17.04.2013 Peter Popp

Sorgfältiges Sanierungskonzept: BlueBox in Bochum

Die Grundstruktur des zweigeschossigen Baukörpers ist bis heute unverändert: Außenliegende Stahlstützen auf einem quadratischen Achsraster von fünf Metern tragen eines der ersten Mero-Raumfachwerke der deutschen Nachkriegszeit. An sechs Punkten in Feldmitte unterstützt überspannt es mit einer Konstruktionshöhe von 1,75 m das gesamte Obergeschoss. Dessen Bodenplatte ist eine vorgefertigte Stahlbeton-Kassettenkonstruktion, die im Erdgeschoss durch ein Stützenfeld getragen wird. Im Randbereich, wo die Erdgeschossfassade zurückgesetzt ist, liegt die Decke auf Konsolen der umlaufenden Stahlstützen auf. Ein Kern teilt das Volumen auf beiden Geschossen in zwei deutlich unterschiedlich große Bereiche.

Foto: Gesamtansicht, 1962

Grafik: Originalgrundrisse, 1965: EG (links), OG (rechts)

Nur ein geschultes Auge erkennt an der »Blue Box« der Hochschule Bochum Hinweise auf die umfassende Sanierung des Gebäudes. 1965 hatte Bruno Lambart den Stahlbau in der klaren Sprache der späten Moderne als provisorische Mensa errichtet. Ab 1971 wurde das Gebäude durch die Universitätsbibliothek genutzt und schließlich zur Speicherbibliothek »abgewertet«, die großformatige Verglasung durch blau lackierte Paneele geschlossen. Ausgerechnet jener Zeit mangelnder Wertschätzung verdankt das Gebäude bis heute seinen Namen. Erst Anfang der 1990er-Jahre wurde der stark verwahrloste Bau durch den neu berufenen Professor Wolfgang Krenz abschnittsweise zum »Lerncenter« für die Architekturfakultät reaktiviert. 2009 schließlich war die Finanzierung für eine grundlegende Modernisierung gesichert, in deren Verlauf ein großzügiges, zeitgemäßes Lehr- und Lerngebäude entstanden ist. Architekten:
Bruno Lambart, Ratingen (Neubau 1965)
Archwerk Generalplaner AG, Wolfgang Krenz, Bochum (Sanierung 2011)
Standort: Lennershofstraße 140, 44801 Bochum

Blick in den neuen Mehrzwecksaal, Foto: Jens Kirchner

Die Gebäudehülle war 2009 in einem derart maroden Zustand, dass Dach und Fassade komplett ausgetauscht werden mussten. Um der EnEv 2009 gerecht zu werden, war ein höherer Dachaufbau notwendig, dessen Abschluss unauffällig hinter die ursprüng­liche Attika zurückgesetzt ist. Die größere Dachlast und ein erneuter Tragfähigkeitsnachweis machten eine statische Ertüchtigung des Mero-Tragwerks notwendig. Etwa 200 Stäbe, die ursprünglich nicht benötigt worden waren, wurden ergänzt, einige Stäbe verstärkt.

Das Gebäude unmittelbar vor der Sanierung.

Fotos: Archwerk Generalplaner

Abtragen der alten Dachdeckung.
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Austausch/Ergänzung einzelner Stäbe des Raumfachwerkes.

Probestück des neuen Anschlusses der Fassade an das Raumtragwerk.

Einbau der Stahlstützen für die Glasabtrennung des Computerpools.

Anders als im Originalzustand wird das Gebäude über die früheren seitlichen Nebeneingänge erschlossen. Der Haupteingang zum westlichen Vorplatz und vier wuchtige Stahlbetontreppen in Gebäudemitte wurden abgerissen. So hat der beeindruckende ehemalige Speisesaal im Obergeschoss nochmals an Fläche gewonnen und steht nun für flexible Nutzungen zur Verfügung.

Grafik: Grundriss Erdgeschoss, 2011

Grafik: Schnitt und Grundriss 1. Obergeschoss, 2011

Eine ausführliche Print-Dokumentation zum Projekt lesen Sie in unserer aktuellen Ausgabe DETAIL 2013/4 zum Thema »Sanierung«.
Heute, fast 50 Jahre nach der Fertigstellung, weckt der Blick auf das in der Abenddämmerung hell erleutete Gebäude Assoziationen an die berühmte 1956 eröffnete Crown Hall am IIT. Das mag sicher auch an der neuen Nutzung liegen – Architekturstudenten arbeiten in Chicago wie in Bochum, damals wie heute, bis spät in die Nacht. Vor allem aber wurden hier durch ein sorgfältiges Sanierungskonzept viele einzelne Details in der vorgefundenen Architektursprache ins Heute übersetzt. So konnte ein fast schon verlorenes Musterbeispiel der Moderne für die Zukunft nutzbar gemacht werden.

Foto: Jens Kirchner

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