07.05.2014 Florian Köhler

Zeichenhaft überhöht: Das Landesarchiv NRW in Duisburg

Landesarchiv NRW in Duisburg O&O Baukunst

Weitere Informationen: www.archive.nrw.de

Weitere Projekte zum Thema »Umnutzung, Ergänzung, Sanierung« lesen Sie in unserer  Ausgabe DETAIL 2014/5
Es tut sich wieder was in Duisburgs Industriegebiet. Zwischen Autobahn und Innenhafen erhebt sich ein Turm monumentaler Ausmaße, scheinbar aus der Mitte eines ehemaliger Speichersilos gewachsen. Wie ein archaisches Mausoleum streckt sich der ziegelrote Koloss dem Himmel entgegen, mit seinen 70 Metern Höhe von überall sichtbar, weit hinaus über die Stadtgrenzen Duisburgs. Wo einst Getreide gelagert wurde hat das Büro Ortner & Ortner Baukunst den größten Archivbau Europas erschaffen. Dafür erhielten sie jüngst den Balthasar Neumann Preis 2014. Der neue Lesesaal wurde am 05. Mai 2014 eröffnet. Architekt: Ortner & Ortner Baukunst, Wien/Köln/Berlin
Standort: Schifferstraße 30, D–47059 Duisburg

Rendering: O&O Baukunst

Neben dem Archivturm im Zentrum erhielt der Speicher einen vergleichsweise unscheinbaren Anbau auf der Nord-Ost-Seite: Ein fünfgeschossiger Riegel welcher sich über 120 Meter lang, wellenförmig entlang dem Innenhafen erstreckt. Hier sind Foyer, Lesesäle und Verwaltungsfunktionen untergebracht.

Lageplan, Grafik: O&O Baukunst

Vertikalschnitt durch den Archivturm
Grafik: O&O Baukunst

Grundrisse: EG und 1.OG
Grafik: O&O Baukunst

Im Schnittpunkt des Archivturms und der Welle entstand ein angemessener Eingang für das neue Landesarchiv, geöffnet zur Uferpromenade. Vom Foyer aus lässt sich durch große Bullaugen in das gesammelte Archivmaterial blicken. Hier befinden sich Archivalien in Regalen mit einer Länge von insgesamt 148 Kilometern.

»Bullaugen-Fenster« vom Foyer ins Archiv, Foto: O&O Baukunst

Archivregale im Turm, Foto: O&O Baukunst

Die Öffnungen und die Dachflächen des bestehenden Speichers wurden geschlossen, um die Archivalien vor Tageslicht zu schützen und um eine notwendige Luftdichtigkeit zu garantieren. Die erforderliche Wärmedämmung wurde auf der Innenseite angebracht um das äußere denkmalgeschützte Fassadenbild zu bewahren. Der neue Archivturm setzt sich in Farbigkeit und Ornamentierung vom alten Speichergebäude ab. Die technisch erforderlichen Fassadenelemente, wie Entwässerungsrinnen, Fassadensicherungen treten optisch gänzlich in den Hintergrund. Das Denkmal bleibt in seiner historischen Struktur und Funktion ablesbar.

Turmgiebel, Foto: O&O Baukunst

Durch Vor- und Rücksprünge im Mauerwerk entsteht ein fein gegliedertes Ornament: Konsequent durchgezogen, angefangen bei den Turmmauern, über die Dachflächen bis hin zu der kleinsten Fensterausmauerungen. Die verwendeten Backsteine wurden nach dem historischen Ziegelformat des Bestandbaus mit den Abmessungen 25 x 12 x 6,5 Zentimeter hergestellt.

Ziegelornamentik, Foto: Thomas Mayer

Die Farbigkeit und Textur der neuen Ziegel greift die ursprüngliche Oberfläche der Bestandsziegel auf. So zeichnet sich ein subtiler Kontrast ab, zwischen den neuen Steinen und den alten mit ihrer rußigen Patina, als Zeugnis der Industriegeschichte Duisburgs.

Frontalansicht Turm, Foto: Thomas Mayer

»Ein Speicher im Speicher«: Das denkmalgeschützte Bestandsgebäude aus dem Jahre 1936 ist ein präzise ausgeführter armierter Betonbau. Dieser trägt auch nach dem Umbau die Horizontallasten ab und übernimmt die Funktion der Gebäudehülle während eine neue innere Stahlkonstruktion zur Abtragung der Archivlasten dient. Um die bauphysikalischen Zielwerte zu erreichen, werden alle Archivräume mindestens zur Hälfte mit Archivgut gefüllt.

Bestandsgebäude von 1936, Foto: O&O Baukunst

Tragwerk des Archivturms, Foto: O&O Baukunst

Das Landesarchiv NRW in Duisburg: Ein Denkmal für den Duisburger Industriebau, ein Leuchtturmprojekt für das Ruhrgebiet, oder einfach nur ein Millionengrab für Steuergelder...? Die Reaktionen auf das extreme Bauwerk sind kontrovers. Auf jeden Fall handelt es sich bei Ortner & Ortners Archivbau um eine nachhaltige Investition in die Zukunft und ein denkmalpflegerisch spannendes Projekt – wenn vielleicht auch etwas überhöht.

Ansicht Süd-Ost-Seite, Foto: O&O Baukunst

Fertigstellung: 2014
Tragwerksplanung Turm: osd Ingenieure, D-60329 Frankfurt am Main
Tragwerksplanung Welle: LWS Ingenieurgesellschaft, D–47051 Duisburg
Landschaftsarchitektur: FSWLA Landschaftsarchitekten, D–40629 Düsseldorf
Bauphysik: THOR Bauphysik, D–51429 Bergisch Gladbach
Fassadenberatung: Herr Michael Gödde, D–41469 Neuss
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