16.11.2013 Emilia Margaretha

Stadtlandschaft im Fluss: Heydar Aliyev Center von Zaha Hadid

Eine Skulptur, die vieles zugleich ist: Gebäudehülle und öffentlicher Raum, architektonisches Objekt und Stadtlandschaft, Außenraum und Innenraum – beim neuen Kulturzentrum in Baku ist alles im Fluss. Bereits 2007 gewann das Büro Zaha Hadid Architects den Wettbewerb für das Heydar Aliyev Cultural Centre mit einem Entwurf, der sich bewusst absetzt von der starren und oft monumentalen Architektur, die in Baku vorherrschend ist. Architekten: Zaha Hadid Architects
Standort: Baku, Aserbaidschan

Foto: Iwan Baan

Das grundlegende Prinzip des Entwurfs nimmt den ursprünglich auf dem Baugrundstück vorhandenen starken Geländeversprung zum Anlass, eine präzise gestaltete, abgestufte „Gebäudelandschaft“ zu entwickeln, die neue Wege und Verbindungen ermöglicht zwischen öffentlichem Stadtraum, Vorplatz, der Gebäudehülle und dem Innenraum. So wird aus dem ursprünglichen Nachteil schwieriger topographischer Gegebenheiten ein Entwurfsgedanke entwickelt, der zudem aufwändige Erdabtragungen bzw. Erdaufschüttungen unnötig macht. Die „Gebäudelandschaft“ stellt eine durchgängig fließende Beziehung zwischen dem umgebenden Platz und dem Innenraum des Centers dar. Der Vorplatz ist öffentlich zugänglich und erweitert und erhebt sich in die dritte Dimension zu einem ebenfalls öffentlichen Innenraum, der verschiedenste Veranstaltungsräume beinhaltet, die der zeitgenössischen und der traditionellen aserbaidschanischen Kultur gewidmet sind. Die aufwändige Gestaltung des Platzes durch Wellen, Gabelungen, Beugungen und Wendungen verwandeln ihn in eine „gebaute Landschaft“, die eine Vielzahl an Funktionen wahrnimmt – sie wirkt einladend und soll den Besucher durch die verschiedenen Ebenen des Innenraums begleiten und leiten.

Lageplan, Grafik: Zaha Hadid Architects

Foto: Hufton and Crow

Eine der größten Herausforderungen des Projektes bestand in der technischen Umsetzung der architektonischen Idee eines fließenden Raumes mit fließender Oberfläche. Um diesen Anspruch umsetzen zu können, muss die Außenhaut eine Vielzahl von Anforderungen erfüllen. Unterschiedlichste Funktionen, baukonstruktive Überlegungen sowie ein technisch umsetzbares System mussten unter eine gemeinsame Hülle gebracht werden. 
Dazu waren zwei zusammenwirkende Systeme erforderlich: eine Betonstruktur, die sich mit einem Raumfachwerk verbindet. Um große stützenfreie, ineinanderfließende Räume zu ermöglichen, mussten die vertikalen Bauteile in die Ebene der Hülle aufgenommen bzw. in das Curtain-Wall-System integriert werden.

Stand Juni 2010, Foto: Luke Hayes

Stand Nov 2011, Foto: Helene Binet

Schnitt, Grafik: Zaha Hadid Architects

Ebene 0
Grafik: Zaha Hadid Architects

Ebene 4

Nahe dem Zentrum der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku, am Kaspischen Meer, eröffnete gerade eines der markantesten Bauwerke des Landes. Das neue Kulturzentrum beinhaltet öffentliche Einrichtungen der Stadt, u.a. das neue Nationalmuseum, eine Bibliothek, sowie Konzert- und Konferenzsäle in unterschiedlicher Größe. Der amtierende Präsident Ilham Aliyev ließ das Gebäude in Erinnerung an seinen verstorbenen Vater, den ehemaligen Präsidenten Heydar Aliyev, errichten. Nun soll der fließende Baukörper als Sinnbild für die Erneuerung und Modernisierung der aserbaidschanischen Gesellschaft stehen. Mehr als ein frommer Wunsch? Bekanntermaßen werden dem Namensgeber Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung der politischen Opposition vorgeworfen. 

Foto: Iwan Baan

Diese Kontinuität des Raumes verankert den Entwurf nach Ansicht der planenden Architekten auch in der Tradition historischer islamischer Architektur, bei der durch lange Fluchten, Gitterraster und Abfolgen von Säulen ebenfalls nicht-hierarchische, fließende Räume entstanden sind. Durchgängige Kalligraphie und ornamentale Muster fließen dort von Teppichen auf Wände, von den Wänden zur Decke und von den Decken weiter in Kuppeln und Gewölbe hinein. So entwickelt sich eine übergangslose Verbindung und es verschwimmen die Unterschiede zwischen den architektonischen Elementen und dem Grund, auf dem sie fußen. 

Foto: Hufton and Crow

Foto: Iwan Baan

Das Raumfachwerk ermöglicht die skulpturale Formgebung und hat im Gegensatz zur ursprünglich geplanten Stahlkonstruktion viele Vorteile bei der sehr komplizierten Geometrie in Bezug auf Planung, Fertigung und vor allem Montage, während die Unterkonstruktion entwickelt wurde, um die Verbindung zwischen dem starren räumlichen Tragwerk und der frei-geformten Außenverkleidung flexibel halten zu können.
Als Material für die Verkleidung wurden glasfaserverstärkte Betonplatten sowie glasfaserverstärkte Kunststoffplatten gewählt, da sie einerseits die Plastizität des Entwurfs überhaupt erst ermöglichen als auch andererseits sehr unterschiedlichen funktionalen Anforderungen genügen, je nachdem, wo sie eingebaut werden: im öffentlichen Raum, in den Übergangszonen oder in der Hülle.

Stand Nov 2011, Foto: Helene Binet

Um die fließende Beziehung zwischen dem Außen und Innen des Gebäudes noch weiter zu verstärken, wurde ebenfalls sehr viel Augenmerk auf die Lichtplanung gelegt. Grundlegend wichtig war dabei, das Aussehen des Gebäudes zwischen Tag und Nacht zu differenzieren. Tagsüber reflektiert die Außenhaut das Licht und verändert ihr Aussehen je nach Tageszeit und Standort. Nachts jedoch verändern sich allmählich das Wesen und die Beschaffenheit des Gebäudes mithilfe des Lichts, das durch die Außenhaut von innen nach außen dringt. Der formale Aufbau wird offen gelegt und zeigt die Inhalte und unterstützt damit das Fließen zwischen Innen und Außen.

Foto: Iwan Baan

Foto: Hufton and Crow

Weitere Informationen

Bauherr:
Republik Aserbaidschan
Generalunternehmer: DiA Holding
Tragwerksplanung: Tuncel Engineering AKT
Haustechnik: GMD Project
Elektrotechnik: HB Engineering
Fassadentechnik: Werner Sobek
Akustikplanung: Mezzo Stüdyo
Lichtplanung: MBLD
Stahlrahmenkonstruktion: MERO
Äußere Gebäudehülle: Arabian Profile
Innere Gebäudehülle: Lindner

Projektzeitraum: 2007-2012
Grundstücksgröße:
111.292 m²
Nutzfläche: 101.801 m²
Dachfläche: 39.000 m²
Kapazität Auditorium: 1.000
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