23.07.2012 Florian Maier

Behutsam wiederbelebt - 21er Haus in Wien

Der ursprünglich von Karl Schwanzer konzipierte Pavillon wurde durch seinen Schüler Adolf Krischanitz saniert und erweitert. Nach zehn Jahren Leerstand dient das Gebäude nun wieder als Museum und Ausstellungsraum.

Architekt: Adolf Krischanitz, Wien
Standort: Arsenalstraße 1, A-1030 Wien

Foto: Michael Rausch-Schott

Das Gebäude musste für die Wiederbelebung nicht nur erweitert, sondern auch bauphysikalisch sowie brandschutztechnisch und energetisch an heutige Anforderungen angepasst werden. Um die Präsenz des Gebäudes städtebaulich hervorzuheben, hat Adolf Krischanitz das Untergeschoss freigelegt und dem Komplex einen sechsgeschossigen Turm beigestellt, der weithin als Signal wirkt.

Das Obergeschoss des offenen Museumsbaus bleibt als Ausstellungsfläche unterschiedlich bespielbar. Die Wechselausstellungsflächen im Erdgeschoss zeichnen sich vor allem durch das Raumerlebnis der monumentalen Mittelhalle und die Sicht auf den Schweizer Garten aus. Im Untergeschoss befinden sich die Bestände der Fritz Wotruba Privatstiftung sowie ein Café-Restaurant mit Gastgarten, ein Skulpturenpark, Garderoben, ein Kinderatelier, Depotflächen und die haustechnischen Anlagen.

Die neue Stahl-Glasfassade des 21er Hauses gleicht in Form und Gliederung der ursprünglichen Fassade. Für deren besondere Wirkung war im Bestand der 60er Jahre unter anderem opakes Glas des Herstellers OKALUX im ersten Obergeschoss verantwortlich. Bestehend aus zweifachem Kathedralglas mit einem Vlies und einer dazwischen liegenden Kapillareinlage sorgte es nicht nur für die gleichmäßige Streuung des Lichts, sondern erzeugte auch eine einzigartige Atmosphäre. Krischanitz zielte darauf ab, eine identische Lichtwirkung wie früher zu erzielen, dabei aber heutige bauphysikalische Anforderungen zu erfüllen. Die dazu verwendeten Funktionsgläser nahm er vom selben Hersteller wie seinerzeit.

Foto: Wolfgang Thaler

Die transluzenten Kapillargläser im Format 90 x 130 cm erzeugen einen optischen Eindruck wie zu Schwanzers Zeiten, verbessern aber den Ug-Wert der Fassade mit 1,1 W/m²K deutlich: sehr guter thermischer Sonnenschutz, hohe Lichttransmission und deutlich verbesserter Wärmedämmwert im Winter. Die Lichtwirkung ist verblüffend: Sowohl an den direkt beschienenen als auch an den unbeschienenen Fassaden entsteht ein homogener, diffuser Lichteinfall. Projektleiter Luciano Parodi: »Die Wirkung ist genau so, wie wir uns das erhofft haben.« Dafür sorgen die im Scheibenzwischenraum eingelegten Kapillarröhrchen. Sie streuen das einfallende Tageslicht gleichmäßig und blendfrei bis tief in den Raum und schaffen damit optimale Lichtverhältnisse im Gebäude, unabhängig von wechselnden Einstrahlungsbedingungen.

Aufbau der Funktionsgläser: Den äußeren Abschluss bildet eine 4 mm starke ESG-Scheibe Kathedralglas mit unregelmäßig großgehämmerter Oberfläche. Von außen nach innen folgen auf eine Glasvlieseinlage zwei 4 mm starke Floatglasscheiben mit 12 mm Argongasfüllung, wobei die äußere Scheibe in Richtung Zwischenraum mit einer Wärmeschutzschicht versehen wurde. Die 8 mm starke Kapillareinlage im Anschluss ist von zwei Glasvliesschichten umgeben; den inneren Abschluss bildet ebenfalls eine 4 mm starke ESG-Scheibe Kathedralglas mit unregelmäßig großgehämmerter Oberfläche. Damit beträgt die Aufbaustärke rund 36 mm.

Foto: Wolfgang Thaler

Adolf Krischanitz ist es gelungen, die stillgelegten Räumen wieder zu beleben und ihnen ihre unverwechselbare Atmosphäre zurück zu geben – damit bewahrte er gleichsam das architektonische Erbe seines Meisters.

Projektdaten

Objekt: 21er Haus, Wien
Bauherr: Burghauptmannschaft Österreich in Vertretung des BMWFJ (Bauphase I), Wien; Belvedere (Bauphase II), Wien
Architekt: Architekt Krischanitz ZT GmbH, Wien
Fertigstellung: November 2011    
Glaseinlage: OKALUX GmbH, Marktheidenfeld (D)


www.21erhaus.at/de
Karl Schwanzer hatte den Pavillon als temporären Ausstellungsraum für die Weltausstellung 1958 in Brüssel errichtet. 1962 in Wien aufgebaut, diente das forthin »20er Haus« genannte Gebäude als Museum für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Dieser Tradition folgend wird das 21er Haus heute als Plattform für die österreichische Kunst von 1945 bis in die Gegenwart im internationalen Kontext genutzt. Fast zehn Jahre stand das 20er Haus leer, bis es umgebaut und unter dem Namen »21er Haus« im November 2011 wiedereröffnet wurde.

Vorrangiges Ziel bei der Sanierung und Erweiterung war es, das denkmalgeschützte Gebäude in seiner charakteristischen Gestalt zu bewahren. »Hier geht es nicht um Material, nicht um den manifesten Baukörper an sich, sondern vielmehr um den Raum, der durch die Hülle des 21er Hauses generiert wird. Diese Qualität galt es zu erhalten, denn nur in einem Milieu der Leichtigkeit und Luftigkeit kann Kunst atmen.« Mit diesen Worten beschreibt der Architekt Adolf Krischanitz seinen Denkansatz.
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