05.12.2022

Transparente Gebäudehüllen nachhaltig planen

© Bollinger + Grohmann Ingenieure

Lorem Ipsum: Zwischenüberschrift

Energieeffizienz und eine kreislaufgerechte Fassadenplanung standen beim diesjährigen Architektentag der Verbände Fenster und Fassade (VFF), BF Bundesverband Flachglas, ift Rosenheim, Rewindo Fenster-Recycling-Service und des A|U|F Aluminium Wertstoffkreislauf im Mittelpunkt der Diskussionen. Der Themenbogen der sechs Vorträge und der anschließenden Podiumsdiskussion reichte von den Bemühungen der Fenster- und Fassadenbranche um mehr Recycling bis zu wegweisenden Architekturprojekten aus Deutschland und der Schweiz. Inhaltlich hatten die Veranstalter damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Denn stark steigende Energie- und Rohstoffpreise haben der Energieeffizienz und dem Recycling beim Bauen 2022 einen spürbaren Schub verliehen.

© Daisuke Hirabayashi

Gläsern, aber nicht transparent

Gleich im Auftaktvortrag zeigte Sven Kowalewsky, Partner im Büro Jessenvollenweider aus Basel, dass die energieeffizienten Fassaden der Zukunft womöglich eine ganz andere Ästhetik mitbringen werden als bisherige Gebäudehüllen. Das Amt für Umwelt und Energie in Basel etwa hüllt sich in eine flächendeckende Glashülle aus großen Closed-Cavity-Fenstern und rund 1100 m² Photovoltaikmodulen. Letztere erhielten durch auflaminierte Schmelzglasscheiben eine raue, mattglänzende Optik, mit der sie sich gut zwischen die mineralischen Fassaden der Nachbargebäude am Rande der Basler Altstadt einfügen. Ein Ausnahmeprojekt natürlich, sagt Sven Kowalewsky, das nicht unerheblichen planerischen und finanziellen Mehraufwand mit sich brachte. Aber eben auch ein Gebäude, das Zeichen setzt – und das nicht nur, weil es den Schweizer Plusenergiestandard Minergie-A-ECO erfüllt. Auch die Closed-Cavity-Fenster boten an der stark befahrenen Straße mit viel Verkehrslärm große Vorteile, so der Architekt.

Viel Recycling, aber auch viel Schwund

Im zweiten Vortragsblock gaben Walter Lonsinger vom A|U|F, Jochen Grönegräs vom Bundesverband Flachglas und Frank Lange vom VFF einen Überblick über die Recycling-Initiativen in der Fenster- und Fassadenbranche. Fazit: Die Fortschritte sind spürbar, die Potenziale groß und die Hindernisse beim Recycling ebenso. Beispiel Flachglas: Gut 500 000 Tonnen Glasscherben aus Gebäuden fallen derzeit jährlich in der Branche an. Etwa 96% davon werden recycelt, allerdings gehen nur 19% zurück in die Floatglasherstellung. Der Löwenanteil wird stattdessen zu Behälterglas oder Glaswolle weiterverarbeitet. Herausforderungen lauern überall: das Sammelgut ist oft verunreinigt, Fensterglas wird oft nicht getrennt gesammelt und vor allem fallen bei weitem zu wenig Scherben an, um den Neubaubedarf damit zu decken.

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88% Recyclingquote bei Kunststoffrahmen

Letzteres ist auch beim Recycling von Aluminiumprofilen der Fall – wobei hier dazukommt, dass der Branche viel Altmaterial auf zwei Wegen verlorengeht: zum einen ins außereuropäische Ausland und zum anderen in fachfremde Bereiche wie den Motorenbau. In Sachen Klimaschutz ist Alu-Recycling jedenfalls ein Selbstläufer: Sowohl bei der Herstellungsenergie als auch bei den CO2-Emissionen fällt seine Bilanz um rund 95% besser aus als wenn Primäraluminium aus Bauxit hergestellt wird. Gleichwohl dringt Walter Lonsinger Bauherren und Planer, Altmetall aus ihren Um-Baustellen den Partnerunternehmen des A|U|F zu überantworten und diese Anforderung auch in den Leistungsverzeichnissen festzuschreiben. Nur so lasse sich gewährleisten, dass aus alten wieder neue Fenster- und Fassadenprofile werden.

© Daisuke Hirabayashi
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88% Recyclingquote bei Kunststoffrahmen

Vergleichsweise gut stehen die Dinge beim Kunststoffrecycling in der Fensterbranche. Und das ist ein gutes Zeichen, denn Kunststoff- und Kunststoff/Aluminium-Rahmen besitzen in Deutschland noch immer einen Marktanteil von rund 70%. Stellvertretend für die Recycling-Initiative rewindo stellte VFF-Geschäftsführer Frank Lange die Situation vor: Etwa 42 000 t Recyclingmaterial wurden 2021 aus Produktionsabfällen und alten Fenstern gewonnen, das entspricht 2 Millionen Fenstereinheiten. Laut Franke beträgt die Recyclingquote in der Kunststoff-Fensterbranche damit rund 88%.

