19.05.2009

"Wir erwarten ein Mindestmaß an Büroorganisation"

Architekten, die in Berlin an VOF-Verfahren teilnehmen, müssen in der zweiten Stufe des Verfahrens Ihre Unterlagen an Hermann-Josef Pohlmann senden. Er und seine 60 Mitarbeiter im Hochbaureferat organisieren die Architekturwettbewerbe des Landes. Außerdem führen sie pro Jahr rund 20 VOF-Verfahren durch und wählen aus, wer bei diesen den Zuschlag erhält. Wie Architekten dabei ihre Chancen verbessern können, erklärt der Bauherrenvertreter des Landes Berlin im Gespräch.
Was fällt Ihnen besonders auf, wenn Sie die eingehenden Unterlagen von Architekturbüros sichten?
Zunächst sieht der „Einkauf“ die Bewerbungsunterlagen und wertet diese nach den Eignungskriterien aus. Meine Mitarbeiter erhalten die bereits ausgewerteten Unterlagen der ersten Stufe. Ich schaue mir zunächst die Referenzbauten an, die die Bewerber eingereicht haben. Wir nennen sie „Referenzbauvorhaben“. Gerade bei den größeren Büros scheint es inzwischen Standardunterlagen zu geben. Allerdings würde ich es begrüßen, wenn die Büros wirklich nur die zur Aufgabe passenden Referenzbauvorhaben prägnant darstellen würden.
Was auffällt, sind lieblos und gedankenlos zusammengestellte Unterlagen: Wenn die Gesamtkosten angegeben werden sollen, dann erwartet man die Gesamtkosten nach DIN. Manchen Referenzprojekten merkt man an, dass sie für ganz andere Marktsegmente gedacht sind, eher für private Bauherren.
Welche Zuschlagskriterien sind wesentlich?
Die gestalterische Qualität und die Höhe des Honorars. Zusammen mit der Einladung zur zweiten Stufe des Verfahrens schicken wir den Büros die Zuschlagskriterien und damit die Aufforderung, ein Honorarangebot abzugeben. Es betrifft die Leistungen, die nicht der Preisbindung der HOAI unterliegen, also z.B. Zuschläge und Nebenkosten. Das kann man verhandeln und da erwarten wir Angebote.
Da es aber in erster Linie ein Qualitätswettbewerb ist, werden bei uns die Honorarangebote nicht mit großen Prozentsätzen gewichtet. In der Regel machen sie zwischen 5 und 20 % aus. Die gestalterische Qualität der Referenzbauvorhaben geht dagegen mit 25–30 % in die Bewertung ein.

