03.02.2015 Jakob Schoof

WDVS-Recycling – Fehlanzeige?

Ein Recyclingsystem für EPS-Abfälle aus Wärmedämmverbundsystemen (WDVS) ist auch weiterhin nicht in Sicht. Das geht aus einer Studie hervor, die Mitte Januar zur BAU in München vorgestellt wurde. Dennoch mahnen die Forscher weitere Verbesserungen bei der Rückbaufreundlichkeit und Produktkennzeichnung der Systeme an.

Entgegen verbreiteter Vorurteile lässt sich mit Wärmedämmverbundsystemen durchaus Architektur gestalten. Die Recyclingfrage der Systeme bleibt jedoch ungeklärt. Foto: Jakob Schoof

Der Titel der Studie klingt hoffnungsvoll: »Rückbau, Recycling und Verwertung von WDVS«. Im Auftrag mehrere Industrieverbände aus der Dämmstoffbranche und finanziell unterstützt  aus Steuermitteln, hatten sich das Fraunhofer Institut für Bauphysik und das Forschungsinstitut für Wärmeschutz e.V. der Frage gewidmet, was mit Bauabfällen aus Wärmedämmverbundsystemen derzeit geschieht – und wie sie sich künftig womöglich einer höherwertigen Nachnutzung (sprich: Recycling) zuführen lassen.

Die mangelnde Recyclingfähigkeit gilt als einer von zahlreichen Schwachpunkten der Wärmedämmverbundsysteme; wem ernsthaft an geschlossenen Stoffkreisläufen im Bauwesen gelegen war, lässt bislang also besser die Finger davon. Eigentlich müsste dies Grund genug für die Dämmbranche sein, mit dieser Studie nun die Flucht nach vorn anzutreten und sich ernsthaft um Rücknahme- und Recyclingsysteme für ihre Produkte bemühen. Doch die Reaktionen der Verbände auf ihre Studie – dazu später mehr – lassen anderes vermuten.

Die »Sondermüllberge« aus EPS existieren nicht
An dieser Stelle gilt es zunächst einiges klarzustellen: Die viel beschriebenen Sondermüllhalden voller EPS-Abfälle – ein ehemaliger BDA-Präsident verglich sie vor Kurzem in einer unsäglichen Fehleinschätzung gar mit Atommüll-Endlagern – existieren schlichtweg nicht. EPS aus alten Wärmedämmverbundsystemen kann problemlos in Müllverbrennungsanlagen entsorgt werden, sofern der Hartschaumstoff maximal zwei Prozent der Brennstoffmasse ausmacht. Die Kapazität der Müllverbrennungsanlagen hierzulande reicht für die zu erwartenden EPS-Abfallmengen locker aus, wie die Autoren der Studie errechnet haben.

Zweite Klarstellung: Es gibt bereits Recyclingmöglichkeiten für Alt-EPS, und es existieren auch Mittel und Wege, die Altsysteme Schicht für Schicht – erst Putz, dann Dämmstoff -  von der Rohbauwand abzuschälen. Meist sind diese aber noch wenig ausgereift und unwirtschaftlich.

Das hat auch mit den geringen Abfallmengen zu tun. Nach (fast) übereinstimmenden Angaben des WDVS-Fachverbandes und von Abfallentsorgern fallen deutschlandweit derzeit nur rund 75 bis 100 Tonnen EPS-Abfälle pro Jahr aus Wärmedämmverbundsystemen an. Zum Vergleich: Neu verbaut wird in Deutschland jährlich fast die tausendfache Menge des Dämmstoffs.

Keine Abfallberge aus EPS in Sicht: Die bisherigen Abfallmengen sind – gemessen an der neu verbauten Menge an EPS – fast vernachlässigbar. Das macht auch ein Recycling unwirtschaftlich.

Ein Grund für die geringen Mengen ist, dass WDVS oft länger auf der Wand verbleiben als von ihren Kritikern behauptet. Solange die Systeme nicht schadhaft sind, sondern lediglich zu geringe Dämmstärken enthalten, werden sie bei einer Sanierung meist nicht entfernt, sondern aufgedoppelt. Dabei wird auf das alte System einfach ein neuer Verbund aus Dämmstoff, Armierungsgewebe und Putz aufgeklebt und –gedübelt.

Vor diesem Hintergrund lohnt der Aufbau eines großindustriellen WDVS-Recyclingsystems bislang schlicht und einfach nicht.  Und weil Erdöl – der Rohstoff zur EPS-Herstellung – derzeit konkurrenzlos billig ist, existiert auch keine Nachfrage nach – zumeist teuren - Produkten aus Recycling-EPS. Damit schließt sich der Kreis, der ein Dämmstoffrecycling in diesem Bereich bisher verhindert.

EPS-Recycling – aber wie?
Die Autoren untersuchen in ihrer Studie zwei grundlegende Recyclingverfahren für Alt-WDVS. Beim ersten werden Alt-WDVS geschreddert, dann in ihre Materialfraktionen getrennt und die EPS-Kügelchen anschließend wieder zu neuen Dämmplatten, Verpackungsmaterialien oder als Zuschlagsstoff etwa für Wärmedämmputze weiterverarbeitet. Beim zweiten Verfahren, der sogenannten Solvolyse, Verwertung wird das EPS mittels eines Lösemittels verflüssigt und so vom anhaftenden Putz und Gewebe getrennt. Danach kann es erneut aufgeschäumt werden.

