24.08.2009 Axel Dürheimer

Gute Architektur für Sozialen Wohnungsbau

Da Marketing und räumliche Qualität im sozialen Wohnungsbau meist als unwichtig angesehen werden, gab es in letzter Zeit wenige Positivbeispiele. Das es diese aber doch noch gibt, zeigt ein Bau vom Atelier Kempe Thill im Niederländischen Zwolle, rund 100 Kilometer nord-östlich von Amsterdam.
Das bereits im Februar 2009 fertiggestellte „Hiphouse“ entstand als Ergebnis eines ambitionierten Planungsprozesses, an dem neben den Architekten der Auftraggeber und die Stadtplaner stark beteiligt waren. Durch radikale Minimierung der Mittel und konsequente Thematisierung der Bautechnologie konnte dennoch ein Maximum an Wohnqualität in dem 6.399 Quadratmeter Innenfläche bietenden Haus realisiert werden.

Hiphouse - Sozialer Wohnungsbau von Atelier Kempe Thill (Foto: Ulrich Schwarz)

Mit dem in Zwolle realisierten kompakten Punkthaus bieten die Architekten von Kempe Thill für die am meisten verbreitete Bauform sozialer Etagenwohnungen in den Niederlanden, das Laubenganghaus, eine ökonomische und konkurrenzfähige Alternative an. Der 23 Meter auf 32 Meter tiefe Baublock mit acht Wohneinheiten pro Etage besitzt eine sehr geringe Fassadenfläche im Verhältnis zur realisierten Grundfläche. Dies wirkt sich nach Angaben der Architekten sehr positiv auf die Baukostenentwicklung aus und ermöglicht eine hochwertigere Materialisierung.
Die 64 Wohneinheiten wurden um einen zentralen Kern mit doppeltem Treppenhaus und Lift angeordnet. Hierbei ist der Grundriss so entworfen, das die großen Apartments, die räumlich interessanten Ecken einnehmen und somit eine doppelte Orientierung erhalten. Die kleineren Studios befinden sich jeweils in den Bereichen im Osten oder Westen, wodurch alle Wohnungen optimal besonnt werden.
Um der räumlichen Kompaktheit ein Gegengewicht zu bieten, wurde das Bauwerk konsequent verglast. Die Fassade ist mit Sonnenschutzgläsern ausgeführt, die in eloxierte Aluminiumprofile gefasst wurden. Hierdurch entsteht eine je nach Blickwinkel spiegelnde oder transparente Gebäudehaut, die sich zudem noch durch Schiebetüren großzügig öffnen lässt.

Wohnungen im Hiphouse (Foto: Ulrich Schwarz)

Durch die logische Gliederung der Fenster und der dahinterliegenden Konstruktion entstand eine strenge architektonische Ordnung, die durch eine spontane Collage bunter Wohnungseinrichtungen konterkariert wurde. Das so entstandene Bild ist sowohl kollektiv als auch individuell, da es die einzelnen Bewohner – bewusst oder unbewusst - aktiv mitgestalten. Das „Gebäude in Gebrauch“ soll so selbst zur eigentlichen Fassade werden.
Durch die Organisation der Wohnungen entlang der Ränder des Volumens ergab sich für die Architekten die Option, kostenneutral ein zentrales Atrium an das Punkthaus zuzufügen. Über eine mehr als fünf Meter hohe Eingangshalle wird dieser 26 Meter hohe Raum betreten, der über ein Oberlicht Tageslicht erhält. Dieser Raum fungiert als Herzstück des Gebäudes und verleiht ihm eine unerwartete Großzügigkeit, die in einem überraschenden Verhältnis zur äußeren Erscheinung des Bauwerkes steht. Das Atrium wurde dabei – aufgrund des knappen Budgets – konsequent in „Rohbauästhetik“ gestaltet.
Spätestens beim Betreten der Wohnungen wird deutlich, dass auch im sozialen Wohnungsbau wirklicher Luxus unverzichtbar sein sollte. Die Wohnungen sind sehr hell, haben minimierte Erschließungszonen und großzügige Wohnzimmer mit offenen, frei im Raum stehenden Küchen. Lofts sind keine Wohnform einer gut betuchten Elite sonder auch im sozialen Mietwohnungsbau möglich.
Durch die etagenhohen Verglasungen wirken die Apartments wie landschaftliche Plateaus. Die natürliche Umgebung wird Teil des Innenraumes und erweitert ihn nach außen. Regen, Sonne, Wolken, Wind und Grün bestimmen die Atmosphäre im Inneren. Dieser Effekt wird noch verstärkt beim Öffnen der großen Schiebetüren, wodurch die Zimmer in luftige Terrassen verwandelt werden.

Teil des Atriums (Foto: Ulrich Schwarz)

Fotos: Ulrich Schwarz

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