25.04.2018 Bettina Sigmund

Wohnmodul aus Recycling-Material

Im Forschungsgebäude der Empa, NEST, werden Innovationen im Bau- und Energiebereich demonstriert und unter realen Bedingungen getestet. (Foto: Wojciech Zawarski)

»Die Stadt der Zukunft unterscheidet nicht zwischen Abfall und Vorrat«, umschreiben die Wissenschaftler den zugrundeliegenden Forschungsansatz der Experimentaleinheit mit einem Zitat von Mitchell Joachim, Vorreiter eines ökologischen Planungsansatzes. Die Urban Mining & Recycling (UMAR)-Unit ergänzt seit Februar 2018 als experimentelles Wohnmodul das modulare Forschungs- und Innovationsgebäude NEST auf dem Campus der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in schweizerischen Dübendorf. Der Entwurf stammt von Werner Sobek, Leiter des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Universität Stuttgart, Dirk E. Hebel und Felix Heisel. Hebel und Heisel sind Leiter und Forschungsverantwortlicher des Fachgebiets Nachhaltiges Bauen am KIT Karlsruhe und des Singapore ETH-Centre. Dem Forschungsprojekt liegt der Wunsch nach einem vollständig geschlossenen Materialkreislauf zur Herstellung von Gebäuden zu Grunde. Demnach sind alle verwendeten Ressourcen vollständig wiederverwendbar, wiederverwertbar oder kompostierbar sein müssen. Durch den Einsatz natürlicher, wiederverwendbarer und innovativer Upcycling-Materialien soll das Projekt demonstrieren, wie ein verantwortlicher Umgang mit natürlichen Ressourcen mit einer ansprechenden Architektur kombiniert werden kann. Ganz im Sinne der optimalen Ressourcenausnutzung ist die Urban Mining & Recycling-Einheit deshalb auch nicht nur temporäres Materiallager und Materiallabor, sondern auch ein belebtes Labor, denn die 3-Zimmer-Wohnung wird zukünftig von zwei Studenten bewohnt werden. Mehrere Material-Nutzungszyklen
Der Wiederverwendung und -verwertung von Materialien spielten bei der Entwicklung der UMAR-Einheit eine ebenso große Rolle wie der Einsatz von neuartigen Recycling- bzw. Upcycling-Materialien. »Das nach wie vor anhaltende Wachstum der Weltbevölkerung sowie zur Neige gehende Ressourcen erfordern dringend ein Umdenken im Bauwesen«, erläutert Werner Sobek. »Wir müssen künftig mit sehr viel weniger Materialien für sehr viel mehr Menschen bauen.« Und Dirk E. Hebel ergänzt: »Die verwendeten Materialien werden deshalb nicht verbraucht und entsorgt; sie sind vielmehr für eine bestimmte Zeit aus ihrem Kreislauf entnommen und werden später wieder in diesen zurückgeführt«. In dem prototypischen Wohnmodul kommen deshalb verschiedenste, seriell verarbeitete Bauelemente zum Einsatz, deren unterschiedliche Materialien sortenrein und rückstandsfrei in ihre jeweiligen Stoffkreisläufe zurückgeführt werden können. Darunter beispielsweise als Arbeitsplatte in der Küche ein Recyclingglas, das aus 100 Prozent Glasabfällen besteht. Die Abfälle werden kontrolliert in Scherben gebrochen und dann ohne Zusatz von Bindemitteln mittels Temperatur zu Glaskeramik-Platten verbunden. Für die Wandverkleidung im Bad kam ein Polyethylen-Werkstoff zum Einsatz, der ebenfalls aus wiederverwerteten Abfallprodukten besteht. Die Farbgebung der Platten variiert dabei und ist immer vom jeweils verwendeten Rohstoff abhängig. Um eine Drehwand im Wohnbereich auszustatten wurden Ziegelsteine zusammengesetzt, die aus mineralischem Bauschutt bestehen. Alle drei Werkstoffe wurden aus 100 Prozent wiederverwerteten Materialen geschaffen und sind ihrerseits wiederrum 100 Prozent verwertbar. Einen anderen Ansatz verfolgt das Material MycoFoam. Als natürlicher Dämmstoff wurden neuartige Dämmplatten aus Pilz-Wurzelwerk, den sogenannten Myzelium, verwendet, die direkt in Form gewachsen sind. Nach der Nutzungsdauer kann der Werkstoff einfach kompostiert werden. Und weitere Materialien, wie beispielsweise die Teppichböden, wurden einfach geliehen, um eine spätere Weiternutzung zu ermöglichen. Modulare Konstruktion und reversible Materialverbindungen
Das Tragwerk der vorgefertigten Einheit in Modulbauweise besteht ebenso wie große Teile der Fassade aus unbehandeltem Holz, das nach dem Rückbau wiederverwendet oder, da es nicht chemisch behandelt wurde, sogar kompostiert werden kann. »Sämtliche Verbindungen können einfach rückgängig gemacht werden, weil die Materialien nicht verklebt, sondern gesteckt, verschränkt oder verschraubt sind«, erläutert Felix Heisel. Die Fassade besteht weiterhin aus Aluminium und Kupfer. Beide Metallarten können sortenrein eingeschmolzen und rezykliert werden. Die Kupfereinfassungen der Fassade durchleben zusätzlich als bereits wiederverwendetes Material ihren zweiten Nutzungszyklus. Davor deckte das Kupfer das Dach eines Hotels in Österreich. Das UMAR-Modul dient nun als Labor und Testlauf für Materialien, Konstruktion und Prozess. In Kürze werden die Test-Studenten in die Dreizimmerwohnung einziehen und sich im Rahmen eines Monitorings regelmäßig mit den beteiligten Forschern über ihre Erfahrungen austauschen.  Weitere Informationen, Bildmaterial der fertigen Einheit sowie einen Film finden Sie im DETAIL Artikel »Trending wohnen im Müll?«
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