Ein solches Verfahren namens »CreaSolv« hat das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising entwickelt . Es ist jedoch noch nicht wirtschaftlich konkurrenzfähig, so die Autoren der Studie.

Übersicht über die möglichen Verwertungsverfahren für EPS-Abfälle

Anders als das Schreddern von Alt-WDVS böte CreaSolv jedoch die Möglichkeit, mit einem bislang kaum beachteten Problemstoff in Wärmedämmverbundsystemen fertig zu werden. Bislang wird dem EPS das Flammschutzmittel HBCD beigemischt, damit die Verbundsysteme in die Brandschutzklasse »schwer entflammbar« fallen. Die Verwendung dieses umweltschädlichen Stoffes ist in der EU ab August 2015 verboten. Damit darf aber auch rezykliertes EPS kein HBCD mehr enthalten. Beim CreaSolv-Verfahren kann das HBCD aus der Dämmstofflösung abgeschieden werden; mit dem Verfahren ließe sich also chemisch unbelastetes EPS gewinnen. Auch die Verbrennung von HBCD-belastetem EPS in Müllverbrennungsanlagen ist unproblematisch, das Flammschutzmittel wird dabei zerstört.

Die Empfehlungen der Studie: Reduce – and research
Die Autoren der Studie empfehlen daher, auch weiterhin soweit möglich auf die Abfallvermeidung durch WDVS-Aufdopplung zu setzen. Wird doch einmal ein Rückbau fällig, schätzen sie die Verbrennung von EPS-Abfällen auch in der nahen Zukunft (bis maximal 20 Jahre) als sicherste und bezahlbarste Entsorgungsvariante ein. Danach werden die EPS-Abfallmengen jedoch so stark ansteigen, dass man sich über ein Produktrecycling Gedanken machen sollte.

Bei den geringen Abfallmengen für EPS aus Alt-WDVS wird es nicht bleiben, wie diese Hochrechnung für die nächsten 20 Jahre verdeutlicht. Früher oder später wird die Recyclingfrage daher wieder virulent werden.

Damit dies Erfolg haben kann, mahnen die Autoren vor allem in vier Bereichen weitere Bemühungen der Hersteller an:

  1. Eine herstellerübergreifende Positivkennzeichnung von HBCD-freiem EPS muss entwickelt werden (z.B. über eine entsprechende Einfärbung), damit Abbruch- und Recyclingunternehmen auf den ersten Blick erkennen, ob sie es mit belastetem oder ungiftigem EPS-Abfall zu tun haben. Auch die Entwicklung eines HBCD-Schnelltests wäre wünschenswert.
  2. Geeignete, wirtschaftliche Rückbaumethoden für WDVS (etwa durch maschinelles Abschälen) müssen (weiter-)entwickelt werden. Auch ein „thermisches Entschichten“ des WDVS durch Erhitzen auf rund 100 °C ist eine Option, die allerdings relativ hohe Kosten und Energieverbrauch verursacht.
  3. Bestehende Recyclingverfahren wie CreaSolv sollten weiterentwickelt und „hochskaliert“ werden, um sie wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen.
  4. Wärmedämmverbundsysteme sollten von vornherein so konstruiert werden, dass sie leichter rückbaubar sind. Die Vorschläge der Studie reichen von einer nur punktuellen Verklebung über Dübel mit Sollbruchstellen (die das Abschälen erleichtern) bis zu einer Befestigung mit Klettband. Inwieweit diese Vorschläge mit der gewünschten Dauerhaftigkeit der Systeme in Einklang zu bringen sind, ist jedoch unsicher.

All dies sind an sich genug Hausaufgaben, die die WDVS-Hersteller und ihre Verbände zu erledigen hätten – nicht nur um ihrer eigenen Glaubwürdigkeit willen, sondern auch um die stattliche Summe von 105.000 Euro an Steuergeldern zu rechtfertigen, mit der das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Regionalforschung (BBSR) die Studie unterstützt hat.

Echtes Problembewusstsein sieht anders aus
Hörte man sich jedoch am Rande der Pressekonferenz, bei der die Studie der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, bei den Verbandsvertretern um, war eher wenig echtes Problembewusstsein zu spüren. Man hoffe, so hieß es, mit dem Forschungsvorhaben zur »Versachlichung der Diskussion« beigetragen zu haben – und außerdem sei das Verheizen von WDVS ja ökologisch vorbildlich, weil damit immerhin Energie gewonnen werde.

Fazit: Auch wenn Dämmstoffe über den Gebäudelebenszyklus gesehen ganz sicher mehr nutzen als schaden, und auch wenn die Sondermüllberge aus EPS nur eine Mär der Dämmstoffkritiker sind – wer ernsthaft um das recyclingfähige Bauen bemüht ist, wird wohl auch weiterhin einen Bogen um Wärmedämmverbundsysteme machen müssen.
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