14.07.2014 Jakob Schoof

Studentenwohnen auf kleinem Fuß: Projekt “Cubity” der TU Darmstadt

Auf historischem Boden fand während der letzten zwei Wochen der Solar Decathlon 2014 statt: Schauplatz des studentischen “Zehnkampfs”, bei dem Universitätsteams aus aller Welt ihre Konzepte für Plusenergie-Einfamilienhäuser der Weltöffentlichkeit präsentieren, war ein Areal nur unweit südlich des Schlossparks von Versailles. Etwas abseits der Häuser, die sich im Wettbewerb miteinander maßen, stand ein von außen recht hermetisch wirkender, 16x16 Meter großer Kubus aus Polycarbonatstegplatten: das Projekt „Cubity“ der TU Darmstadt.

Auf Einladung des Solar-Decathlon-Veranstalters hatten die Lehrstühle für Entwerfen und Gebäudetechnologie (Prof. Anett-Maud Joppien) und für Entwerfen und Energieeffizientes Bauen (Prof. Manfred Hegger) das Konzept für „Cubity“ eigentlich als Unterkunft für die Solar-Decathlon-Teilnehmer entwickelt. Dann jedoch fehlte den Franzosen das notwendige Kleingeld für die Umsetzung, und so wurde in Versailles lediglich eines der quadratischen Plusenergie-Module errichtet. Für Detailplanung, Fertigung und Aufbau des Prototypen in Versailles zeichnete die Deutsche Fertighaus-Holding (DFH) verantwortlich, die das Projekt überdies finanzierte. Das Gebäude  soll nach seinem Ausflug ins Reich Louis XIV. am Standort „Lichtwiese“ der TU Darmstadt neu aufgebaut, drei bis fünf Jahre von Studenten bewohnt und während dieser Zeit einem intensiven energetischen und sozialen Monitoring unterzogen werden.

Foto: Thomas Ott

Im Gewand eines Industriebaus
Die Außenhülle des Studentenwohnheims besteht aus Polycarbonatstegplatten, die über Querriegel aus Brettschichtholz am Primärtragwerk aus V-förmig angeordneten Brettschichtholzstützen befestigt sind. Den einzig öffenbaren Teil der Fassade bilden dreifach verglaste Drehfenster an den Gebäudeecken. Ihre Anordnung soll nicht zuletzt eine effektive Querlüftung des kompakten Gebäudes ermöglichen. Das Dach besteht aus einer Brettstapeldecke mit Warmdachaufbau und ruht auf Brettschichtholzbindern, die jeweils am oberen Fassadenende auf den V-Stützen aufliegen. Ein modulares Oberlicht in der Dachmitte bringt Tageslicht ins Gebäudeinnere und dient überdies der Abfuhr der erwärmten Abluft.

Foto: Thomas Ott

Ein Dorf in einem Haus
Das Entwurfsmotto für „Cubity“, das im Rahmen eines internen Studentenwettbewerbs an der TU Darmstadt entstand, lautete „Ein Dorf in einem Haus“. Im Mittelpunkt dieses Dorfs steht der Marktplatz – ein großzügiger, offener Aufenthaltsbereich in der Gebäudemitte, von dem aus alle anderen Bereiche – der Eingang, die Küche, und die Obergeschossgalerie – direkt zugänglich sind.  Dennoch ist niemand gezwungen, auf dem Weg in sein Zimmer über den Marktplatz zu gehen, da alle Individualräume von außen – also der Fassadenseite – her erschlossen werden.

Aus raumklimatischer Sicht bildet der Marktplatz eine teilbeheizte Puffer- oder Zwischenzone zwischen dem Außenklima und den Schlafboxen, die ganzjährig auf eine Komforttemperatur von 20 bis 26 Grad ausgelegt sind. Er verfügt über eine Fußbodenheizung und lässt sich überdies mit einem raumhohen Vorhang vom Rest der Erschließungszonen abtrennen. Auf diese Weise hoffen die Entwerfer, hier auch im Winter komfortable Temperaturen zu erreichen, während auf den umlaufenden Galerien durchaus einmal unter zehn Grad herrschen können. Auch der zweite, wichtige Gemeinschaftsbereich – die Küche – verfügt über eine Teilbeheizung, allerdings ohne zusätzlichen Vorhang.

