05.10.2012 popp@detail.de

Wir wollen keine Kunst und kein Design: Muck Petzet erklärt sein Ausstellungskonzept

Interview und Fotos: Frank Kaltenbach In seinem Ausstellungskonzept für den deutschen Pavillon auf der 13. Architekturbiennale in Venedig, versucht der Architekt den Fokus auf die bislang vernachlässigten Bauten der 60er und 70er Jahre zu richten. Im Interview mit DETAIL erläutert Petzet, wie die Fotos von Erica Overmeer und die Ausstellungsgestaltung von Konstantin Grcic zur Vermittlung des Konzeptes „Reduce, Reuse, Recycle“ beitragen.

Muck Petzet im Interview mit Frank Kaltenbach

DETAIL: Was ist die Idee für den deutschen Pavillon?

Muck Petzet: Uns geht es um einen Perspektivenwechsel in der Wahrnehmung von Alltagsarchitektur, die weder geliebt noch geschätzt und im Prinzip als Müll gesehen wird. Die Nachkriegsbauten der 50er Jahre findet eine breitere Öffentlichkeit langsam wieder ganz charmant, aber Bauten der 60er oder 70er Jahre wie die »bösen« Plattenbauten zum Beispiel finden wenige Befürworter. Wenn wir aber lernen, diese Alltagsarchitektur anders zu bewerten und sie positiv wahrnehmen, besteht gar nicht der Bedarf sie zu verändern. Reißt man solche Bauten ab, um einen »energieeffizienten« Neubau zu errichten, ist das als ob ich ein Stück Urwald in Brasilien abbrenne. Die gespeicherte oder »graue« Energie in diesen Bauteilen ist nur so lange erhalten wie ein Bauteil auch statisch wirksam ist, weil die gesamte Energie zum größten Teil schon bei der Zementherstellung entsteht. 1950 hat man z.B. mit einer viel schlechteren Energieeffizienz Zement gewonnen als das heute möglich ist.

Deutscher Pavillon

DETAIL: Als erste Überraschung habt ihr den zentralen Haupteingang verschlossen. Man betritt das Gebäude durch den Hintereingang. Hat das etwas mit dem Thema zu tun? Muck Petzet: Das hat mit dem Thema nur insofern zu tun, als natürlich auch diese Ausstellungskonzeption ein Umgang mit dem Bestand ist. Wir haben versucht, mit möglichst minimalen Mitteln das historische Gebäude an unsere Bedürfnisse anzupassen und gleichzeitig eine Signalwirkung nach Außen zu erreichen die zeigt, dass dieser Bestand adaptiert ist. DETAIL: Vor Jahren gab es Stimmen für einen Abriss des von den Nazis überformten Pavillons und für einen Neubau. Wie gehen Sie mit dieser Geschichte um?

Muck Petzet: Indem die Tür des zentralen Haupteingangs in der Mittelachse des Portikus verschlossen bleibt, entsteht eine Veränderung dieser Architektur, die ja sehr stark auf Repräsentation ausgerichtet ist. Diesen repräsentativen Charakter wollten wir herunterdimmen. Es entsteht ein Außenraum unter dem Portikus, der nicht wie sonst nur durchschritten wird, sondern quasi als erster Ausstellungsraum, nutzbar ist. Gleichzeitig ist interessant, mit welch einfachen Mitteln man auch bei einer Architektur, die keinerlei Verbindung von Innen nach Außen vorsieht, diese Verbindung herstellen kann, indem man wie im Inneren eine Fototapete an der Außenwand anbringt.
Der historische, zentrale Eingang des Bestands hat neben der geschichtlichen, negativen Aufladung aber auch einen räumlichen Effekt auf die Ausstellungsszenografie, den wir hier nicht wollten: Durch den zentralen Eingang blieben die Besucher bisher im zentralsymmetrischen Mittelsaal, wie gefangen stehen. Mit seiner Apsis erinnert er fast an einen Sakralraum, sodass man den Eindruck hat, was hier ausgestellt ist, hat die größte Bedeutung. Das wollten wir nicht, weil für uns jedes Projekt gleichbedeutend ist. Um das im Rundgang zu vermitteln, führen wir die Besucher an der Seite ins Gebäude.

