22.06.2012 Florian Maier

Mehrfamilienhäuser mit EFH-Qualität

MFH = EFH² - was klingt wie die Quadratur des Kreises, ist umsetzbar: Die Hochschule Luzern zeigt, dass Mehrfamilienhäuser mit Einfamilienhausqualitäten gebaut werden können. Das spart nicht nur Boden, sondern bietet Eigentümern und Mietern eine echte Alternative zum Einfamilienhaus.

Den Traum vom eigenen Häuschen im Grünen haben viele – und in der Schweiz können ihn immer mehr auch realisieren. Während der Anteil an Einfamilienhäusern am Gebäudebestand 1970 noch bei 40 % lag, machte er im Jahr 2000 bereits 56 % aus. Und von den Liegenschaften, die seit dem Jahr 2000 gebaut wurden, sind fast drei Viertel Einfamilienhäuser. Das Problem dabei: »Einfamilienhäuser verbrauchen viel Bodenfläche, die aber nur von wenigen Personen genutzt wird. Sie haben an der Zersiedelung der Schweizer Landschaft deshalb einen wesentlichen Anteil«, erläutert Amelie-Theres Mayer vom Kompetenzzentrum Typologie & Planung in Architektur (CCTP) der Hochschule Luzern den Anstoß für die Studie.

Zwei Jahre Forschung
Mayer leitete das vom Bund finanzierte Forschungsprojekt »EFH/MFH – Transfer der Wohnqualitäten vom Einfamilienhaus auf das Mehrfamilienhaus«. Dieses hatte zum Ziel, Mehrfamilienhäuser zu entwerfen, die ihren Bewohnern ebenso viel Wohnqualität wie ein Einfamilienhaus bieten. Gegen die Zersiedelung kämpfen in der Schweiz Bund, Städte und Gemeinden gleichermaßen, doch zuweilen mit stumpfen Waffen.

Beispielsweise müssen kantonale Raumplanungsbehörden kommunale Ortsplanungen zwar genehmigen, aber tiefgreifende Korrekturen würden zu sehr in die Gemeindeautonomie eingreifen. Kommt hinzu, dass sich die Menschen nicht allein mit dem Argument der Ökologie von ihrem Traum, im eigenen Haus zu wohnen, abbringen lassen. »Das Wohnen im Mehrfamilienhaus muss attraktiv sein und die gleichen Qualitäten bieten, die Menschen bei Einfamilienhäusern suchen. So wird ein Anreiz geschaffen, dass sich Menschen für das Mehrfamilienhaus statt für das Einfamilienhaus entscheiden«, prognostiziert Mayer.

Großzügige Grundrisse, individuelle Hauseingänge und private Außenräume
Welche Qualitäten das Einfamilienhaus so beliebt machen, eruierten die Wissenschaftler über eine Befragung. Das Resultat: Die Bewohner haben sich für diese Wohnform vor allem auf Grund räumlicher, sozialer und psychologischer Faktoren entschieden: beispielsweise »viel Wohnraum«, »Außenfläche für die private Nutzung« oder »Privatsphäre« und »Sicherheit«.

Der Typ »Punkthaus mit versetzten Wohnungen« ist auf vier Wohnparteien ausgelegt und hat eine reduzierte Einsehbarkeit in privaten Aussenbereichen wie Gärten und Dachgärten. Illustration: CCTP Das Forschungsteam untersuchte zudem bereits geplante oder gebaute Mehrfamilienhäuser spezifisch auf Einfamilienhausqualitäten. Auf Grundlage dieser Analysen wurden exemplarisch acht neue Mehrfamilienhaustypen entworfen. Diese verfügen unter anderem über großzügige offene Wohnungsgrundrisse, individuelle Hauseingänge für die Wohnungen – das garantiert Privatsphäre – und Außenräume, die nicht allen Hausbewohnern offen stehen.

Der Typ »Punkthaus mit Geschosswohnungen« ist auf drei Wohnparteien ausgelegt und zeichnet sich durch großzügige private Außenbereiche aus: Im Erdgeschoss, auf dem Garagen- und auf dem Hausdach sind Loggias und Gärten vorgesehen. Illustration: CCTP Manche Entwürfe verlangen aber auch eine gewisse Aufgeschlossenheit der Bewohner für unkonventionelle Lösungen, etwa wenn die Dächer von angrenzenden Garagen als private Gärten für die Bewohner oberer Stockwerke genutzt werden. Amelie-Theres Mayer betont, dass es sich bei den acht Typen nicht um Universallösungen handelt, sondern jeder Standort und jede Bauherrschaft stets nach einer individuellen Lösung verlangen. Die erarbeiteten Entwürfe seien individuell anpassbar.

Ein gelungenes Beispiel für ein Mehrfamilienhaus mit Einfamilienhausqualitäten stammt von GKS Architekten + Partner AG und liegt in Eschenbach (LU). Fotos: GKS Architekten+Partner AG

Bauherren überzeugen
»Um die Zersiedelung zu stoppen, müssen Städte und Gemeinden Wohnraum vermehrt verdichtet bauen. Nun können sie gleichzeitig ein einfamilienhausähnliches Wohnklima schaffen. Das bedeutet eine Win-Win-Situation«, meint Projektpartner Christoph Ackeret, CEO der geoInfomapping ag in Zürich. Die Firma kann die Erkenntnisse des Projekts in der praktischen Arbeit gut gebrauchen: »Wenn wir in Zukunft Standortanalysen für neue Wohnprojekte durchführen, können wir jetzt konkrete und gleichwertige Alternativen zum Wohnen im Einfamilienhaus aufzeigen«, so Ackeret.

Um Gemeinden, Bauherren oder Investoren dabei zu unterstützen, eine Klientel für die Mehrfamilienhäuser mit Einfamilienhausqualitäten zu gewinnen, hat das Forschungsteam einen Kommunikationsleitfaden erstellt. Darin enthalten sind ein Argumentarium, eine Vorstellung von ausgewählten Mehrfamilienhaustypen sowie Beispiele bereits bestehender oder geplanter Mehrfamilienhäuser.
Der Kommunikationsleitfaden, die Planungsempfehlungen und das Indikatoren-System für Architekten und Anbieter aus der Bau- und Immobilienbranche können ab Mitte Juli 2012 als PDF gratis bezogen werden bei Amelie-Theres Mayer. E-Mail: amelie-theres.mayer@hslu.ch
Weitere Informationen: www.hslu.ch/cctp

In dem Forschungsprojekt arbeiteten folgende Partner zusammen:

  • Departemente Technik & Architektur und Soziale Arbeit der Hochschule Luzern unter der Leitung des Kompetenzzentrums Typologie & Planung in Architektur (CCTP)
  • Bundesamt für Wohnungswesen
  • Kanton Luzern, Dienststelle für Raumentwicklung, Wirtschaftsförderung und Geoinformation (rawi)
  • Gianmarco Helfenstein, Gemeinderat von Horw und Präsident der Baugenossenschaft Pilatus
  • GKS Architekten + Partner AG (Luzern)
  • geonInfomapping ag (Zürich)
  • Allgemeine Baugenossenschaft Luzern
  • Marazzi Generalunternehmung AG (Luzern)

Das Projekt wurde durch die Kommission für Technologie und Innovation des Bundes (KTI) gefördert.
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