16.08.2009 Daniela Steffgen

The Rhetoric of Modernism: Le Corbusier as a Lecturer

Über 40 Jahre seines Lebens verbreitete Le Corbusier seine Ideen über Architektur und Städtebau in Vorträgen auf der ganzen Welt. Von 1924 bis kurz vor seinem Tod 1965 strömten Tausende von Menschen in Auditorien und Theater, um den Sprecher unmittelbar zu sehen und zu hören. Das Buch „The Rhetoric of Modernism: Le Corbusier as a Lecturer“ spürt dieser Kraft des gesprochenen Wortes über eine Fülle von schriftlichem Quellenmaterial aus dem Nachlass Le Corbusiers nach: handgeschriebene Notizen, Vortragsentwürfe, Skizzen, Zeichnungen und Fotografien. Dieser vor Ideen brodelnde Zettelkasten ergänzt das Bild Le Corbusiers um eine weitere Facette – der Architekt wirkte nicht nur als Erbauer und Denker der Moderne, sondern auch als einer ihrer einflussreichsten Erzähler. Davon zeugen seine Deutungen von Vergangenheit, Gegenwart und Krise, die er vor seinen Zuhörern entwickelte, um seine kontroversen architektonischen Lösungen als logische Folge seiner Beobachtungen zu präsentieren.

In vier Schritten nähert sich der Autor Tim Benton, ein ausgewiesener Le Corbusier-Experte, den Argumentationsstrategien des Redners. Am Beginn stehen Reflexionen über die große Bedeutung, die Le Corbusier selbst seiner Vortragstätigkeit einräumte. In einem zweiten Kapitel wird Le Corbusiers Redeweise auf rhetorische Figuren hin abgeklopft, um seinen individuellen Argumentationsstil herauszuarbeiten. Das dritte Kapitel widmet sich den 1924 gehaltenen Vorträgen über Architektur, das vierte stellt Le Corbusiers Vorträge zum Städtebau in den Mittelpunkt. Abschließend werden die zehn Vorträge, die Le Corbusier zwischen dem 3. und 19. Oktober 1929 in Buenos Aires hielt, unter die Lupe genommen. Ein umfangreicher Anhang enthält Quellentexte und Mitschriften zu den Vorträgen.

Das Herzstück des Buches, das einzelne „Familien“ von Vorträgen in den Blick nimmt, seziert eindrucksvoll die rhetorischen Techniken Le Corbusiers. Um seine Vorstellungen von „guter“ und „schlechter“ Architektur zu illustrieren, leitete er einige seiner Vorträge beispielsweise mit Diasequenzen über Architektur ein, die er „Filme“ nannte. Eine herausragende Funktion erfüllten die Zeichnungen, die Le Corbusier während des Redens auf großen Tafeln und Plakaten anfertigte, um dem Publikum die Genese seiner Ideen zu demonstrieren und seine Expertise als Architekt zu unterstreichen. Am Ende zeigte er Aufnahmen seiner eigenen Arbeiten.

Aufgrund der zahlreichen Abbildungen von Notizzetteln, Vortragsentwürfen in französischer Sprache – vom Autor ins Englische übersetzt – und Zeichnungen erlaubt das Buch keinen stringenten Lesefluss. Es verleitet vielmehr dazu, die Thesen und Erklärungen des Autors anhand der zahlreichen Quellentexte selbst zu verifizieren, einzelnen Ideen auf eigene Faust mit dem Auge nachzugehen und die Zeichnungen in einen Zusammenhang zu setzen. Dieses Studium wird durch die präzise gestalterische Unterscheidung zwischen Quelle und Sekundärtext des Autors vereinfacht.

Fazit: Ein ansprechend gestaltetes Buch, welches das Wirken Le Corbusiers aus einem bisher vernachlässigten Blickwinkel beleuchtet. Als Einführung in das Denken des Architekten ist das Werk allerdings weniger geeignet, da es die Begriffe und Ideen Le Corbusiers nur ansatzweise historisch kontextualisiert und der Autor gute Kenntnisse bereits voraussetzt.

The Rhetoric of Modernism. Le Corbusier as a Lecturer
Tim Benton, Birkhäuser, Basel u.a. 2009, 247 S., 155 Illustrationen, gebunden, ISBN 978-3-7643-8944-4, € 64,09

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