Recyclete Parkbänke der Stadt Venedig

Fotos werden zur Erweiterung des Raums

DETAIL: Die Roten Bänke sehen aus als stünden sie zufällig da. Muck Petzet: Wir verwenden nur zwei Elemente der Möblierung. Im Inneren sind das gebrauchte Holzstege, die in der Stadt bei Hochwasser die Bewohner trockenen Fußes ans Ziel bringen. Hier im Außenbereich sind es die typischen roten Parkbänke, die wir von der Stadt Venedig ausgeliehen haben. Sie dienen als Geste, dass wir diesen Common Ground Venedigs zu uns einladen in diesen ersten Ausstellungsraum unter dem Portikus. Als Ersatz mussten wir für die originalen Standorte neue Bänke herstellen lassen. Die Bänke hier vor dem Pavillon waren völlig verrottet und wir mussten sie aufwändig reparieren lassen. Das war eine etwas ungewollte Direktanwendung dieser Prinzipien. Nach der Biennale werden sie wieder in den Parks aufgestellt. Also ist es auch eine bleibende Investition.

Recyclete Parkbänke der Stadt Venedig

DETAIL: Finden denn die Besucher den etwas versteckten Eingang? Muck Petzet: Wir wollten mit nur einem Element den ersten Ausstellungsraum beleuchten und nach links auf den Eingang verweisen. Der Pfeil aus gebrauchten Glühbirnen am Portikus weist schon von weitem den Weg, ist ja gleichzeitig auch Beleuchtungselement. Ein zweiter Pfeil um die Ecke über der seitlichen Eingangsrampe sollte dann zur Orientierung genügen. DETAIL: Man würde gar nicht merken, ob die Rampe schon da war, haben Sie die neu gebaut? Muck Petzet: Hier war es ganz wichtig, und schwierig, kein architektonisches Statement zu geben und sozusagen in der Haltung der Ausstellung zu bleiben, d.h. etwas zu machen, das wie schon immer dazugehörig aussieht. Schließlich wollen wir die Haltung propagieren, dass Alt und Neu einfach ein gemeinsames Ganzes bildet. Wenn ich ein noch so kleines Stück addiere, das nichts mit dem Bestand zu tun hat, dann entsteht sofort ein Dialog, den wir hier gar nicht wollen. Denn der Dialog an sich ist für uns uninteressant, interessant ist nur, was zusammen für neue Möglichkeiten entstehen.
Damit die Rampe so aussieht, als wäre sie schon immer da gewesen haben wir den typischen Boden genommen, den es hier in Venedig gibt, eine spezielle Beschichtung, die wir im Inneren auch auf den Hochwasserstegen wieder sehen. Für das Geländer haben wir das Detail der Brüstung des Bestands übernommen, also nicht bündig oder auf Gehrung, wie das viele Architekten machen um minimalistisch zu sein, sondern mit etwas Überstand.

Ein Pfeil aus recycleten Glühbirnen als Wegweiser

Ein Pfeil aus recycleten Glühbirnen als Wegweiser

Zum seitlichen Eingang führt eine unauffällig ergänzte Holzrampe

DETAIL: Die Innenräume wirken komplett verändert und viel großzügiger, obwohl Sie an der Architektur nichts verändert haben! Muck Petzet: Eigentlich ist es ja ein hervorragendes Ausstellungsgebäude, das wir nur durch den zentralen Eingang wenig wahrgenommen haben. Die Durchblicke sind ein Hauptcharakterzug des Gebäudes, was man aber in den seltensten Ausstellungen bisher bemerkt hat, weil es selten herausgearbeitet wurde. Bisher kamen die Besucher auf der Mittelachse ins Gebäude und starrten frontal auf die Apsis. In dem wir den Rundgang seitlich beginnen, eröffnen sich sofort diese diagonalen Durchblicke, durch die Dialoge zwischen den unterschiedlichen Bauten auf den Fotografien entstehen.

DETAIL:
Weshalb geht man auf gebrauchten Hochwasserstegen durch die Ausstellung? Muck Petzet: Die Stege sind sehr wichtig, um dieses Majestätische, Sakrale und Überhöhte herunterzudimmen. Sie tragen etwas ganz Alltägliches in die künstliche Welt der Ausstellung. Auf einigen kleben noch Kaugummis und man spürt, da sind schon tausende von Leuten drüber gelaufen. Vor allem aber ermöglicht die unterschiedliche Höhe einen Perspektivwechsel beim Betrachten der Bilder: man kann sie wie eine Aussichtsplattform sehen oder sich darauf setzen. Es soll ja ein Pavillon sein, wo man sich gerne aufhält, wo man willkommen ist. In den aufliegenden Zeitungen kann man zusätzliche Informationen nachlesen, muss aber nicht. Die Hochwasserstege passen natürlich auch von ihrer Proportion und Dimension her extrem gut in den Pavillon, weil sie mit ihren vier Metern Länge als Grundmodul sehr groß sind. 

