24.07.2014 Insa Thiel

The Good Cause: Architecture of Peace - Divided Cities

Im Ort der jährlich stattfindenden Sicherheitskonferenz zeigt nach der Vorgängerausstellung »Afritecture: Bauen mit der Gemeinschaft« nun die Wanderausstellung »The Good Cause - Architecture of Peace - Divided Cities«, noch bis zum 19. Oktober 2014 einen weiteren Aspekt der Verantwortung von Architektur. Stabilisierende und friedenserhaltende Maßnahmen in Post-Konflikt-Zonen stehen dabei mithilfe äußerst vielfältiger Beispiele im Mittelpunkt. Schon seit 2013 hat sich das Architekturmuseum in der Pinakothek der Moderne zur Aufgabe gemacht, die gesellschaftliche Relevanz von Architektur in einer Reihe von Ausstellungen zu hinterfragen.

Ort: Architekturmuseum der TUM, Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, 80333 München
Dauer: 17. Juli – 19. Oktober 2014

Foto: Insa Thiel

»Wir können nicht hoffen, verschont zu bleiben von den Konflikten der Welt. Aber wenn wir uns an deren Lösung beteiligen, können wir die Zukunft zumindest mitgestalten.«
(Bundespräsident Joachim Gauck)

Doch welche Rolle nehmen dabei Architekten und Planer in Krisen- oder Kriegsgebieten ein?

Eine Frage mit der sich schon seit Jahren ein Netzwerk von Architekten, Stadtplanern und Wissenschaftlern der Plattform »Archis Interventions« beschäftigt und in Kriegsgebieten auf Post-Konflikt-Situationen nicht nur reagiert, sondern auch friedenssichernde Maßnahmen entwickelt, um diese Städte beim Wiederaufbau aktiv zu unterstützen. Die Mitglieder der Plattform und Kuratoren der Ausstellung Lilet Breddels, Arjen Oosertman und Kai Vöckler möchten ihre Ausstellung als Forschungsprojekt verstanden wissen, das den Beitrag der Architektur an friedenserhaltenden und rekonstruktiven Missionen untersucht und darstellt, aber auch etwas anwirbt: Architekten und Planer sind verantwortlich für räumliche, soziale, kulturelle, aber auch politische Entwicklungen und können über den bloßen Wiederaufbau von Infrastrukturen und Gebäuden hinaus zur langfristigen Friedenssicherung beitragen.

Foto: Insa Thiel

Die Ausstellung teilt sich in zwei Bereiche und wird durch eine betretbare blaue »Info-Wand« zoniert. Im vorderen Bereich des Architekturmuseums zeigt »Architecture of Peace« anhand diverser Beispiele wie architektonische Interventionen aussehen und welche Kriterien dabei eine übergreifende Rolle spielen. Der zweite Teil im hinteren Bereich stellt das Thema »Divided Cities«, geteilte Städte in Europa in den Fokus. Gezeigt werden unterschiedlich Ansätze von Planungsstrategien in Städten wie Belfast (Nordirland) und Nikosia (Zypern), die auf die Überwindung der Teilung zielen, aber auch Modelle für gemeinschaftlich genutzte Räume für alle Betroffenen in Mostar (Bosnien-Herzegowina) und Mitrovica (Kosovo). In beiden Fällen wird den Besuchern durch eindrucksvolle reale Beispiele Einblick in unterschiedlichste Projekte geboten.

Betritt man die Ausstellung fällt der erste Blick auf eine Abfolge von Bildern auf einer eingestellten Wand. Begriffe wie Safety, Order, Engagement und Friend erscheinen und rufen unmittelbar ganz individuelle Fragen bei jedem Besucher auf: Was bedeuten diese Begriffe für jeden einzelnen und vor allem was bedeuten sie in Situationen des Krieges? Bereits hier sollen die Besucher gegenüber der Thematik sensibilisiert und hellhörig gemacht werden.

Geht man weiter, bilden plakativ rote Wände, auf denen die Hauptfakten über das aktuelle Kriegsgeschehen dargestellt sind, den »Rahmen« der Ausstellung und lassen eine Art Rundgang der Eckdaten als Fundament für die aufgeführten Beispiele entstehen. Die übergroßen Karten wirken nicht nur durch die rote Farbwahl dramatisch, sondern vor allem durch ihre Inhalte. Dargestellt werden zum Beispiel Kriege weltweit nach 1945 und friedenssichernde Missionen, die seit dem 2.Weltkrieg ins Leben gerufen worden sind. Es wird deutlich, dass Kriege kein Zustand der Vergangenheit sind.

