digital matters: Entwurfshelfer Computer

Die durchgehende Digitalisierung architektonischer Arbeitsprozesse ist heute keine visionäre Vorstellung mehr, sondern bildet schlichtweg die Grundlage für die heutige Praxis und Lehre. Es stellt sich daher nicht mehr die Frage ob, sondern nur noch in welchem Maß und in welchen Bereichen der massive Einfluss einer – im Vergleich zu einer Jahrtausende alten Entwurfs- und Bautradition – relativ neuen Technologie zu spüren ist. Inwieweit hat sich der „digital turn“ nicht nur auf unsere operativen Prozesse, sondern vor allem auch auf die kreativ-intuitiven Arbeitsweisen ausgewirkt – und welche Möglichkeiten der Erweiterung des räumlichen, formalen und materiellen Vokabulars bieten „computational design“ und comptergestützte Fertigung heute?

Diesen Aspekten widmet sich die Veranstaltungsreihe "digital matters" an der FH Trier, die am vergangenen Freitag, dem 26.Juni 2009, mit einem Symposion initiiert wurde.

Prof. Holger Hoffmann

Mit zehn hochkarätig besetzten Vorträgen, gegliedert in fünf thematische Blöcke, wurde ein gleichzeitig fokussierter und umfassender Überblick der Strategien und Methoden computergestützter Arbeitsweisen gegeben: angefangen bei dem Diskurs über das durch geometrisch komplexe Formensprache geprägte Bild von digitaler Architektur, weiter über computergestützte Parametrisierung und emergente Systeme als Entwurfswerkzeug, die Postrationalisierung komplexer Architekturgeometrien, bis hin zu digitaler Fabrikation und neuem Arbeitsfluss in Entwurf, Planung und Realisierung.
Mit einer Einordnung des Themas in die Architektur- und Kunstgeschichte und mit zahlreichen Verweisen auf die Architekturtheorie eröffneten zunächst Johan Bettum, Professor an der Städelschule Frankfurt am Main, und dann Georg Franck, Professor für EDV-gestützte Methoden an der TU Wien, den Tag. Obwohl beide Referenten die aktuellen Ergebnisse der computergestützten Architektur konträr bewerteten, beschrieben sie die Einführung des „computational design“ jeweils nicht als eine methodische Zäsur, sondern viel mehr als eine zwangsläufige Weiterentwicklung und Überführung überkommener analoger Entwurfsmethoden in das 21. Jahrhundert.

Harald Kloft

Die von Franck eingeforderte „Motivierung der Form“ wurde im Folgenden von Tobias Wallisser, Professor an der ABK Stuttgart, und Daniel Bosia, Mitbegründer der „Advanced Geometry Unit“ bei Arup, London, anhand von aktuellen Projekten methodisch wie formal ausführlich dargelegt. Wallisser präsentierte Strategien der Konzeptentwicklung, die regelbasiert mittels Parametern und Algorithmen unterschiedlichste Ausformulierungen ähnlicher Entwurfsthemen zuließen und dabei hochgradig differenzierte Architekturen ermöglichen.

Tobias Wallisser / LAVA: regelbasiertes Entwerfen

Danach präsentierten Tobias Bonwetsch, Senior Researcher bei Gramazio und Kohler, ETH Zürich, und Achim Menges, Professor für Computerbasiertes Entwerfen an der Universität Stuttgart, Möglichkeiten der computergestützten Entwicklung so genannter „Materialsysteme“.
Hierbei beschrieb Bonwetsch vor allem die technologischen Möglichkeiten der Robotik im Bauwesen und deren unerwartete kreative Potentiale und Effekte bei der Fügung verschiedener Materialien.
Menges wiederum konzentrierte sich auf Konzepte der Interaktion von Material, Technologie und Umgebung. Dabei sei die semantische Unterscheidung zwischen Formgebung, Formfindung und Formgenerierung von entscheidender Bedeutung. Nur im letzten Fall handele es sich um einen ergebnisoffenen, in Teilen emergenten Prozess, in dem sich die Stabilität des Systems nicht aus der Optimierung, sondern aus der Komplexität und Wechselwirkung mit der Umgebung entwickelt.
Harald Kloft, Professor an der TU Kaiserslautern, und Dr. Oliver Tessmann, Architekt im Ingenieurbüro Bollinger und Grohmann, erläuterten die Notwendigkeit der frühzeitigen Kooperation von Architekten und Ingenieuren bei der Umsetzung komplexer Architekturen. Jenseits der formalen Bewertung von Architektur standen hierbei vor allem Strategien der Umsetzung im Vordergrund, sowie das Bedürfnis die Arbeitsprozesse zwischen Architekten, Ingenieuren und Herstellern zu überdenken und neu, zum Beispiel zirkulär statt sequenziell, zu strukturieren.
Ein Thema, das auch den Stuttgarter Architekt Arnold Walz beschäftigt, der mit seiner Firma „design to production“ in den letzten Jahren Aufsehen erregende Projekte wie das Mercedes-Benz Museum in Stuttgart durch Algorithmisierung geometrisch definiert und damit erst ermöglicht hat. Diese geometrisch komplexen Projekte wären ohne numerisch gesteuerte Entwurfs- und Fabrikationswerkzeuge nicht denkbar gewesen. So, wie auch das Porschemuseum in Stuttgart, dessen Entstehung Martin Josst, Partner bei Delugan Meissl Associated Architects, detailliert und faszinierend erklärt hat. Josst verwies auf einen relativ intuitiven Entwurfsprozess der iterativ anhand physischer und digitaler Modelle verläuft und schrittweise in der Ausführungsplanung rationalisiert wird.

Arnold Walz / design to production: Centre Pompidou in Metz und Peek&Cloppenburg in Köln

„Digital matters“ ist eine Initiative des Fachbereichs Gestaltung der FH Trier und wurde organisiert von Prof. Holger Hoffmann, der dort das Lehrgebiet Digitales Konstruieren unterrichtet. Zusätzlich zum diskursiven Teil, dem Symposion, werden hier im Juli zwei Seminare zum digitalen Modellieren und zur Programmierung/Algorithmisierung angeboten. Hierfür konnte Steffen Riegas, Architekt im Amsterdammer Architekturbüro UNStudio, gewonnen werden.
Das Symposion war mit weit über 200 Teilnehmern aus Deutschland und dem europäischen und außereuropäischen Ausland sehr gut besucht. So hat "digital matters" erfolgreich als Diskussionsforum für Studierende verschiedener Hochschulen, aber auch für Architekten, Gestalter und Ingenieure fungiert.
Weitere Informationen unter www.digitalmatters.de
"digital matters" ist Teil der INTERMEDIALE 09 und fand im Rahmen der Woche der Baukultur der Architektenkammer Rheinland-Pfalz zum ersten Mal am 26. Juni 2009 in der Aula der Alten Baugewerbeschule am Paulusplatz in Trier statt.
Ausstellung Prototypes: Vom 23. Juni -30.Juni 2009 stellte der Fachbereich Gestaltung parallel zum Symposium „digital matters“ einige Arbeiten der verschiedenen Fachrichtungen am Paulusplatz aus.

Die Ausstellung "prototypes"

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