© Hans G. Schmidt-Domogalla

Für eine differenzierte Betrachtungsweise

Ein Passivhausfenster, das auf diese Weise erzeugt wurde, hat auch Hans G. Schmidt-Domogalla in dem Projekt verwendet, das er beim VFF-Architektentag vorstellte. Für eine Baugenossenschaft im westfälischen Warendorf haben der Architekt und sein Büro eine Wohnanlage mit 33 Wohnungen im Energiestandard Effizienzhaus 40 plus geplant. Eng begleitet wurden sie dabei von den späteren Bewohnern. Der partizipative Prozess resultierte nicht nur in einer energieeffizienten Bauweise, sondern auch in zahlreichen Gemeinschaftsräumen und Begegnungszonen im Quartier. Andere Gewerke erwiesen sich dabei als weniger innovativ als die Fassadenbranche: Der Stahlbeton der Massivbauten hat zwar 20% Recyclinganteil. Laut Norm wären 45% ohne weiteres möglich, doch das überstieg den Wagemut des Rohbauunternehmens.

© Hans G. Schmidt-Domogalla
© Bollinger + Grohmann Ingenieure
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Für eine differenzierte Betrachtungsweise

Wie nachhaltig können transparente Fassaden sein? Zu dieser Frage stellte Daniel Pfanner vom Ingenieurbüro Bollinger + Grohmann in seinem Vortrag einige grundsätzliche Überlegungen an. Eindringlich wandte er sich darin gegen Planungsentscheidungen „aus dem Bauch heraus“. Weder eine einseitige Optimierung von U-Werten – die oft in geringen Fensteranteilen resultiert – noch Pauschalbehauptungen wie „Holzbau ist gut“ würden der Sache gerecht, so Pfanner. Er plädierte stattdessen für eine zahlen- und faktengestützte Planung, die sich moderner Simulationsprogramme bedient und unterschiedliche Planungsparameter gegeneinander abwägt.

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Für eine differenzierte Betrachtungsweise

Zwei sehr unterschiedliche Sanierungsprojekte betrachtete Daniel Pfanner in seinem Vortrag näher: zum einen die denkmalgerechte Fassadensanierung an Paul Schneider Eslebens Commerzbank-Zentrale von 1962 in Düsseldorf, die unter Regie von HPP Architekten zum Hotel umgebaut wurde. Und zum anderen das ehemalige Centrum-Warenhaus am Berliner Ostbahnhof, das Jasper Architekten und Gewers Pudewill radikal zur Firmenzentrale des Versandhändlers Zalando transformiert haben. Ging es hier vor allem darum, mit großen Glasflächen Licht ins Innere des 80 x 80 m großen Gebäudes zu holen, waren die Anforderungen bei dem Düsseldorfer Projekt etwas differenzierter: Die Aluminium-Elementfassade – damals eine der ersten in Deutschland – wurde zwar durch eine neue ersetzt, die alten und schon leicht verwitterten Deckbleche blieben dabei jedoch erhalten. Und im Gegensatz zu früher lassen sich die Fenster nun mithilfe eines Scheren-Ausstellmechanismus öffnen.

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Für mehr Transparenz und Vergleichbarkeit

In der abschließenden Podiumsdiskussion sprachen Daniel Pfanner, Sven Kowalewsky und der Leiter des ift in Rosenheim, Jörn-Peter Lass, über Recycling und Ressourceneffizienz bei Fassaden sowie die entsprechenden Berechnungs- und Bilanzierungsmethoden. Einigkeit herrschte darüber, dass der ganzheitlichen Ökobilanzierung von Gebäuden die Zukunft gehört. Die Diskutanten bemängelten jedoch, dass es noch immer keine verbindlich vorgegebenen Bilanzierungsmethoden gibt und die Ergebnisse unterschiedlicher Zertifizierungssysteme kaum miteinander vergleichbar sind. Der Satz „Man kann alles irgendwie hinrechnen“ aus der Diskussion ist bezeichnend für die Situation in der Baubranche: Fast alles wird auf die eine oder andere Weise als nachhaltig vermarktet, an Transparenz mangelt es aber oft. Zumindest für den Bereich der Fenster und Fassaden konnte der VFF-Architektentag hier etwas mehr Klarheit schaffen und es bleibt zu hoffen, dass das Format auch 2023 seine Fortsetzung finden wird.


Veranstalter:
A|U|F
BF Bundesverband Flachglas
ift Rosenheim
rewindo
VFF Verband Fenster + Fassade


AAA: A

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