28.05.2019 Charlotte Petereit

Jubiläumsjahr - Die Neue Sammlung eröffnet die Ausstellung Thonet & Design

Foto: Charlotte Petereit

Eine Pioniergeschichte des Möbelbaus
1819 begründete Schreinermeister Michael Thonet im rheinischen Boppard, was einmal federführend in der Entwicklung moderner, industrieller Möbelfertigung werden sollte. Anfangs bestanden die zeitlosen Stücke noch aus furnierverleimtem Material, fanden aber dennoch großen Anklang. An den Wiener Hof berufen, tüftelte Thonet immer weiter an der Biegetechnik von Holz unter Druck- und Dampfeinwirkung. Um 1860 erfolgte der Durchbruch: Thonet erhielt das Patent auf massives Bugholz und ermöglichte so die serielle und preisgünstige Möbelproduktion.

Auch kaufmännisch war Thonet strategischer Vorreiter: Sein Kaffeehausstuhl 214 wurde nicht mehr geleimt, sondern verschraubt. Fortan konnte die Ware extrem platzsparend verschickt und vor Ort zusammengebaut werden. Ende der 1920er-Jahre erweiterten Stahlrohrmöbel das Sortiment. Thonets Bestreben war es, Material und Zeit effizient einzusetzen sowie Langlebigkeit zu erreichen. Mittlerweile ist das Leitmotiv der Nachhaltigkeit seit fünf Generationen fest in der Unternehmerfamilie verankert – Eine Tatsache, die heute leider keine Selbstverständlichkeit darstellt.

Neuinszenierung in der Pinakothek der Moderne
Zukunftsinteressiert ist auch die aktuelle Ausstellung: Der Name der Neuen Sammlung ist hier Programm. Sie interessiert sich für die Historie, weil darauf Gegenwart und Zukunft gründen. Die abgetreppte Inszenierung des halbrunden Raumes durch das Atelier Steffen Kehrle (ASK) erinnert stark an ein überdachtes Amphitheater. Auf insgesamt acht Stufen wechseln sich Stühle und Durchgänge für die Besucher ab. Die Exponate sind in zeitlicher Chronologie auf ihren Podesten aufgereiht. Der Betrachter beginnt seinen Rundgang auf dem obersten Absatz bei den ältesten, noch schichtverleimten Modellen. Knappe Texte auf dünnen, grauen Blechtrennwänden an der Rückseite der vier Stuhlreihen informieren über jedes einzelne Objekt. So schlängelt man sich in einer Seitwärtsbewegung langsam nach unten und schließlich auf der anderen Seite bis zum jüngsten Stuhl von 2018 wieder hinauf.

Die graue Schlichtheit der Präsentation ist etwas ernüchternd. Das Konzept scheint zu sein, die Möbel für sich selbst sprechen zu lassen. Die Auswahl der Ausstellungsstücke aus dem umfassenden Fundus der Pinakothek hingegen ist in dieser Hinsicht durchaus gelungen. Die Entwicklung des Designs und der Materialität ist nachvollziehbar und die zusammengestellten Farbtöne ergeben ein harmonisches Bild. Etwas befremdlich, dadurch jedoch umso spannender ist es, an den Sitzreihen vorbeizugehen, anstatt sich auf ihnen niederzulassen wie im Theater üblich. Man ist Zuschauer und »Beschauter« zugleich.

Den Abschluss des Rundgangs bildet ein Zwischenstand von Kehrles Studie DNS-Chair-Reihe. Einfache Materialien sind hier zusammengefügt. Ein Nylonfaden hält eine Pappsitzfläche und erprobt Form und Funktion des neuen Möbels. Ausgangspunkt war es, einen Museumsstuhl für die bisher völlig auf die Beinkraft seiner Besucher setzende Pinakothek zu entwickeln. Dieser sollte heutigen Ansprüchen nach Mobilität und Flexibilität gerecht werden. Ob dabei die vom Designer angestrebte »erneute Pionierleistung« möglich oder auch nur nötig ist, sei dahingestellt. Um keine Assoziationen vorwegzunehmen, präsentiert ASK seine Studienobjekte weiß lackiert.

Übrigens, um den Kreis zu schließen: Unter den Entwerfern der Klassiker, deren Nachfolger gesucht wird, befinden sich natürlich einige Bauhausvertreter. Dass das aber eher Zufall und nicht Programm war, ist eine andere Geschichte.

Foto: Charlotte Petereit

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Foto: Charlotte Petereit

Im Rahmen der Ausstellung finden u.a. folgende Veranstaltungen statt:

Führungen »Aus erster Hand«: Do 22.08.2019, Do 10.10.2019, So 12.12.2019 I 18.30 Uhr
Führungen für Studierende: Do 11.07.2019 I 18.30 Uhr
Designschnitzeljagd für Kinder: So 14.07.2019 I 16.00 Uhr

Zur Ausstellung erschien außerdem die Publikation Thonet & Design von Koenig Books.

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