roboters enthält.

Weitere Informationen finden Sie hier.
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