30.04.2011 Tim Westphal

Haus H. im Saarland

Fünf Jahre, von der Entwurfsidee bis zur Baugenehmigung und ein weiteres Jahr Bauzeit; wohlgemerkt: für ein Einfamilienhaus. Das ist lang, klingt nach Stress, Umplanung, Bauverzögerung, Problemen. Doch der Schein trügt. Die Zusammenarbeit verlief reibungslos. Architekten, Bauherren, Fachplaner und Systemintegrator sprechen noch miteinander und Folgeprojekte sind nicht ausgeschlossen. »Gut Ding will Weile haben«, wie es der Volksmund treffend formuliert – sechs Jahre Zeit, die nötig waren, denn das »Haus H« ist ein Experiment für alle Beteiligten: Nutzer, Architekten, Fachplaner und Hersteller.

Ein unverbaubarer Blick hinunter ins Tal. Das Haus konnte nicht, wie vom Bauherrn gewünscht als Holzbau ausgeführt werden. Die Beschaffenheit des Baugrunds ließ dies nicht zu. Foto: Barbara Heinz/Gira

»Es begann mit dem Wunsch nach dem Umbau eines Wohnhauses, unten im Dorf. Die Tochter des Hausherrn war beinahe erwachsen und sollte eine eigene Wohnung im Haus bekommen, der Bauherr brauchte Platz für seine Hobbys, ebenso die Hausherrin, deren Atelier im Keller des Hauses ungenügend war«, erläutert Architekt Bertold Hahn. »Wir merkten schnell, dass dies in dem Altbau nicht möglich war. Der Bauherr konnte einige Zeit später jedoch das Grundstück oben am Hang kaufen und es entstanden erste Ideen für einen Neubau. An unserem Grundkonzept hat sich bis zur Fertigstellung nichts geändert«, führt Bertold Hahn weiter aus. Der technikaffine Bauherr war anspruchsvoll. Von Anfang an stand für ihn fest, dass das Gebäude intelligent werden muss und über den größtmöglichen technischen Komfort verfügen sollte. Keine leichte Bauaufgabe, denn das Architektenpaar Bertold Hahn und Anja Breyer-Hahn sollten anspruchsvolle Architektur und hohe technische Standards miteinander verbinden. »Das war nur so gut möglich, weil wir frühzeitig die Fachplaner und auch den Systemintegrator mit ins Boot geholt haben«, stellt Anja Breyer-Hahn heraus.
Der Bauherr wollte ursprünglich einen ­Holzbau auf dem Baugrund errichten. Ein Bodengutachten zeigte jedoch, dass das Grundstück genau auf einer geologischen Grenze zwischen Muschelkalk und Bundsandstein liegt, und statisch eine reine Holzkonstruktion nicht möglich war. Konstruktiv gesehen ist das dreigeschossige Haupthaus eine Stahlbetonbau, der schwimmend auf einer Schotterschicht aufliegt. Der eingeschossige Annex mit Atelier, Sauna und Hobbyraum ist als Holzrahmenbau ausgeführt. Die Gebäudeteile gruppieren sich um einen Innenhof, der durch den künstlichen Wasserlauf fast kontemplativ wirkt. Die Familie – Hausherr, Hausherrin, Tochter und der Familienhund – erleben hier den Wechsel der Jahreszeiten. Der Weite, die der Blick ins Tal vom Panoramfenster im Erdgeschoss bietet, steht die Intimität und Abgeschlossenheit des Innenhofs entgegen. Die Küche ist im Entwurf der zentrale Raum, von hier aus sind alle Wege gleich weit – in den Wohnraum, die obere Etage, hinaus in den Innenhof.

Der eingeschossige Anbau, der den Hof nach Norden und Osten schließt, ist als Holzrahmenbau erstellt, das Wohnhaus als Stahlbetonbau. Foto: Barbara Heinz/Gira