Hermann-Josef Pohlmann vom Hochbaureferat Berlin

Welche Bedeutung hat interne Organisationskompetenz?
Eine sehr große. Wir fragen beispielsweise: Wie wandert ein Schriftstück bei Ihnen durch das Büro? Wir sprechen hier von Verfahrenssicherheit. Erwartet wird möglichst eine zertifizierte Bürostruktur. Wenn in einem Büro z.B. das Nachtragsangebot einer Baufirma ankommt, sollte der Büroinhaber es als Erster sehen. Das ist aber häufig nicht der Fall, weil die Post direkt auf die Baustelle geliefert wird. Frage ich dann den Büroinhaber: Wieso erhalte ich das zwei Monate alte Nachtragsangebot erst jetzt zur Beauftragung, – dann erklärt er, er habe es gar nicht gesehen, weil sein Mitarbeiter es ihm nicht gezeigt hat. Es gibt ein Mindestmaß an Büroorganisation und das fragen wir in solchen Runden ab. Das ist eine Sache, bei der Architekten sehr stark punkten können.
Architekten beklagen häufig: Die Auswahlkriterien der VOF-Verfahren, wie etwa Mitarbeiterzahl, Umsatz etc., sind so zugeschnitten, dass kleine Büros erst gar keine Chance haben ?
Es gibt natürlich die Tendenz, zu sagen, wir nehmen die erfahrenen Architekten, die entsprechenden Umsatz haben, die viel gebaut haben und einen reibungslosen Projektablauf garantieren. Das ist aus der Bauherren-Sicht verständlich.
Durch eine andere Gewichtung der Eignungskriterien in der Ausschreibung kann man den Einfluss dieser Kriterien aber erheblich reduzieren und andere höher gewichten. Das machen wir bei kleineren, weniger komplexen Aufgaben auch, beispielsweise bei der Bewerberauswahl für Erweiterungsbauten oder die bauliche Unterhaltung.
Kommen wir zur Präsentation der ausgewählten Bewerber in Ihrer Behörde. Wie viel Zeit haben diese Büros, sich zu präsentieren?
Im Normalfall 30 bis 45 Minuten, manchmal sogar eine Stunde. Es kommt auf die Komplexität der Aufgabe an und ob sich einzelne Büros bewerben oder Generalplaner.
Schon in der Einladung beschreiben wir, wie die Veranstaltung abläuft. Wir bereiten intern einen Fragenkatalog vor. Die Antworten auf diese Fragen werden dann bepunktet. Um das Verfahren nachprüfbar und transparent zu machen, muss ich später nachweisen können: Zu dieser Frage, die mir in der Beantwortung wichtig war, hat der Bewerber plausibel antworten können oder auch nicht.
Dieses Verfahren hat natürlich auch für unsere Mitarbeiter seinen Charme. Früher bekamen die ein Büro vorgesetzt, das der Chef ausgesucht hat. Sie mussten dann mit diesem Büro klar kommen. Jetzt sind sie selbst an der Auswahl der Planer beteiligt.
Wie gliedert sich der Präsentationstermin, wenn man von 30 Minuten ausgeht?
Die Bewerber haben zehn Minuten Zeit, um ihr Büro vorzustellen, danach stellen wir ihnen Fragen. Ich erkläre diese Zeiteinteilung aber vorher. Wenn nicht, werde ich totgeredet.
Früher hatten wir diese Termine weniger straff strukturiert. Da projizierten die Bewerber plötzlich ihre Lebensläufe an die Wand, erzählten vom Großvater, der das Büro gegründet hat, wann die Kinder gekommen sind und so fort. Das machen wir nicht mehr mit. Nach der Bürovorstellung können die Bewerber zehn Minuten ihr Referenzbauvorhaben vorstellen und erklären, warum sie es ausgewählt haben. Dann kommt der Fragenkatalog zu den Themen, die wir vorher angekündigt haben. Wer sich die Zeit schlecht eingeteilt hat, den unterbreche ich mittlerweile relativ hart.
Wie können die Bewerber im Gespräch ihre Chancen verbessern?
Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise: Wie geht jemand auf ein Gesprächsangebot ein. Wir versuchen immer, einen Dialog zu führen und fragen etwa: Wie führen Sie Ihre Kostenkontrolle durch? Erklären Sie uns das doch mal. Da ist es gut, wenn mir der Bewerber eine Kostenüberwachungsliste mitbringt. Wenn aber jemand nicht in der Lage ist, sich auf ein Gespräch einzustellen und stattdessen irgendetwas Auswendig-Gelerntes sagt, dann habe ich ein schlechtes Gefühl. Da können die Unterlagen noch so gut sein. Wenn jemand seine Unterlagen nicht erläutern kann oder ausweicht, dann ahnt man schon, da stimmt etwas nicht.
Merke ich aber, dass sich jemand schon bei den ersten Gesprächen in die Aufgabe hineindenkt, kann ich davon ausgehen, dass er in den weiteren Planungsphasen die Aufmerksamkeit allen anstehenden Problemen gegenüber bewahrt.
Große Bauprojekte werden vor allem über Architektenwettbewerbe vergeben. Welche Verfahren wenden Sie bevorzugt an?
Die zweistufigen, begrenzt offenen Verfahren. Sie bieten eine Chance für einen breiten Kreis von Bewerbern, auch für kleine Büros. Da kann sich zunächst jeder bewerben, mit relativ wenigen Unterlagen. Von diesen Büros werden dann 20 oder 30 ausgewählt, die am Wettbewerb teilnehmen dürfen. Das ist bei uns ein Standardverfahren und es ist das wirtschaftlichste Verfahren für alle Beteiligten.
Was sind typische Konflikte zwischen Ihnen als Bauherr und den Architekten?
Erstaunlicherweise relativ häufig nicht Kosten, nicht Termine sondern gestalterische Fragen! Es gibt ungeheuer professionelle Büros, die aber das Engagement verlieren, wenn sie den Auftrag erhalten haben, sich dann nicht mehr kümmern. Wieder eine Chance für kleine Büros ?
Wo geht der Trend in der Zusammenarbeit zwischen Architekten und öffentlichen Auftraggebern hin?
Es gibt einen Trend zum so genannten Generalplanerverfahren, vor allem bei größeren Bauaufgaben. Wir suchen nicht mehr Architekt, Bauleiter, Haustechnik-Planer, Akustiker etc., sondern wir suchen ein Planungsteam. Auch in diesem Verfahren werden der Bewerber und jeder seiner Partner auf ihre Eignung geprüft und bepunktet, aber wir haben nur ein Vergabeverfahren zu stemmen. Für eine Schule, die 30 Mio. Euro kostet, braucht man sechs bis sieben Fachplaner und hätte normalerweise sieben solche Verfahren zu organisieren. Da denkt man schon darüber nach, wie sich das bündeln lässt. Das Planungsteam ist eine Lösung mit großem Charme für beide Seiten. Denn die Architekten erhalten dadurch die Chance, die Leute auszuwählen und mitzubringen, mit denen sie gut zusammenarbeiten können.
Das Gespräch ist eine gekürzte Fassung eines Interviews für das Detail-Buch „Der neue Architekt“ von Frank Peter Jäger (Hg).

Autor:
Frank Peter Jäger
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