Tangram-Puzzle aus Faserzement: Festspielhaus von Delugan Meissl

Wegeführung, Raumfolge und funktionale Beziehungen bilden integrative Bestandteile der architektonischen Dramaturgie: weite Kommunikationszonen, sich verschmälernde und erweiternde Zirkulationsbereiche und variierende Raumhöhen übersetzen die tektonische Gebäudegeometrie auf sinnlich nachvollziehbare Weise. In schlüssiger Konsequenz wird die Annäherung zum Konzertsaal durch sanftes Ansteigen des Eingangsniveaus wirkungsvoll inszeniert.

Zwei Zugänge verbinden die jeweiligen Geschosse des Foyers mit dem Konzertsaal, welcher im Zentrum des Gebäudes gleich einer Muschel situiert und im rückwärtigen Teil im Fels verankert ist. Der Übergang vom Foyer in den Konzertsaal wird von einem räumlichen wie atmosphärischen Wechsel begleitet: Dynamik, Variabilität und Asymmetrie des Foyers weichen höchster Konzentration, statischer Ruhe und Orthogonalität.

Foto: Christian Schittich

Foyer, Foto: Brigida González

Wie ein Fels schmiegt sich das expressive neue Festspielhaus Erl von Delugan Meissl in die Tiroler Landschaft. Im Sommer korrespondiert sein dunkler, horizontal geschichteter Baukörper mit den dahinter liegenden Bergen und läßt dem benachbarten Altbau den Vortritt. Im Winter aber, wenn das weiße Passionsspielhaus von 1957 optisch mit dem Schnee verschmilzt, tritt der fast schwarze Neubau markant in Erscheinung. Seine komplexe Geometrie wird allseitig von einer Struktur aus nur wenigen, immer gleichen Elementen aus Faserzement umhüllt.
Am 26. Dezember wird das neue Winterspielhaus mit einem feierlichen Konzertabend eröffnet
.

Architekten: Delugan Meissl Associated Architects, Wien
Standort: Mühlgraben 56a, A-6343 Erl

Foto: Brigida González

Lageplan, Grafik: Delugan Meissl

Foto: Brigida González

Grundriss Eingangsebene, Grafik: Delugan Meissl

Grundriss Ebene 01, Grafik: Delugan Meissl

Schnitte A-A, B-B, Grafik: Delugan Meissl

Erschließung

Die landschaftlich-topografische Prägung des Neubaus setzt sich in seinem Inneren konsequent fort, wobei zwei maßgebliche Parameter den planerischen Ansatz leiten: Die Wechselbeziehung zwischen Gebäudeinnerem und umgebendem Naturraum sowie die räumliche Konfiguration eines funktionsorientierten Konzerthauses von internationalem Rang. Fließende visuelle und funktionale Raumbezüge bestimmen die Architektur: Zonen von unterschiedlicher Nutzung und Geometrie zeugen von der kreativen Auseinandersetzung mit Kommunikation und Ruhe, Dynamik und Konzentration. Bewegungsabläufe werden durch die sinnliche Erfahrbarkeit von Raumsituationen auf subtile Weise gesteuert. Die landschaftlich integrierte Zugangstreppe leitet Besucher in das Gebäudeinnere.

Foto: Christian Schittich

Innenraumeindrücke aus dem Foyer(bereich), Fotos: Christian Schittich

Konzertsaal, Foto: Christian Schittich

Foto: Brigida González

Blick aus der Galerie, Foto: Brigida González

Aus nur wenigen gleichen Fassadenelementen entsteht eine komplexe Geometrie; Foto: Christian Schittich

 Bauherr: Festspielhaus Erl Errichtungs- und Betriebsgesellschaft GmbH

Wettbewerb:
2007 (1. Preis)
Planungsbeginn: 2008
Baubeginn: November 2010
Fertigstellung: August 2012

Grundstücksfläche: 9.700 m²
Nutzfläche gesamt:
8.800 m²
Bruttogeschoßfläche: 10.000 m²
Kubatur: 60.000 m3

Kosten: 36 Mio Euro

www.dmaa.at www.tiroler-festspiele.at

Foto: Christian Schittich

Material

Neben der Gestaltung der Raumabfolge wird auch das Materialkonzept durch die sinnliche Wahrnehmung jeweiliger Nutzungsbereiche definiert. Differenzierungen von Geometrie, Haptik und Oberfläche jeweiliger Raumelemente erhöhen die sinnliche Erfahrbarkeit einzelner Funktionsbereiche und begünstigen die Orientierbarkeit. Das Erstrahlen des Foyers bei winterlicher Dämmerung verstärkt den kommunikationsbetonten Charakter dieses Begegnungsraumes. Der Metapher eines freigelegten Juwels folgend, wird der Konzertsaal von einem deutlichen Materialwechsel definiert: Holzoberflächen und gedämpfte Farben bilden eine warme Raumkomposition von spannungsvoller Ruhe, wodurch die Konzentration und Wahrnehmung der Besucher auf die bevorstehende Darbietung gerichtet wird. Eine multiple technische Ausstattung sowie die Transformierbarkeit des Saales ermöglichen eine vielfältige Nutzung, die weit über die Funktion eines klassischen Konzert- und Festspielbetriebs hinausgeht.

Landschaftliche Implementierung


Die Geometrie des Festspielhauses entwickelt sich aus den topografischen Gegebenheiten und stellt das Gebäude in ein adäquates Verhältnis zum bestehenden Passionsspielhaus von Robert Schuller. Form und Positionierung nehmen gleichsam Bezug auf die eindrucksvolle Landschaftskulisse in Form der dahinterliegenden Felsformation sowie auf die dynamische Geste des benachbarten bauhistorischen Pendants. Bestand und Neubau orientieren sich zueinander, ergänzen und erhöhen die jeweilige bauliche Artikulation landschaftlicher Bezugnahme und treten in eine visuelle Interaktion. Vorhandene Qualitäten der natürlichen und baulichen Umgebung werden durch die neue Implementierung erhöht.

Neben der Geometrie betont auch die Farbgebung die Dualität zwischen Alt und Neu. Während die weiße Oberfläche des Passionsspielhauses zur sommerlichen Festspielzeit optisch in den Vordergrund tritt, bewirkt der Wandel der Jahreszeiten eine farbliche Umkehrung des Ensembles. Die Konfiguration des Festspielhauses gleicht einer tektonischen Schichtung, deren dazwischen liegende Spalten und Brüche den Weg in das Gebäudeinnere weisen. Nachts gewähren Einschnitte und Faltungen an der markanten Fassade Einblick in das strahlende Foyer.

Gebäudeformen in Bezugsnahme zur Landschaft, Grafik: Delugan Meissl

Tektonische Parameter der Formfindung, Grafik: Delugan Meissl

Funktionen

Eingangsnah sind Garderobe und Empfangsschalter untergebracht. Das Foyer - ein asymmetrisches Raumvolumen – gewährt vielfältige Blickbeziehungen zur umliegenden Natur sowie zum benachbarten Passionsspielhaus. In gegenläufiger Richtung führt eine Treppe zur Galerie im darüber liegenden Geschoß, wo der Bezug von Innen- und Außenraum durch die großflächig verglaste Westfassade eindrücklich erlebbar wird. Nebenfunktionen des Gebäudes sind ebenfalls auf diesem Niveau untergebracht.

Ein echter Hybridbau: Die Primärkonstruktion besteht aus Stahlbeton, die der weit auskragenden Spitze aus Stahl.

Foto: Christian Schittich

Ein Beitrag von Peter Popp und Emilia Margaretha.
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