04.04.2019 Bettina Sigmund

Designing Social Hubs for Urban Nomads – Nachbericht

Foto: Julian Wenninger

Bubble me, Domino, Giver Space, Anonymus und Play Local: Fünf innovative Ideen, um innerhalb eines Co-Living-Projekts aus Fremden eine Community zu machen, Neuankömmlinge mit Locals zu vernetzen und aus der Fremde eine Heimat auf Zeit werden zu lassen. 30 Teilnehmer aus 15 Nationen, Studenten und Professionals aus den Bereichen Architektur, Soziologie, Management, Wirtschaft und IT – 30 Fremde, die sich zuvor nicht kannten – schufen innerhalb von zweieinhalb Tagen im »Community Design Lab« der TU München neuartige Ideen, Tools und Konzeptansätze. Und noch viel besser, die Teilnehmer wuchsen in kürzester Zeit getreu der Themenstellung als Gemeinschaft zusammen. Die Aufgabe war es, räumliche, technologische oder soziale Interventionen zu entwickeln, um aus einer Co-Living-Zweckgemeinschaft eine echte Community zu schaffen, die vielleicht sogar langfristig Bestand hat.

Die drei Experten Kerstin Sailer von der Bartlett School of Architecture in London, Layla Keramat, Executive Creative Director bei spark reply und Philip Tidd, Principal und Head of Consulting Europe bei Gensler standen dabei als Impulsgeber und für Interviews zur Verfügung. Christos Chantzaras vom Architecture Research Incubator der TU führte die Teilnehmer in einem mehrstufigen, kreativen Entwicklungsprozess bestehend aus Impulsvorträgen, Arbeitssitzungen, Interviews, Analyse, Beratung, Präsentationsphasen, dem Erarbeiten von konkreten Ideen und einem abschließenden, öffentlichen Pitch durch einen straffen und durchaus fordernden Zeitplan von einer ersten Idee fast bis zu einem Businessmodell. Facilitator von MINI Living, den Start-up-Schmieden Urban X und UnternehmerTUM, der Architekturfachzeitschrift Detail sowie der TU München standen den Teams während der gesamten Workshopdauer unterstützend zur Seite.

Team Bubble me
Weiße Heliumluftballons mit LED-Lichtern sind im Präsentationsraum verteilt – sie stören die Beamer-Präsentation, aber genau das sollen sie, um die Idee des »Disruptive Designs« zu verdeutlichen, die hinter Bubble+ steckt. Der Ansatz des Team Bubble me ist es, reale Interfaces zu entwickeln, die als Anlaufstelle innerhalb des Gebäudes – aber auch als Bubble Hubs innerhalb der Stadt München verteilt – verschiedene Informationen für Neumünchner und auch für Locals (im Falle der Bubble Hubs) zur Verfügung stellen und die soziale Teilhabe erleichtern sollen. Die Bubble steht für das Team symbolisch für Dynamik, Interaktion, Spaß und reale zwischenmenschliche Kontakte. Ergänzend zu einer App (die es natürlich bei Bubble me auch gibt), verlängert Bubble+ den virtuellen in den realen Raum. Die Bubbles dienen als Anlaufstelle, als Treffpunkt, als Gelegenheit soziale Kontakte zu knüpfen und Menschen kennenzulernen, um den Start in einer neuen Stadt zu erleichtern. Sie bieten verschiedene Aktivitäten, Informationen und Orientierung, durch Gamification und Personalisierung soll die Attraktivität erhöht werden. Ziel ist es, durch die Bubbles eine enge Verknüpfung zum jeweiligen Ort herzustellen, sodass die Erlebnisse in jeder Stadt einzigartig und niemals austauschbar sind. Wie genau man sich diese Bubbles jedoch baulich vorzustellen hat, lässt das Team allerdings noch offen.

Team Domino
Selbstgebastelte Riesenhandys aus Karton und Comic-Sprechblasen wandern ähnlich einer Theatervorfügung über die Bühne. Besser hätte man die Idee von Domino nicht verdeutlichen können – das Team kreiert eine Art »analoge App«. Was sich zunächst absurd anhört, ist die einfache Idee, die digitale und die analoge Welt wieder stärker miteinander zu verbinden und bewusst nicht alle technischen Möglichkeiten auszunutzen, sondern wichtige Bausteine, damit das Spiel funktioniert, in die reale Welt zurückzuholen. Die Idee ist simpel: Jeder Bewohner – und in diesem Fall beschränkt sich das Angebot zunächst wirklich nur auf die Mitbewohner innerhalb der Co-Living-Community – bekommt über die Domino-App in regelmäßigen Intervallen einen Dominostein angezeigt, hinter dessen Zahlenpunkten sich ein Gutschein für ein Geschenk oder eine lokale Aktivität verbirgt, den man jedoch nur einlösen kann, wenn man Mitspieler findet, die den gleichen Dominostein haben. Diese Suche nach den Personen wird bewusst nicht über die App gesteuert, sondern erfolgt über reale Kommunikation. Alle Mitspieler sind gezwungen, miteinander ins Gespräch zu kommen, um jede Woche innerhalb ihrer Gemeinschaft die passenden Teams zusammenzusetzen, um die Gutscheine einlösen zu können. Die Gewinne, wie z.B. ein kostenloses Getränk im Biergarten oder eine Stadtführung, werden von lokalen Geschäftstreibenden zur Verfügung gestellt oder können auch vom Betreiber des Co-Living-Projekts beigesteuert und kuratiert werden, so entsteht auch ein Businessmodell hinter Domino.