Gebrauchte Hochwasserstege dienen unter anderem als Sitzbank und Auslage für Informationsmaterial.

DETAIL: Die Räume des Pavillions haben große Dimensionen, wie sind Sie damit umgegangen? Muck Petzet: Dieses Gebäude bedarf natürlich einer großmaßstäblichen Arbeit. Wir haben für jedes einzelne Foto nicht nur das Motiv, sondern auch das Format intensiv diskutiert. Die Größe der Schrifttafel, die dort hängt, wollten wir in unserem Büro in München überprüfen – aber es gab überhaupt keinen Platz zum Aufhängen – und so haben wir sie zum Fenster rausgehängt und wir waren zunächst der Meinung, sie sei viel zu groß. Ein ganz praktischer Vorteil der Schriftgröße ist, dass man von jeder Position aus den Text lesen kann.

DETAIL: Worin sehen Sie die besonderen Qualitäten des Gebäudes? Muck Petzet: Die größte Qualität dieses Bestandes, liegt in diesem Licht. Die Fotos sehen ja selbst bei Tageslicht fast so aus wie in einem Leuchtkasten.

Austellungsflächen im Innenraum; Blick auf den verschlossenen Haupteingang

Austellungsflächen im Innenraum

Ostflügel des Museums für Naturkunde, Berlin, Diener&Diener Architekten Basel/Berlin, 2008–2010

Kollegiengebäude I und II, Universität Stuttgart, Heinle,Wischer und Partner, Stuttgart, 2000–2009

Studentisches Wohnhochhaus in München, knerer und lang Architekten Dresden, 2010–2012

DETAIL: Weshalb haben Sie die Fotos direkt auf die bestehenden Wände tapeziert, und auch mit der Sockelleiste sind Sie etwas wenig respektvoll umgegangen?

Muck Petzet: Auch die Schrift ist direkt auf die Architektur aufgebracht, sie besteht nicht wie üblich aus Klebefolie, sondern ist direkt auf den Boden gemalt. Das ist ein ganz wichtiges Moment und eines von vielen Elementen, um die sonst zu kunstnahe Darstellung zu brechen. Erstens wollten wir dieses Brechen des Respektes, und zweitens stehen die Bilder direkt auf dem Fußboden, der alle Projekte miteinander verbindet. Der bestehende Fußboden ist also unsere Interpretation des Common Ground, den der diesjährige Direktor David Chipperfield als Thema für die gesamte Biennale vorgegeben hat. Indem wir die Fotos über die Sockelleisten hinwegtapeziert haben, hat man immer den Eindruck direkt ins Bild hineinlaufen zu können. Das verhindert das Objekthafte der Motive und sie wirken wie eine virtuelle Erweiterung der realen Architektur.
Wenn man dieses Bild des Kulturzentrums in Saint Nazaire von LIN Architectes betrachtet, sieht man wie die Ausstellung funktioniert: Der Besucher geht quasi in das Bild hinein. Im Vordergrund entspricht der Maßstab des Bildes der wahren Größe. Der Standort der Fotografin zeigt eine Situation, genau wie man sie vor Ort selber sehen würde.

Die Schrift ist direkt auf den Boden gemalt

Beschriftung auf den Platformen

Es ist nicht die typische gestylte Architekturfotografie. Die Art der Fotografie entspricht der Haltung, die in all diesen Projekten vorhanden ist. Die Architekten haben nicht etwa wie die Dekonstruktivisten plakativ eine Zäsur durch den Altbau gefräst, wie sensibel sie mit mit dem Bestand umgehen, das ist sensationell: Sie haben den ehemeligen Bunker aus dem zweiten Weltkrieg in Saint Nazaire erweitert, indem sie eine Radarkuppel des Flughafens Tempelhof, der ebenfalls aus den 1930er Jahren stammt, gerettet und hier wieder aufgebaut haben. So entsteht eine neue räumliche perfekte Zusammengehörigkeit einst zeitlich zusammengehöriger Elemente. Und darum geht es hier, die vorhandenen Qualitäten der Rohheit des Sichtbeton-Zweckbaus herauszuarbeiten und zu verstärken und gleichzeitig ein Zeichen der Veränderung nach Außen zu setzen.

