04.10.2016 Bettina Sigmund

PVT-Kollektoren: Wertvolle Dachflächen doppelt nutzen

Luftbild von home+ mit den gebäudeintegrierten PV-Modulen und PVT- Kollektoren (Foto: HFT Stuttgart)

Sogenannte »Hybridkollektoren«, die sowohl die Funktion von Photovoltaik-Modulen und Solarthermie-Kollektoren übernehmen, sind nicht vollkommen neu. Allerdings ist ihr Einsatz – besonders wenn alle drei Energiearten Wärme, Kälte und Strom genutzt werden sollen – bislang nicht abschließend erforscht. Ebenso auch die Rolle der Anlagentechnik sowie verschiedene sinnvolle Ansätze der Gebäudeintegration. Auf dem Markt existieren bereits einige PVT-Hersteller, deren Produkte sind jedoch nach Kenntnis der Autoren der Studie bislang weder ausreichend wissenschaftlich untersucht noch hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit weiterentwickelt worden. Das Ende 2015 beendete Forschungsprojekt der HFT Stuttgart gibt darauf nun Antworten. Mehrfachnutzung von Dachflächen
Dass die Gebäudehülle eine wichtige Rolle für das Energiekonzept von Gebäuden spielt, ist hinlänglich bekannt. Im Zuge des Klimawandels und der Energiewende wurden nun der Gebäudehülle und besonders den Dachflächen weitere Funktionen zuteil, wie die Erzeugung von Energie in Form von Wärme, Kälte oder Strom durch solaraktive Komponenten – entweder durch Flächen für Photovoltaik oder Solarthermie. Im Projektbericht zu PVTintegral wird erläutert: Steigende Komfortansprüche und hohe sommerliche Temperaturen führen weltweit zu erhöhtem Klimatisierungsbedarf, auch in Ländern mit gemäßigtem Klima wie in Deutschland. Das solare Kühlen ist dabei eine bislang noch wenig eingesetzte regenerative Alternative. Eine Variante hiervon nutzt die langwellige Abstrahlung von horizontalen Flächen, wie z.B. von thermisch aktiven Dächern gegen den Himmel. Eben diese Dachflächen sind aber häufig auch bestens zur Aufrüstung mit Photovoltaik-Modulen oder Solarthermie-Kollektoren zur Erzeugung von regenerativen Strom bzw. Warm- oder Kaltwasser geeignet. Dieser Zielkonflikt ließe sich auf einfache Art und Weise durch den Einsatz gebäudeintegrierter photovoltaisch-thermischer Kollektoren lösen. Die Funktionskombination ist auf dem Markt mit einigen Herstellern vertreten, jedoch werden die Kollektoren bislang meist zur solaren Erzeugung von Warmwasser und Strom oder zur Steigerung des elektrischen Wirkungsgrades eingesetzt. Die Verwendung zur Erzeugung von regenerativer Kühlenergie ist hingegen ein noch wenig untersuchter Ansatz. Ziel ist es, wertvolle Flächen in der Gebäudehülle mehrfach und länger zu nutzen – zur Produktion von Strom und Warmwasser tagsüber und zur Erzeugung von Kälte für Kühlzwecke in der Nacht. Die erhöhte Anzahl der Nutzungsstunden wirkt sich positiv auf die gesamtenergetische Amortisationszeit aus und führt zu einer deutlich günstigeren Bewertung in der Lebenszyklusbetrachtung. PVTintegral
Im Projekt wurden Fragestellungen zur Entwicklung, Produktion, Anwendung und Optimierung von PVT-Kollektoren im Hinblick auf Lösungsansätze zur Gebäudeintegration und Systemkombination erarbeitet. Dazu wurden verschiedene Kollektortypen – von marktverfügbaren bis zu im Projekt entwickelten PVT-Prototypen und reinen Thermie-Kollektoren – hinsichtlich der Fügetechnik, der PV-Technologie, des Absorbermaterials und des Absorberdurchflusses verglichen. Die Marktanalyse von derzeit 33 Unternehmen (Stand 2015) zeigte, dass Hersteller mit nicht abgedeckten PVT-Kollektoren dominieren, dabei besteht eine gewisse Produktvarianz, was das Absorbermaterial oder den konstruktiven Aufbau der Kollektoren betrifft, jedoch kaum in Bezug auf die PV-Technologie. Die Messungen am Teststand zeigten, dass sich deutliche Unterschiede in den thermischen Spitzenkollektorwirkungsgraden und der Nutzwärmeleistungen zwischen den Thermie-Absorbern und den PVT-Kollektoren ergeben. In der Nutzkälteleistung jedoch liegen die Kennlinien der PVT-Kollektoren und der reinen Thermie-Absorbern eng beieinander. Gebäudeintegration
