18.06.2015 David Heilinger

Fragile Literatur: »Migrating Books« von Kawahara Krause

Das Hamburger Architekturbüro Kawahara Krause nimmt sich in einer Installation für die Akademie der Künste in Berlin dem schwierigen Thema der jüdischen Literatur während des Nationalsozialismus in Deutschland und seiner Entwicklung nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs an. Das Konzept der Ausstellung wirkt dieser Schwere der Geschichte durch eine filigrane und transparente Struktur entgegen, in der die Bücher beinahe fliegen lernen.

Architekten:
Kawahara Krause Architects, Hamburg
Ort: Akademie der Künste Berlin, Halle 3, Hanseatenweg 10, Berlin

Foto: Kawahara Krause Architects

Im Rahmen der Ausstellung AGORA ARTES in der Akademie der Künste in Berlin verweist die Installation »Migrating Books« von Kawahara Krause Architects auf die schwierige Situation jüdischer Literatur während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland bis hin zur Bücherübersetzung heutiger Zeit.
Grausamer Höhepunkt der Zensurpolitik des damaligen Propagandaministers Joseph Goebbels war die Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 auf dem Berliner Opernplatz (heute: Bebelplatz). Insgesamt 20.000 Werke, die als »nicht deutsch« angesehen wurden, fielen einem riesigen Flammenmeer zum Opfer. Heute erinnert an derselben Stelle Micha Ullmanns Mahnmal »Bibliothek« an die Geschehnisse vor 82 Jahren. Eine quadratische Glasplatte im Pflaster des Platzes zeigt einen von leeren Bücherregalen gesäumten Raum, der mit den vernichteten Büchern wieder aufgefüllt werden könnte.

Grundriss, Grafik: Kawahara Krause Architects

Ansicht, Grafik: Kawahara Krause Architects

Axonometrie, Grafik: Kawahara Krause Architects

Die architektonisch-literarische Installation des Hamburger Büros ist auf jene Bücher ausgerichtet, die seit der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland vor 50 Jahren die Grenzen beider Länder überwunden haben und somit eine neue kulturelle Verbundenheit schufen. Durch die Übersetzung vom Deutschen ins Hebräische und umgekehrt werden die Erzählungen Teil einer anderen Gesellschaft und tragen dadurch zur Verbindung zwischen zwei Völkern bei.

Foto: Kawahara Krause Architects

Ullmanns Mahnmal »Bibliothek« wurde umgesetzt als eine in Dreiecksform sich ausdehnende, fast transparente Struktur, in der ausgewählte »migrierende« Bücher aus fünf Jahrzehnten des Übersetzens regelrecht zu schweben scheinen. Der Besucher sucht sich seinen eigenen Weg durch die filigranen Regale und erfährt je nach Blickpunkt ein klares, rationales Raster oder aber eine wolkige Masse. Der scheinbare Wechsel von einer Zwei- zu einer Dreidimensionalität lässt die Installation zwischen Einfachheit und Komplexität wandeln.

Foto: Kawahara Krause Architects

Konstruktiv besteht »Migrating Books« aus alltagstauglichen durchsichtigen Strohhalmen, die durch Steckverbindungsknoten aus Acrylglas in ihre räumliche Struktur gebracht werden. So entsteht ein leichtes, transparentes Netz, das den Büchern halt gibt, jedoch die Tiefe eines offenen und fließenden Raumes vermittelt. Je nach Ansicht ändert sich die dreidimensionale Anordung der Bücher.

Fotos: Kawahara Krause Architects

Zu einem späteren Zeitpunkt wird »Migrating Books« in einer Ausstellung in Israel eine Auswahl von Büchern zeigen, die in den letzten 50 Jahren aus dem Deutschen ins Hebräische übersetzt wurden.

Homepage Kawahara Krause Architects
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