Kulturzentrum Alvèole 14 Saint-Nazaire, LIN Architects Urbanists, Berlin, 2005–2007

Das ist vielleicht ein deutsches Phänomen, weil wir eben alles mit Recycling gleichsetzen, also der ganze Umgang mit Abfall ist bei uns Recycling, was eigentlich schon die schlechteste Methode der Abfallbehandlung ist. Wir haben genau dieses Thema mit einem Projekt gezeigt, das sogar nicht von Architekten stammt, es zeigt den Status Quo in Deutschland 2012: Was ist Recyclen im Bausektor? Fast 70% des Bauschutts wird mittlerweile recyclet, aber es handelt sich um radikalstes Downcycling – also Downcycling d.h. die Energie, die in diesen Gebäuden gespeichert war, und das sieht man auf dem Bild der Recyclinganlage deutlich. Man sieht auch die Haufen mit dem Schotter. Das ist das einzig wirtschaftlich bedeutende Recyclingsegment, was es im Bausektor gibt.

Kulturzentrum Alvèole 14 Saint-Nazaire, LIN Architects Urbanists, Berlin, 2005–2007

Eines der Ergebnisse unserer Untersuchungen ist auch etwas frustrierend: Beim Bauen macht Recycling relativ wenig Sinn, weil Gebäude so schwer sind, d.h. die Materialien sind so schwer zu manövrieren, es entstehen hohe Kosten durch den Energieverbrauch beim Transport, die die positiven Effekte ziemlich schnell zunichte machen. Bei der Verwendung von Plattenbauten als Straßenschotter wird Recycling an Grenzen stoßen, weil z.B. im Osten Deutschlands bald der Punkt erreicht sein wird, dass viel mehr abgebrochen wird als z.B. noch Straßen gebaut werden. Selbst bei diesem Schotter ist schon eine Amortisationsgrenze bei ungefähr 25 km erreicht, für weitere Entfernungen lohnt sich das Downcycling nicht. 

Gebäuderecycling, Status quo, Deutschland, Johann Ettengruber GmbH, Kirchheim bei München, 2012

DETAIL: Das Kulturzentrum im ehemaligen Bunker in Saint Nazaire haben Sie unter der Strategie der Umnutzung eingeteilt. Welche weiteren Strategien haben Sie noch gefunden? Muck Petzet: Eine unspektakuläre, aber wichtige Strategie beim Umgang mit dem Bestand, deren Bedeutung oft vernachlässigt wird, ist die Instandhaltung. Ein besonders vorbildliches Beispiel ist das Kollegiengebäude der Architekturfakultät der Universität Stuttgart aus den frühen 60er Jahren, weil hier sogar eine weitgehende, fast unsichtbare Renovierung stattgefunden hat. Die Architekten Heinle Wischer haben die Prinzipien von damals verinnerlicht viele Mitarbeiter im Büro haben dort studiert und das Gebäude geliebt. Sie haben es quasi nur gereinigt oder die ein oder andere Verglasung ausgetauscht, aber nach Möglichkeit jedes Fenster im Original gelassen. Die gesamte technische Ausstattung wie die Aufzüge wurde erneuert und trotzdem ist hier mit so viel Liebe zu Werke gegangen worden, dass man fast keine Änderungen sieht. Diese Haltung ist großartig.

Die Fotos werden von der Architektur gerahmt

DETAIL: Welche Erkenntnisse haben Sie selbst aus Ihrer Tätigkeit als Generalkommissar des Deutschen Pavillons mitgenommen? Muck Petzet: Es ist die Wahrnehmung, im Alltäglichen Qualität zu entdecken. Das Erstaunliche ist, wie gut die Vermittlung dieser Inhalte in der Ausstellung funktioniert. Ich sehe das am Feedback der Leute, die hier ohne jede Vorkenntnis hereinkommen, die vielleicht den Titel gelesen haben, aber keine Ahnung hatten, was genau das Thema ist. Dennoch können sie nach dem Ausstellungsbesuch sagen worum es hier geht.

DETAIL: Was sagen Sie Kritikern, die die Ausstellung räumlich und gestalterisch zwar sehr gelungen fanden, aber von den Inhalten nur wenig mitbekommen haben?

Muck Petzet: Es gibt dann natürlich noch weitere Informationsebenen, wenn man will, eine Zeitung, in der Interviews mit allen Beteiligten sind, die auch immer erst mal über das Projekt sprechen, um das weiter zu verstehen. Es gibt noch einen Katalog, wo z.B. klassisch Vorher-Nachher gezeigt wird, oder wo wir sogar extra Zeichnungen gemacht haben, die auch eine mögliche Verständnisebene sind, um Vorher und Nachher in einer Ebene zu sehen. Für eine Ausstellung auf der Architekturbiennale war uns eine solche Gegenüberstellung aber dann doch zu didaktisch.

