16.03.2021 Jakob Schoof

Digitales auf Papier: Zwei Lesetipps zu BIM, CAD und Skripting

Foto: Jakob Schoof

Atlas of Digital Architecture
Bevor heute irgendetwas physisch Form annimmt, entsteht es zunächst als digitaler Datensatz. Dieser Trend hat längst auch die Architektur erfasst. Orientierung in der zunehmend digitalisierten Welt des Planens und Bauens wollen nun die Herausgeber des Atlas of Digital Architecture schaffen. Das mehr als 700-seitige Mammutwerk entstammt einer ungewöhnlichen Kooperation: 24 Professoren und Dozenten aus dem deutschsprachigen Raum haben ihr Wissen beigesteuert, der britische Schriftsteller Sebastian Michael hat am Ende alles zusammengeschrieben.
Herausgekommen ist ein über weite Strecken gut zu lesendes, aber teils etwas langatmiges Buch, dessen Anspruch eher in der Grundlagenvermittlung als im Praxisbezug liegt. Zwar lässt der Atlas zwischen 3D-Modellierung, Augmented Reality, Scripting, BIM und digitalen Fertigungsmethoden kein relevantes Thema aus. Insgesamt ähnelt er jedoch eher einem gedruckten Informatik-Grundkurs mit eingestreuten philosophischen Exkursen als einem Handbuch für den Architektenalltag. Man erfährt darin mehr über Rechnerarchitekturen, Programmierparadigmen und die Basics der Typografie als über die konkrete Umsetzung digitaler Planungsprozesse im Architekturbüro. Wer Zusammenhänge grundsätzlicher Natur verstehen will und das Stehvermögen für die Lektüre aufbringt, ist mit dem Atlas daher gut bedient – Praktiker auf der Suche nach einem Nachschlagewerk dagegen weniger.

Atlas of Digital Architecture. Ludger Hovestadt, Urs Hirschberg, Oliver Fritz (Hg.) Birkhäuser Verlag, Basel 2020, 760 Seiten, Text Englisch


Die Architekturmaschine
Es war überfällig, dass sich die Architekturgeschichte dem Werkzeug zuwendet, das unsere Gesellschaft seit Mitte des 20. Jahrhunderts prägt wie kein anders – dem Computer. Mit dem Ausstellungskatalog „Die Architekturmaschine“ hat das Architekturmuseum der Technischen Universität München nun einen Anfang gemacht. Seinen Schwerpunkt legt das Buch vor allem auf die frühe Computer-Ära von Ende der 50er- bis Anfang der 80er-Jahre. Es ist faszinierend, was Kuratorin Teresa Fankhänel und ihr Team aus den Archiven zutage gefördert haben, und wie früh Anwendungen, die noch Jahrzehnte später als innovativ galten – von CAD über gerenderte Animationen bis zur parametrischen Entwurfsgenerierung – bereits von Pionieren in Hochschulen und Architekturbüros erprobt wurden. Selbst die Befürchtungen und Versprechen zum Thema Computer – der Verlust an Kreativität, Maßstabsgefühl und Haptik einerseits, Arbeitserleichterung, bessere Kommunikation und Fehlervermeidung andererseits – waren vor 60 Jahren schon weitgehend die gleichen wie heute.
Leider behandelt der Katalog die aktuelle Entwicklung, aber auch den Digital-Hype um 2000, bei weitem nicht mit der gleichen Gründlichkeit. Überdies hätte so manchem Essay im Buch etwas weniger Theorie und mehr Anwenderwissen gut zu Gesicht gestanden. Und viele, gerade interaktive Exponate, lassen sich auf bedrucktem Papier naturgemäß nur unbefriedigend wiedergeben. Letzteres ist beim Medium Buch unvermeidlich – die beiden erstgenannten Lücken werden andere Veröffentlichungen hoffentlich bald schließen.

Die Architekturmaschine. Teresa Fankhänel, Andres Lepik (Hg.) Birkhäuser Verlag, Basel 2020, 248 Seiten, Text deutsch (englische Ausgabe: The Architecture Machine, Birkhäuser Verlag, Basel 2020)

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