Kochzone. Foto: Thomas Ott

Low-Tech trifft Plusenergie
Während sich die Architektur des Gebäudes bei der nun in Versailles realisierten „Demoversion“ bereits gut nachvollziehen ließ, war von der Haustechnik nur das Wenigste installiert. Der naheliegende Grund: Das Haus war nicht wirklich bewohnt, sondern diente nur als Ausstellungsobjekt. Daher beschreiben die folgenden Absätze das Haustechnikkonzept, das die Darmstädter in der Endausbaustufe von „Cubity“ auf der Lichtwiese zu realisieren planen:

Während die Gemeinschaftsbereiche und Erschließungszonen ganzjährig natürlich be- und entlüftet werden, erhalten die Wohnkuben eine Abluftanlage ohne Wärmerückgewinnung. Frischluft strömt über Zuluftkanäle nach, die jeden Individualraum direkt – quer durch die außen liegende Erschließungszone hindurch – mit dem Außenklima verbinden. Sie wird in einer Heiz- und Kühldecke vortemperiert und schließlich in den jeweiligen Raum abgegeben.

Foto: Thomas Ott

Die Individualräume verfügen über eine aktive Beheizung und Kühlung mittels einer Heiz- und Kühldecke, die ihre Wärme und Kälte aus einer reversiblen Luft/Wasser-Wärmepumpe beziehen soll. Letztere versorgt auch die Fußbodenheizung in den Gemeinschaftsbereichen und dient der Erwärmung des Trinkwassers. Mit Strom versorgt wird die Wärmepumpe überwiegend durch Photovoltaikmodule auf dem Dach. Außerdem soll im Gebäude eine Batterie installiert werden, um die Menge an Solarstrom zu minimieren, der ins öffentliche Netz eingespeist oder von dort bezogen wird.

Nach dem Abbau von „Cubity“ soll das Studentenwohnheim nun per Lkw an seinen Bestimmungsort in Darmstadt transportiert werden. Der Entwurf war von vornherein auf diesen Transport abgestimmt – so passen zum Beispiel drei der Individualkuben genau auf einen Sattelschlepper. Geplant ist eine Inbetriebnahme des dann „Living Lab“ genannten Studentenwohnheims zu Beginn des Wintersemesters 2014/2015. Die Ergebnisse der dann anschließenden, drei- bis fünfjährigen Monitoringphase werden zeigen, ob der hier praktizierte Mix aus Low-Tech (keine zentrale Lüftungsanlage, keine Wärmerückgewinnung) und Suffizienz (nur 7,2 Quadratmeter Individualraum pro Person) letztlich in dem angestrebten Plusenergiestandard resultieren wird. Und, vielleicht noch wichtiger: Das sozialwissenschaftliche Monitoring soll auch zeigen, inwieweit das Motto „Dorf im Haus“ in puncto Nutzerzufriedenheit tragfähig ist. 
Das Innere des Gebäudes bietet ein ähnlich unkonventionelles Bild wie dessen Hülle: In einen lichtdurchfluteten Großraum sind sechs kompakte, je zweigeschossige Holzkuben eingestellt, die die individuellen Studentenzimmer enthalten. Auf der oberen Ebene sind diese durch eine außen umlaufende Galerie miteinander verbunden. Unmittelbar rechts hinter dem Haupteingang steht ein zweigeschossiger, offener Stahlskelettturm, der die zentralen Komponenten der Gebäudetechnik beinhaltet. Das Pendant dazu in der gegenüberliegenden Gebäudeecke bildet die offene Küche mit einem darüber liegenden, offenen Aufenthaltsbereich.

Lediglich 7,2 Quadratmeter groß ist jedes Individualzimmer – einschließlich Sanitärbereich. In puncto Innenarchitektur war daher eine Konzentration auf das Wesentliche und eine komplexe, dreidimensionale Verschachtelung der Funktionen angesagt. Der Stauraum zum Beispiel ist überwiegend unter dem Bett untergebracht und mit diesem sowie einem Stuhl, einem Tisch und einem weiteren Schrank zu einem Einbaumöbel zusammengefasst.

Foto: Thomas Ott

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