Auch wenn der PVT-Markt noch vergleichsweise klein ist, so gibt es durchaus Kollektoren, die es durch ihr Produktdesign ermöglichen, eine ansprechende Integration in die Gebäudehülle zu realisieren – auch als In-Dachsysteme. Obwohl PVT-Kollektoren meist auf PV-Modulen beruhen, ergeben sich trotzdem wesentliche Unterschiede in der Gebäudeintegration. Spezielle Herausforderungen sind die Befestigungsmöglichkeiten, die zusätzlichen Lasten, die hydraulische Montage und die Platzierung der elektrischen Anschlüsse. Ein entscheidender gestalterischer Aspekt ist die Art des Rahmens, der die Weise der Integration am Gebäude vorgibt. Auch durch Temperarturschwankungen ausgelöste Längenausdehnungen, die Spannungen und Bewegungen im Material zur Folge haben können, sind bei PVT-Kollektoren ein durchaus zu berücksichtigendes Thema. Die drei Energiearten – Kälte, Wärme und Strom – unterliegen in der Gebäudeintegration teilweise gegensätzlichen Erfordernissen, um hohe Energieerträge bereitzustellen. Während für eine hohe Wärme- und Strombereitstellung die PVT-Kollektoren vom Sonnengang und -stand abhängig sind, ist für eine hohe Kältebereitstellung ein optimaler Sichtfaktor, im Idealfall ein 180° Sichtwinkel, zum klaren Nachthimmel entscheidend. Ob eine Kollektordämmung oder eine Hinterlüftung vorhanden ist oder es sich um abgedeckte Kollektoren handelt, wirkt sich weiterhin unterschiedlich auf die Leistungsfähigkeit der drei Energiearten aus. Technologie mit Zukunftspotenzial?
PVT-Kollektoren sind noch relativ neuartige Komponenten, für die bei geeigneter Systemintegration die derzeitig höheren Anschaffungskosten nur über die Bereitstellung von drei Energiearten kompensiert werden können. Für die Ermittlung der gesamtenergetischen Amortisationszeit ergibt sich für 1m² eines genauer untersuchten PVT-Kollektors eine Amortisationszeit von 2,8 Jahren. Auch die CO2-Emissionen wurden näher betrachtet. Die während der Herstellung freigesetzten Emissionen amortisieren sich nach 2,22 Jahren im Betrieb. Die zusätzlichen materiellen und energetischen Ressourcenaufwendungen für die Aufrüstung von PV-Modulen zu PVT-Kollektoren bei der Herstellung lassen sich über die höheren Energiebereitstellungen im Betrieb schneller kompensieren. Hierzu bedarf es jedoch noch weiterer Untersuchungen und anwendungsbezogener Hilfestellungen zu den komplexen Möglichkeiten in der System- und Gebäudeintegration, um Planer besser zu unterstützen, beispielsweise durch einfache Auslegungswerkzeuge. Dies ist zudem wichtig, um eine PVT-Anwendung an Gebäuden in sinnvoller Weise zu fördern, für die die Autoren ein nicht unerhebliches Primärenergie-Einsparpotenzial sehen. Insgesamt hat das Projekt gezeigt, dass PVT-Kollektoren in bestimmten Klimazonen, Nutzungsszenarien und in Kombination mit geeigneter Anlagen- und Regeltechnik wirtschaftlich und energetisch großes Einsparpotenzial bieten. Hintergrund home+
Im Haus home+, dem Beitrag der Hochschule für Technik Stuttgart zum Wettbewerb Solar Decathlon Europe 2010, produzierten bereits eigens entwickelte PVT-Kollektoren neben Strom auch kaltes Wasser für die Kühlung des Gebäudes. Dafür wurde die Abstrahlung der auf dem Dach waagerecht angeordneten PVT-Flächen gegen den kalten Nachthimmel genutzt. Dies bewirkte, dass sich je nach Temperaturbedingungen die PVT-Module weit unter die Temperatur der Außenluft abkühlten und damit auch das Wasser, das an der Rückseite der Kollektoren in Rohren geführt wurde. Somit wurden die PV-Module thermisch aktiviert und als »PVT-Module« bezeichnet (HFT Stuttgart, 2010). Im Jahr 2009 waren keine für diese spezielle Anwendung optimierte PVT-Kollektoren für den Einsatz in home+ vorhanden, was die HFT Stuttgart veranlasste, eigene Kollektoren herzustellen, bzw. aus bestehenden Bauteilen zusammen zu setzen. Daraus ergaben sich weitere Fragestellungen, wie die Komponenten am besten gefügt werden und wie der Aufbau gestaltet sein muss, um die Leistung zu optimieren und die Gebäudeintegrationsaspekte zu berücksichtigen. Diese Überlegungen bildeten somit die Ausgangsbasis für das Projekt PVTintegral.
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