Die Hofsituation erlaubt ideale Belichtungsverhältnisse. »Das Haus ist nach dem Lauf der Sonne gebaut, zu jeder Tageszeit fängt eine der Fassaden das Licht ein. Darüber hinaus ist jeder der Wohnräume mit einem Temperaturfühler ausgestattet, der den Wärmeeintrag misst und die Heizleistung der Wandheizungen reguliert«, erläutert der Hausherr die simple, aber durchaus effiziente Entwurfsidee. Im Betrieb hat sich gezeigt, dass das Haus mit 5 l Heizöl m2/a zu beheizen ist. Der Passivhausstandard war durch den großen Fensteranteil und konstruktionsbedingt nicht zu erreichen, eine Wärmepumpe ließ sich durch die ungünstige Bodenbeschaffenheit ebenfalls nicht realisieren. Doch das Gebäude ist ausgestattet mit einer kontrollierten Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung. Gekühlt wird mithilfe des künstlichen Bachlaufs, der durch den Innenhof fließt und dessen Überlaufwasser eine 6000 l-Zisterne füllt, die die Frischluftanlage speist. Die relativ trägen Wandheizungen versorgen die Wohnräume mit Wärme in verschiedenen Komfortzonen. In Räumen, die nur selten genutzt werden, entschieden sich Architekten und Bauherr für konventionelle Wandheizkörper, die schnell Wärme spenden. Neben Heizung und Kühlung werden auch Jalousien und Lüftung zentral gesteuert. Messen die Temperaturfühler in den Sommermonaten einen Unterschied > 2 K zwischen Außen- und Innenraum, fahren die Außenjalousien automatisch runter und die Lüftungsanlage schaltet zu. Bewegungsmelder sorgen dafür, dass nur dort beleuchtet wird, wo sich jemand aufhält.

Von der Küche führt ein direkter Zugang auf die geschützte Terrasse im Innenhof, wohin sich die Familie gern zurückzieht. Foto: Barbara Heinz/Gira

Die Einzelmaßnahmen betrachtend, ist die haustechnische Lösung aktueller Stand der Technik. Möglich sind die beschriebenen Konstellationen nicht erst seit gestern, die Standards sind über BUS und KNX-Systeme gesetzt. Das Besondere an der Planungs- und Bauaufgabe und nachfolgend im Betrieb war das perfekte Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten. Bereits in der Vorplanungsphase kam der Systemintegrator Stephan Romeike ins Spiel, der gemeinsam mit den Architekten die Elektro- und Haustechnik abstimmte. Dabei ging es neben Qualitätsparametern vor allem um die simple und intuitive Steuerung der gesamten Technik im Haus H. Stephan Romeike: »Hier ist neben Heizung und Lüftung, Elektro- und Gebäudesteuerung auch Entertainment- und Alarmtechnik zum Einsatz gekommen. Diese aufeinander abzustimmen war die Herausforderung.« Es kristallisierte sich der »HomeServer« von Gira als sinn-volles KNX/EIB-Herzstück heraus. Über ihn lässt sich die komplette Haustechnik genauso wie die Stereoanlage und das Heimkino steuern. Gemeinsam mit dem Hausherrn hat Gira an diesem speziellen Projekt eigene Anwendungen für mobile Endgeräte entwickelt. Die Funktionen lassen sich aktuell per App über das iPhone und das iPad und iPad 2 von Apple steuern.

Die Küche ist der zentrale Raum, um den sich der Grundriss organisiert. Foto: Barbara Heinz/Gira

Wohnen und Essen liegen dicht beieinander. Das Wohnhaus ist barrierearm gestaltet worden. Foto: Barbara Heinz/Gira

Da der Bauherr selbst ein großes Apple-Systemhaus betreibt und mit seiner eigenen Agentur auch mit der Programmierung von Apps ­beschäftigt ist, lag die Zusammenarbeit nahe. Über diese sogenannten »Interface-Apps« kann die Gebäudetechnik mobil gesteuert werden. Aktuell ist dies über iPhone, iPod touch oder iPad und per GSM, UMTS sowie WLAN möglich. Sie kommunizieren mit dem HomeServer oder dem FacilityServer. Über die Nutzerverwaltung lassen sich z.B. zwei unterschiedliche Profile für innen und außen programmieren. Vier Profile stehen maximal zur Verfügung. Die Applikationen sind ausschließlich im Apple-App-Store erhältlich. Der Hersteller arbeitet jedoch daran, zusätzlich einen eigenen Online-Store aufzubauen, auf den Elektroplaner und Systemintegratoren zugreifen können. Die Idee dahinter erläutert Markus Fromm-Wittenberg von Gira: »Sehr oft entwickeln Programmierer individuelle, kleine Steuerungen, z.B. für spezielle Lichtszenarien. Über einen zentralen Online-Store könnten die registrierten Nutzer ihre Software auch Anderen zur Verfügung stellen. Davon profitieren alle, denn es müssen identische Steuerungen nicht nochmals entwickelt werden. Außerdem erhält der Programmier für jeden Download einen Teil der Downloadgebühr. Und: Wir als Hersteller können die Plattform als Feedback-Instrument für eigene Entwicklungen nutzen.«