Giver Space
Geben ist schöner als Nehmen! Ob Yogastunden oder Pastaessen, jeder Mitbewohner der Gemeinschaft muss, um Teilnehmer von Giver Space zu werden, drei Dinge einbringen. Egal ob Dienstleistungen, Aktivitäten, Wissen, Erfahrung oder auch einfach Gegenstände, die für die Gemeinschaft nützlich, interessant oder unterhaltsam sind. Mittels künstlicher Intelligenz steuert und verwaltet die Plattform Giver Space automatisch alle Eingaben, sucht und bucht beispielsweise die benötigen Räume und übernimmt die organisatorischen Aspekte im Hintergrund. Jeder Geber ist automatisch Nehmer, denn es handelt sich um ein geschlossenes System. Es ist nicht möglich, zu konsumieren, ohne selbst etwas beizusteuern. Per App oder Displays in den Gemeinschaftsräumen werden alle Teilnehmer über sämtliche zur Verfügung stehende Aktivitäten oder Events informiert. Auch Anwohner und Nachbarn haben die Möglichkeit, Teil der Community zu werden – für sie gelten die gleichen Rahmenbedingungen, so dass eine enge persönliche Verknüpfung einer erweiterten Community ermöglicht wird. Der große Vorteil von Giver Space ist, dass die Teilhabe nicht mit dem Auszug aus dem Gebäude endet – im Sinne einer stetig wachsenden »Alumini«-Gemeinschaft können erfolgreiche Unternehmer auch Jahre später noch junge Start-up-Gründer von ihrem Wissen profitieren lassen oder können auch einfach zum Grillabend vorbeikommen, wenn sie mal wieder in der Stadt sind.

Anonymus
Das Team von Anonymus will Geborgenheit und Nähe, ein Gefühl von Heimat und Gemeinschaft über die Individualisierung des persönlichen Wohnraums schaffen. Wer in einem Co-Living-Haus lebt, ist nur für eine kurze Zeit in einer Stadt und verbringt einen hohen Anteil seiner Zeit mit Arbeit. Die privaten Unterkünfte sind meist zweckmäßig eingerichtet. Der Aufwand, sich das Zimmer oder das Appartement nach persönlichen Vorlieben einzurichten steht in keinem Verhältnis zur Wohndauer. Trotzdem ist es frustrierend, nach einem langen Arbeitstag in ein tristes Zuhause zu kommen. Anonymus bietet über eine Plattform die Möglichkeit, sich seinen persönlichen Wohnraum im Vorfeld zu gestalten. Dafür kann aus einer Vielzahl von Einrichtungs- und Dekogegenständen ausgewählt werden, die zum einen aus einem großen Möbelpool kommen und zum anderen durch die Bewohner beigesteuert werden. Auch hier basiert das Prinzip auf Geben und Nehmen. Jeder, der während seiner Wohndauer Dinge nutzt, hinterlässt nach seinem Auszug Objekte, die in den Pool übergehen. Weiterhin bietet die Plattform auch eine Sharing-Funktion, so dass Dinge innerhalb der Community weitergegeben werden können. Welcher urbane Nomade hat schon ein Waffeleisen oder ein Zelt mit dabei? Anonymus schafft über die Tauschbörse eine Plattform, die über Dinge auch Menschen miteinander verknüpft.

Play Local
Das Konzept von Play Local ist es, wie der Name bereits vermuten lässt, auf spielerische Art den lokalen Stadtraum zu erfassen und Orte oder Aktivitäten kennenzulernen, die sonst nur den Ortsansässigen vorbehalten sind. Über ein Gamification Tool lernen neu Zugezogene die Stadt kennen, sammeln Punkte, erreichen Level und bewegen sich von Aufgabe zu Aufgabe, bzw. Location zu Location durch die Stadt. Dabei lernen sie nicht nur die Stadt, sondern auch andere Mitspieler kennen. Die Auswahl der Orte erfolgt durch die User selbst, die ihre Lieblingsorte beisteuern können. Auch Restaurants, Bars, Geschäfte und Events können die Plattform nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen. Eine Kuratierung der Inhalte ist jedoch nötig. Der Community-Gedanke wird hier in einem weiteren Zusammenhang gesehen, Play Local bezieht nicht nur eine enge Co-Living-Community innerhalb eines Wohnobjekts ein, sondern steht jedem zur Verfügung der seine Stadt besser kennenlernen möchte, so natürlich auch den Locals. Auch ein Übertrag auf andere Städte ist denkbar.

Die Pitches haben gezeigt, dass Spaß, Motivation und ein Mehrwert für die Teilnehmer einer Community ebenso relevant sind, wie der Wunsch, selbst einen Teil zum Gelingen beitragen zu können. Gemeinschaft kann nur durch gemeinsame Aktionen entstehen, die digitalen und räumlichen Möglichkeiten werden als Werkzeug genutzt, um diese Aktionen zu organisieren oder in einen spielerischen Rahmen zu verpacken. Eine weitere Ausarbeitung der Ideen ist durchaus vorstellbar, UnternehmerTUM hat alle Teilnehmer im Anschluss an die laute, fast euphorische Pitchpräsentation zu einem Bootcamp im Makerspace in Garching zur Weiterentwicklung eingeladen.

Das Community Design Lab fand im Rahmen des Erasmus+ Programms der Europäischen Union BauHow5 statt und wurde von der TU München in Kooperation mit UnternehmerTUM, MINI LIVING und DETAIL durchgeführt.

Informationen zu der Veranstaltung »have we met?«, die dem Workshop vorangegangen ist, erhalten Sie hier.

Foto: Julian Wenninger

Foto: Julian Wenninger

Foto: Julian Wenninger

Foto: Julian Wenninger

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Foto: Julian Wenninger

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