16.07.2004

DETAIL Podiumsdiskussion - Alles nur Fassade

Ist es legitim, eine spektakuläre Hülle zu schaffen ohne Bezug zum Innenraum? Muss man zu immer neuen Materialien und Ornamenten greifen, um Aufmerksamkeit zu erregen? Darf im Zweifelsfall alles auch einmal nur Fassade sein?
Die Architekten Markus Allmann, Roman Delugan, Meinrad Morger und Matthias Sauerbruch stellten sich unter der Moderation von Christian Schittich dieser Frage im Rahmen einer von der Zeitschrift Detail organisierten Podiumsdiskussion am 13. Juli 2004. Das Thema der Be- oder Verkleidung von Gebäuden polarisiert und so kristallisierten sich schnell unterschiedliche Positionen heraus.
Meinrad Morger etwa vom Büro Morger Degelo aus Basel entwickelt die Fassade aus dem Städtebau und dem Innenraum. Ersetzt auf vornehme Zurückhaltung, wie etwa beim Kunstmuseum in Vaduz mit einer massiven Fassade aus poliertem Beton. Roman Delugan dagegen versucht die Hülle als Raum bildendes Mittel einzusetzen. Mitseinem Wiener Büro Delugan Meissl ist er schon des öfteren durch extravagante Wohnbauten aufgefallen, etwa mit dem Haus "Ray1", das er während seiner Präsentation vorstellte. Die Fassade ist nach innen gezogen, entwickelt sich zu Möbelelementen. Verfremdet durch die filmische Vorführung verwischt die Grenze zwischen Rendering und Realität - die Legitimität dieser Vorgehensweise wurde von den Teilnehmern allerdings unterschiedlich bewertet. Tatsache ist jedoch, dass Massenmedien wie Zeitschriften mit ihren Fotografien, Fernsehen und Internet unsere Wahrnehmung verändern. Matthias Sauerbruch (Sauerbruch Hutton, Berlin) macht sich diese Entwicklung zu Nutze und spielt bei seinen Gebäuden bewusst mit der Zweidimensionalität. Das GSW-Hochhaus in Berlin oder das Forschungszentrum in Biberach treten mit ihrer Farbigkeit aus dem üblichen Einheitsgrau der Büro- und Gewerbebauten hervor und sind beliebte Motive der Fotografen.

Diskussionsrunde, v. l. n. r.: Roman Delugan, (Meinrad Morger, Christian Schittich, Markus) (Allmann, Matthias Sauerbruch)

Auch die Bauten von Allmann Sattler Wappner aus München heben sich von ihrem Umfeld ab. Für Markus Allmann ist die Fassade Ausdrucksmittel der jeweiligen Bauaufgabe, ein Sprachrohr, das mit dem Stadtraum kommuniziert. Nicht zuletzt deshalb überrascht sein Büro immer aufs Neue mit ungewöhnlichen Konzepten, wie etwa bei dem Verwaltungsgebäude in Reutlingen, das mit einer glatten, teils ornamentalen Metallfassade versehen ist.
Trotz ihrer unterschiedlichen Positionen, die auch mit dem Publikum lebhaft diskutiert wurden, waren sich alle Teilnehmer in einem Punkt einig: Der Architekt betreibt keine Kosmetik, die Fassade steht nicht als Blickfang vor dem Gebäude, sie ist und bleibt Teil davon. Der Leitsatz der Moderne, dass der Innenraum an der Fassade ablesbar sein muss, schwingt hier immer noch mit, auch wenn sich viele zeitgenössische Architekten davon distanzieren. Letztlich kann jedoch niemand leugnen, dass die Fassade nun einmal die prominente Schauseite des Hauses ist - und damit Visitenkarte seines Entwerfers. Die Veranstaltung fand in Kooperation mit der Fachhochschule München, innerhalb der Zweiten Architekturwoche, statt. Wie schon bei der A1 vor zwei Jahren ist es den Veranstaltern gelungen, mit Ausstellungen, Diskussionen, Vorträgen und Führungen das Thema Architektur in die Öffentlichkeit zu tragen - eine Öffentlichkeit, die aber im Wesentlichen wieder aus Fachpublikum bestand.

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