Obwohl die komplett schalterlose Steuerung des Gebäudes möglich ist, entschied sich der Bauherr für eine herkömmliche Lichtsteuerung. Foto: Barbara Heinz/Gira

Es war ein Glücksfall, dass beim Haus H. von so unterschiedlicher Seite an einem Strang gezogen wurde. Letztlich ist dies aber auch ein Verdienst des Bauherrn, der zum einen genau wusste, was er will, und zum anderen mit den richtigen Partnern zusammenfand. Und er war sich darüber im Klaren, dass er sein gesamtes Haus hätte kompett schalterlos ausstatten können. Die Lösungen dazu sind vorhanden. Doch aus Rücksicht auf die Familie und ihre Gäste entschied er sich zumindest für eine klassische Lichtsteuerung – obwohl er als Nutzer gern selbst sinnvolle Ergänzungen für die Gira-Apps progammiert.

Über das Touchpanel in der Küche lassen sich die kompletten Gebäudefunktionen steuern. Foto: Barbara Heinz/Gira

Die App-Steuerung auf dem iPad 2: Auch die Entertainment-Technik ließ sich integrieren. Foto: Barbara Heinz/Gira

Projektdaten
Bauherr: Familie H., Saarland
Architekten: Hahn Architekturbüro, Saarbrücken, Dipl.-Ing. Anja Breyer-Hahn, Dipl.-Ing. Berthold Hahn, Dipl.-Ing. Michael Urig
Tragwerksplanung: Dipl.-Ing. Harald Schmeer, Saarbrücken
Systemintegrator: Haus und Gross, Saarbrücken, Spektrum Licht, Stephan Romeike, Eppelborn
Elektroplanung: Jürgen Hertling, Saarbrücken
Lichtplanung: licht an, Richard Freyermuth, Saarlouis
Außenanlagen: Hahn Architekturbüro, Saarbrücken

Produkte und Hersteller
Fassadendämmsystem, Lehmputz: Saint-Gobain Weber GmbH, Düsseldorf, www.sg-weber.de
Fenster, Hauseingangstür: TKI, Metallbaukontor Frankfurt GmbH, www.metallbaukontor.de
Heizungsanlage: Vaillant Deutschland GmbH & Co. KG, Remscheid, www.vaillant.de
Wandheizung: WEM Wandheizung GmbH, Koblenz, www.wandheizung.de
Lüftungsanlage: Kampmann GmbH, Lingen, www.kampmann.de
Sauna: KLAFS GmbH & Co. KG, Schwäbisch Hall, www.klafs.de
Elektroschalter und Steckdosen Serie E 22, Türkommunikation, Bedienpanel Gira Control 19, HomeServer 3, Interface, HomeServer-App: Gira, Giersiepen GmbH & Co. KG, Radevormwald, www.gira.de
Jalousien: Warema Renkhoff SE, Marktheidenfeld, www.warema.de
Innentüren: Schörghuber Spezialtüren KG, Ampfing, www. schoerghuber.de, Köhnlein Türen GmbH, Stimpfach, www.koehnlein-tueren.de
Waschtisch: WT PR 800, Alape GmbH, Goslar, www.alape.de, Vero, Villeroy & Boch AG, Mettlach, www.villeroy-boch.com
WC, Bidet: Subway, Villeroy & Boch AG, Mettlach, www.villeroy-boch.com
Duschen: Bette Superflach, Bette GmbH & Co. KG, Delbrück, www.bette.de, Dallmer Ceraline, Dallmer GmbH & Co. KG, Arnsberg, www.dallmer.de
Wannen: Terra, Koralle Sanitärprodukte GmbH, Vlotho, www.koralle.de, Saniform, Franz Kaldewei GmbH & Co. KG, Ahlen, www.kaldewei.de
Armaturen: Vola GmbH, München, www.vola.de, Hansgrohe Deutschland Vertriebs GmbH, Schiltach, www.hansgrohe.de
Küche: Valcucine S.p.A., Pordenone (IT) www.valcucine.com/de
Trockenbauplatten: Knauf Gips KG, Iphofen, www.knauf.de
Natursteinböden: Siberquarzit, Grünig Natursteine GmbH, Sterzing (IT), www.gruenig-natursteine.com
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