19.12.2013 Florian Maier

Vollkommene Fassadenbegrünung: Wohnhaus in Mailand

Flora und Fauna zählen bei diesem modellhaften Wohnkonzept für zunehmend verdichtete Großstädte zum integralen Bestandteil der Gebäudehülle. Architekt: Boeri Studio
Standort: Mailand
Die Gebäudehüllen der beiden Wohntürme an der Porta Nuova sind nicht einfach nur begrünt. Dank der auf den großen Balkonen angepflanzten 730 Bäume, 5000 Büsche und 11.000 Bodendecker schaffen sie vielmehr Raum für einen »vertikalen Wald«, der nicht nur ein einzigartiges Erscheinungsbild, sondern auch viele andere Vorteile ermöglicht. Einerseits dient die Grünfassade als sommerlicher Sonnenschutz und sorgt nicht zuletzt durch eine Verbesserung des Mikroklimas für eine angenehme Wohnatmosphäre. Andererseits betrachten die Architekten das Projekt aber auch als modellhafte »Verdichtungs- und Anti-Zersiedelungs-Maßnahme« für die immer enger bebauten Großstädte der Zukunft.

Rendering der 112 bzw. 80 m hohen Wohnhochhäuser

Die Idee, in ökonomischer wie auch ökologischer Hinsicht wertvolle urbane Grundflächen nicht für kleinteilige Teppichsiedlungen zu nutzen und eine hohe Wohnqualität auch in übereinander gestapelten Wohnungen zu bieten, ist spätestens seit der Moderne wohlbekannt. Neu ist jedoch der Versuch, diesem Wunsch ein ebenso klar strukturiertes und ästhetisches wie auch im Wortsinn natürliches Gesicht zu geben. Stefano Boeri bezeichnet die Türme als »biologische Architektur, die eine auf technischen und mechanischen Aspekten basierende ökologische Nachhaltigkeit ablehnt.« Nachhaltigkeit bedeutet für ihn nicht nur die Einsparung von Ressourcen, sondern auch die Möglichkeit, organisches Leben ins Gebäude zu holen.

Geothermie

Diagramm zu den Schutzfunktionen der Fassadenbegrünung

Auswahl und Verankerung der Pflanzen

Verdichtung der Bebauung

Im Gegensatz zur eher konventionellen Bauweise erwies sich die Planung des in die Gebäudehülle integrierten Walds als relativ komplexe Aufgabe. Zum Beispiel wurden die Eigenschaften aller 40 hier eingesetzten Baumsorten genau analysiert und teilweise sogar im Windkanal getestet, um für die je nach Geschoss, Windstärke und Sonneneinstrahlung unterschiedlichen Anforderungen die jeweils am besten geeigneten Pflanzenarten zu finden. Die Verankerung etwa der Oliven und Granatapfelbäume erfolgte in der Substratschicht der Betonkästen mit stabilen Spanngurten. Ein automatisches Schlauch-Bewässerungssystem spendet den Pflanzen die je nach Jahreszeit, Himmelsrichtung, Stockwerk und Baumsorte erforderliche Wassermenge, während eigens angesiedelte Insekten Schädlinge vertreiben. Sämtliche Gartenarbeiten werden von einer Gärtnerei erledigt – hierfür anfallende Kosten dürften für die Bewohner der im Luxussegment angesiedelten Immobilie kaum ins Gewicht fallen. Bleibt abzuwarten, ob sich Boeris 2014 bezugsfertige Wohntürme auch als bezahlbares Modell für die Zukunft erweisen, und ob es gelingt, das Versprechen der stimmungsvollen Renderings einzulösen.

Bauzustand im Sommer 2013 mit bereits bepflanzten Balkonen

Mehr zum Thema in der DETAIL Sonderpublikation 12|2013 Integrative Fassaden.
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