09.12.2016 Jakob Schoof

Der Traum vom ewigen Leben: »Museum of Immortality II« in Mexico City

Foto: Nikolaus Hirsch/Michel Müller

Der Traum vom ewigen Leben, das große Heilsversprechen der christlichen Kirchen, hat auf einmal wieder Hochkonjunktur. Doch anders als in vergangenen Jahrhunderten sollen nicht mehr individuelles Wohlverhalten und gottgefälliger Lebenswandel zum Ziel führen, sondern die Fortschritte in der Biotechnologie und Datenverarbeitung. Einige Superreiche der Welt wollen sich einfrieren und in einer fernen Zukunft wieder auftauen lassen. Der Internet-Milliardär Peter Thiel will seine Lebensspanne mit Bluttransfusionen ins Unendliche verlängern. Was vor zehn Jahren noch als spinnerte Zukunftsvision abgetan worden wäre, wird heute als reale Möglichkeit diskutiert – zumindest für die wenigen Glücklichen, die es sich leisten können.

So gesehen ist das »Museum of Immortality II«, das die Frankfurter Architekten Nikolaus Hirsch und Michel Müller vor dem Eingang des Museo Rufino Tamayo in Mexico City errichtet haben, von dramatischer Aktualität. Auftraggeber war das Designfestival »Design Week Mexico«, das im Oktober 2016 stattfand und bei dem Deutschland Gastland war.

Totenkult in aller Öffentlichkeit zu zelebrieren, hat in Mexiko eine lange Tradition. Die bunt-fröhlichen Festivitäten, die alljährlich rund um Allerheiligen auf den Friedhöfen des Landes stattfinden, sind weltweit einzigartig. Auch die Installation von Hirsch und Müller verfolgt einen volkstümlichen Ansatz, der im krassen Gegensatz zu den elitären Zukunftsvisionen Peter Thiels und seiner Zeitgenossen aus dem Silicon Valley steht.

Um sie zu erklären, muss man etwas weiter ausholen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts propagierte der russische Philosoph Nilolai Fedorov die Vorstellung von der »gemeinsamen Tat«; einer gesellschaftlichen Zukunftsvision, die auf die Besiedlung des Weltalls und die technisch ermöglichte Wiederauferstehung der Toten abzielte. Diese Wohltaten wollte Fedorov allen Bevölkerungsschichten zugute kommen lassen; er galt der Nachwelt daher als früher Sozialist. Als idealen Ort für die Konservierung der Toten und ihre Wiedererweckung zum Leben identifizierte Fedorov die Museen der Welt, da dort das Know-how der Konservatoren und die Techniken zusammen kommen, mit denen sich Dinge lange haltbar machen lassen.

Sehr viel später griff der russisch-deutsche Philosoph Boris Groys Fedorovs Vorstellungen wieder auf und skizzierte das kuratorische Konzept eines »Museum of Immortality«. Umgesetzt wurde dieses schließlich 2014 durch den russischen Künstler und Publizisten Anton Vidokle in einer Ausstellung in Beirut. Er beauftragte 54 Künstlerkollegen damit, Installationen in sargähnlichen Containern zu entwerfen, die jeweils der (hypothetischen) Wiederbelebung einer bestimmten historischen oder zeitgenössischen Persönlichkeit gewidmet waren.

Nikolaus Hirsch und Michel Müller haben das »Museum of Immortality« nun ins Freie transferiert, durch den Verzicht auf persönliche Verweise abstrahiert und in die Vertikale gebracht. Rund sechs Meter Durchmesser und acht Meter Höhe weist die zwölfeckige Struktur aus Metall-Hohlprofilen und Acrylglaskuben auf, die von ihren Entwerfern mit einem Hybrid aus Mausoleum und Raumkapsel verglichen wird. Begleitend dazu wird ein 30-minütiges Video von Anton Vidokle und Oleksiy Radinsky gezeigt, dass das zugrunde liegende theoretische Fundament erläutert. Die Großskulptur soll nun noch bis zum Herbst 2017 vor dem Museum im Bosque de Chapultepec, Mexico Citys größtem Park, stehen bleiben.

Foto: Nikolaus Hirsch/Michel Müller

Foto: Nikolaus Hirsch/Michel Müller

Foto: Nikolaus Hirsch/Michel Müller

Foto: Nikolaus Hirsch/Michel Müller

Weitere Informationen:

Mitarbeiter: Nikolaus Hirsch, Michel Müller, Rodrigo Luna, Israel Ruis, Patrick dos Santos Domingos
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