Raus aus der Nische: Sharing-Konzepte für die Wohnungswirtschaft

Innovative Wohnformen und Mobilitätsdienstleistungen werden im Forschungsprojekt WohnMobil analysiert (Foto: WUP_wimmerundpartner)

Alternative Wohnformen sind längst nicht mehr so alternativ wie in ihren Anfängen – sie haben den Weg geebnet für eine neue Definition des Wohnens. Für Viele ist es eine Frage der Lebensqualität: Ein selbstbestimmt, bezahlbares und gemeinschaftliches Wohnen, verbunden mit dem Wunsch, Umwelt und Ressourcen zu schonen. In diesem Zusammenhang spielt das Teilen von Gütern und Räumen eine entscheidende Rolle. In den letzten Jahren sind besonders in den Ballungszentren viele neue Wohninitiativen – Baugruppen-, Mehrgenerationen- oder Genossenschaftskonzepte – entstanden, die wohnbegleitende Dienstleistungen, wie Carsharing, Mitnahmeservices, Reparaturdienste oder gemeinschaftlich genutzte Flächen anbieten. Diese Dienstleistungen verbessern durch gemeinschaftliche Aktivitäten zum einen die Wohnzufriedenheit, zum anderen sind sie ressourcenschonend und umweltfreundlich. Im Zuge aktueller Herausforderungen mit Bick auf den Klimawandel und die notwendige Nachverdichtung von Städten und dem daraus resultierenden Flächenmangel, liegt die Frage nah, inwiefern sich dieses Modell auf die Wohnungswirtschaft übertragen ließe. Unter der Leitung des ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung in Kooperation mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und dem Öko-Institut hat ein Forschungsteam nun über einen Zeitraum von drei Jahren das Nachhaltigkeitspotenzial und die wirtschaftliche Tragfähigkeit verschiedener Organisations- und Geschäftsmodelle wohnbegleitender Dienstleistungen untersucht. Lassen sich die ökologischen und ökonomischen Vorteile der Sharing-Dienstleitungen von einst alternativen Wohnkonzepten nun auch auf die breite Masse des Wohnens übertragen? Und wenn ja, was bedeutet dies für das Wohnen, das Bauen und die Mobilität? Aus den Forschungsergebnissen entstanden Strategieempfehlungen für Wohnungsunternehmen und Wohninitiativen, um wohnbegleitende Dienstleistungen dauerhaft zu etablieren. Forschung in Reallaboren
Die Forschung baut auf einer dreijährigen Begleitung von zwei Wohninitiativen und einem Wohnungsunternehmen auf. In drei Reallaboren wurde untersucht, wie sich gemeinschaftliche Dienstleistungen in selbstorganisierten Wohnformen stärken lassen und unter welchen Aspekten sich diese Dienstleistungen in der Wohnungswirtschaft implementieren lassen. Unter wohnbegleitenden Dienstleistungen versteht das Forschungsvorhaben dabei »Angebote […], die für Bewohner_innen in der Wohnung, im Wohngebäude oder dem Wohnumfeld zugänglich sind. Die Variationsbreite reicht vom Raumpflege- oder Einkaufsservices über Concierge-Dienste, Aktivitätsangebote bis zur Geräteausleihe.« Unter Reallaboren versteht man die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Praxis, in denen das voneinander Lernen und die Erprobung neuer Dinge im Vordergrund stehen. Bei den Projektpartnern handelte es sich um ein städtisches Wohnungsunternehmen, das über rund 2.100 Wohnungen verfügt, von denen ein Drittel öffentlich gefördert sind. Als weiteren Projektpartner wählte man eine Bau- und Wohngenossenschaft, die generationsübergreifende sowie sozial gemischte Wohnformen anbietet und zudem ökologisch und energieeffizient gebaut hat. Als dritten Projektpartner wählte man eine Wohneigentümergemeinschaft, deren Wohnräume bewohnerbezogen geplant wurden: Je nach Lebensstil und -phase fallen die Wohnungen in ihrer Grundrissgestaltung unterschiedlich aus. Carsharing, Multifunktionsräume, Gemeinschaftsgärten