Kriege weltweit seit 1945, Foto: Peter Popp

Foto: Insa Thiel

Ein, den gesamten Raum in seiner Länge ausfüllendendes, hölzernes blaues Möbel bildet das Herzstück der Ausstellung. Hier werden anhand acht unterschiedlicher Projekte Erfolgsbeispiele in Post-Konflikt-Gebieten im wahrsten Sinne zugänglich gemacht. Dabei zeigen Beispiele aus Afghanistan, dem Kosovo oder Israel und Palästina, wie ein Wiederaufbau aussehen kann und welche »Erfolgsbedingungen« dabei besondere Relevanz haben. Anhand von einheitlich gestalteten Tischtafeln lässt sich ablesen, welche Bedingungen bei welchem Projekt mehr oder weniger zutrafen. Diese Regeln sind dabei laut Kuratoren zwar kein Garant für das Gelingen, deren überwiegendes Einhalten aber in jedem Fall ein Schutz vor dem Scheitern. Monitore, Broschüren und Audioinformationen sollen Besucher informieren und ausführliche Einblicke in jedes einzelne Projekt geben.

Während ROT für Fakten und Hintergrundwissen steht, markiert BLAU reale Beispielprojekte. Foto: Insa Thiel

Foto: Peter Popp

Ein Beispielprojekt ist die Restaurierung eines Parks und seiner Denkmäler in Kabul, Afghanistan. Der ehemalige Palastgarten stellt durch seinen Symbolwert einen wichtigen Platz für das Volk dar und dient als gefahrloser öffentlicher Raum für Männer, Frauen und Familien. Die Organisation AKTC - Aga Khan Trust for Culture übernahm die Restaurierung vor ungefähr 14 Jahren und initiierte, finanzierte und koordinierte das Projekt, während die Gestaltung und die Instandhaltung in den Händen der Bürger lag. So entstanden nicht nur Arbeitsplätze und soziales Engagement bei allen Beteiligten, sondern auch ein sozialer öffentlicher Platz in einer problematischen Stadt wie Kabul.

Queen’s Palace (Palast der Königin), Bagh-e Babur, Gartenanlage, Kabul, Wiederherstellung und Nutzung als Freilichttheater, © Aga Khan Trust for Culture

Allen Projekten der Ausstellung ist gemeinsam, dass Menschen, vor allem in Konfliktgebieten, Raum zum Leben brauchen und Architektur der Initiator ist, der dies ermöglichen kann. Häufig sind es Ingenieure oder das Militär, die in diesen Gebieten schneller vor Ort sind, obwohl Architekten, als raumplanende Instanzen zunehmend eine mindestens genauso aktive Rolle in friedenserhaltenden Prozessen übernehmen können.

Die Ausstellung versucht nicht nur einen Überblick darüber zu geben, was in Post-Konflikt-Situationen mittels friedenserhaltender Missionen bisher erreicht wurde, sondern durch die Wahl so unterschiedlicher Projekte vor allem zu veranschaulichen, wie unterschiedlich Architekten und Planer reagieren können. In Anbetracht der schockierenden Fakten, die den »roten Rahmen« der Ausstellung bilden, scheinen die Projekte lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Doch geht man zurück zu der anfänglichen Frage nach der Rolle von Architekten und Planern in Krisengebieten geht es wohl eher darum zu zeigen, wie vielfältig Unterstützung außerhalb des klassischen Alltagsgeschäfts und jenseits der gerne publizierten »Luxusarchitektur« aussehen kann.

Auch Deutschland ist nach wie vor wirtschaftlich und politisch deutlich tiefer in die Vorbereitung bewaffneter Konflikte verwickelt als man denkt. Nicht verwunderlich ist also, dass die Ausstellung zum Nachdenken anregt und wahrscheinlich mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Es scheint um weitaus mehr zu gehen, nämlich um das Bewusstwerden der Verantwortung und der ständig fortsetzbaren Frage nach der politischen und gesellschaftlichen Bedeutung von Architektur. »Architektur des Friedens« - „Architecture of Peace“ wird sich als fortlaufendes Forschungsprojekt weiter verändern und erweitern. Während die Kernausstellung die gleiche bleibt, können wir also gespannt sein, welchen Fragen wir uns als nächstes stellen müssen.  

Die Ausstellung ist noch bis zum 19. Oktober 2014 im Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne zu sehen.

Eröffnung: Mittwoch, 16.7.2014, 19 Uhr
Laufzeit: Donnerstag, 17. Juli - Sonntag, 19. Oktober 2014
Kuratorinnen/Kuratoren: Lilet Breddels, Arjen Oosterman, Kai Vöckler, Anne Schmidt
Veranstalter: Architekturmuseum der TU München in der Pinakothek der Moderne
Öffnungszeiten: Di – So, 10 bis 18 Uhr, Do 10 bis 20 Uhr
Eintritt: 10 €, ermäßigt 7 €, So: 1 €, „Allianz Tag“ - Mi: Eintritt frei

weitere Informationen:

www.architekturmuseum.de
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