DETAIL: Vielen Dank für das Gespräch

Antivilla, Krampnitz, Brandlhuber+Emde, Schneider, Berlin, 2012

Die Broschüre zur Austellung

Alle Fotos: Frank Kaltenbach 
DETAIL: Weshalb der Titel „Reduce, Reuse, Recycle“?

Muck Petzet: Da der Umgang mit bestehender Architektur teilweise wie ein Müllproblem behandelt wird, versuchen wir eine Außensicht, einen Perspektivenwechsel und haben uns diese Begriffe aus der Terminologie der Abfallvermeidung geborgt. Im Abfallvermeidungsdenken bedeutet die Abfall-Hierarchie „Reduce, Reuse, Recycle“, dass es ganz klar das Beste ist, nichts zu tun, und gar keinen Änderungsbedarf zu haben, die Zweitbeste Lösung besteht darin die Gegenstände unverändert wiederzuverwenden und erst dann folgt das Recycling. Also das, worauf wir Deutschen so stolz sind, dass wir Recycling-Weltmeister sind, ist eigentlich schon die schlechteste der drei Optionen.

DETAIL:
Liegt in dem Ansatz nicht eine gewisse Provokation, schließlich werden Architekten ja meistens dafür beauftragt möglichst viel zu verändern und je weniger sie verändern umso weniger verdienen sie?

Muck Petzet:
Diese Betonung der Vermeidung ist in der Architektur natürlich nicht bei jedem Projekt 1:1 umsetzbar. Natürlich geht es auch um Angemessenheit. Es gibt verschiedene Formen von Energie, die unter Umständen sehr wohl rechtfertigen, bei einer Bauaufgabe sehr viel zu machen: historische Energie, soziale Energie, gestalterische Energie. Uns aber hat interessiert zu schauen, wie unsere Umwelt aussehen würde, wenn Vermeidung das Wichtigste wäre. Welche Umbaustrategien wären dann an erster Stelle?  Wir haben 11 verschiedene Umbaustrategien gefunden, die wir anhand von 16 Beispielen im Pavillon illustrieren. DETAIL: Schränkt diese Forderung nach Verzicht nicht die gestalterischen Freiheiten der Architekten zu sehr ein? Muck Petzet: Seit Anfang der Moderne, macht der Architekt erst einmal Tabula rasa, und setzt dann seine neuen Gebäude aufs Grundstück. Mit diesem falschen Bild im Kopf leben wir noch. Den Architekten muss wieder bewusst werden, dass in jedem Bestandsbau schon Energien da sind, und es darum geht sie aufzunehmen. In gewissen Punkten muss sich ein Architekt auch mit einem Vorgängerwerk identifizieren, um damit auch wieder sehr frei arbeiten zu können. DETAIL: Wie haben Sie diese Gedanken gemeinsam mit Ihrer Partnerin der Fotografin Erica Overmeer und Konstantin Grcic in ein Ausstellungskonzept umgesetzt? Muck Petzet: Eine reine Fotokunstausstellung wollten wir explizit nicht. Die Fotos dienen alle einer Vermittlung, einer Idee oder dem Projekt. Wir haben uns immer direkt an die Architektur gehalten, also auch keine künstlerischen Elemente eingefügt. Ich wusste, wenn Erika die Bauten fotografiert, bekomme ich ein Ergebnis, das ich nicht erwartet hätte, ich hätte ihr auch nicht sagen können, fotografiere das so oder so. Dennoch haben die Aufnahmen die Qualität dieses Blickes, den wir hier zeigen wollen, den ich aber selber nie so hätte fotografieren können. Es ist sehr wichtig, dass diese Projekte miteinander kommunizieren. Das tun sie dadurch, dass sie mit dem gleichen fotografischen Blick gesehen werden und dadurch dass die Haltung ähnlich ist.
Wir wollten auch keine Ausstellungsarchitektur und kein Design. Ich habe schon öfters mit Konstantin Grcic zusammengearbeitet, und wir konnten uns daher aufeinander verlassen, als er zu mir sagte, nein, ich mache hier nichts rein, ich stell mich in den Dienst der Sache. Er hat überhaupt kein Ego-Problem und die wenigen Möbel oder Einbauten, die wir verwenden sind alles gebrauchte Gegenstände aus Venedig.

Der Haupteingang bleibt verschlossen

Die Vorhalle wird zum ersten Ausstellungsraum

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