Um eine möglichst große, aber dennoch übersichtliche Spannweite an Erkenntnissen zu erhalten, entschied man sich innerhalb der Reallabore für Modelle, die sich mit nachbarschaftlichen Mobilitätsdienstleistungen, der gemeinsamen Nutzung eines Multifunktionsraums sowie der Nutzung eines Gemeinschaftsgartens für eine ältere Bewohnerschaft beschäftigen. Zu den nachbarschaftlichen Mobilitätsdienstleistungen zählen u.a. Carsharing, Fahrrad-, E-Bike und Lastenradverleih, aber auch die gemeinschaftliche Nutzung von ÖPNV-Tickets und gemeinschaftliche Fahrradwerkstätten. Im Forschungsvorhaben fokussierte man sich auf das Carsharing. Da das Privatauto in der Regel lediglich eine Stunde pro Tag genutzt wird, bietet sich das Teilen von Fahrzeugen an. Die Nutzung weniger Wagen durch mehrere Haushalte führt zu einer Reduktion des Parkplatzbedarfs. Zudem sinken die Baukosten und die Verkehrsflächen stehen anderen Nutzungen zur Verfügung, was sich letztlich positiv auf die Aufenthaltsqualität im Außenbereich auswirkt. Gemeinschaftlich genutzte Räume stellen Orte der Begegnung und der Kommunikation dar. Ein Multifunktionsraum ist für unterschiedliche Nutzungen ausgelegt und kann ggf. mit Geräten ausgestattet sein. Durch die Bereitstellung eines solchen Raums wird der Raumbedarf in der eigenen Wohnung vermindert. Darüber hinaus spart man sich die Anschaffung von Geräten und Material. Eine beliebte Form von wohnbegleitenden Angeboten stellen Gemeinschaftsgärten dar. Diese befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus und werden von den Bewohnern gemeinsam angelegt und gepflegt. Solche Orte laden zum Verweilen ein und können zudem das Gemeinschaftsgefühl stärken. Ist der Garten zudem entsprechend bepflanzt, kann er sich auch positiv auf das Mikroklima und die Artenvielfalt auswirken. Durch partizipative Angebote Gemeinschaft stärken
Um herauszufinden, inwieweit solche Angebote nachhaltig sind, wurde ein Bewertungssystem entwickelt, das fünf Kriterien umfasst: Ökologie, Soziales, Ökonomie, der Prozess und die konkrete Nutzung der Dienstleistung. Aus den Erkenntnissen wurden wiederum zehn Kernbotschaften formuliert, die als Strategieempfehlung an Wohninitiativen, -unternehmen aber auch an die Kommunal- und Landespolitik gerichtet sind. Die Ergebnisse aus den Reallaboren im Rahmen des Projekts WohnMobil haben gezeigt, dass wohnbegleitende Dienstleistungen nachhaltiges Wohnen fördern können. Bewohnerinnen und Bewohner bewerten ihre Wohnzufriedenheit insgesamt höher, wenn sie ökologisch sinnvolle und die Gemeinschaft stärkende Maßnahmen am Wohnort umsetzen können. Als besonders attraktiv erweisen sich solche Angebote im Wohnumfeld, die im Zuge einer partizipativen Planung entstanden sind, weil sich die Gestaltung an den Bedürfnissen der Nutzer orientiert. Besonders erfolgreich waren Projekte, die von einer externen Fachperson und professionellen Moderation begleitet wurden. Die Ergebnisse aus WohnMobil zeigen, dass Wohnungsunternehmen und Wohninitiativen gut beraten sind, wenn sie künftig wohnbegleitende nachhaltige Angebote in ihre Organisations- und Geschäftsmodelle integrieren. Sie schaffen einen großen Mehrwert für die Bewohner. Die partizipative Gestaltung steigert deren Identifikation mit den Projekten, stärkt die Verantwortung dafür und fördert den Austausch in der Gemeinschaft. Wohnbegleitende Dienstleistungen stellen somit in mehrfacher hinsicht einen Baustein für ein lebenswertes und an Nachhaltigkeit orientiertes Wohnquartier dar.
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