30.06.2009 Jakob Schoof

Mission Transparenz: Die "consense 2009" in Stuttgart (Teil 1)

Volle Säle und zufriedene Gesichter der Veranstalter brachte die „consense 2009“, die Ende Juni in Stuttgart stattfand. Sie befasst sich mit einem Thema, das auf dem besten Wege aus der Nische in die öffentliche Wahrnehmung ist: der Nachhaltigkeitszertifizierung von Gebäuden. Großes Interesse an den Labels herrscht vor allem bei den Investoren und Betreibern von Premium-Immobilien.
„Internationaler Kongress und Fachausstellung für Nachhaltiges Bauen“ lautet die Unterzeile im Titel der „consense“, die Ende Juni zum zweiten Mal in der Messe Stuttgart stattfand. Dazu sind zwei Anmerkungen notwendig: Die Internationalität von Messe und Kongress ist – noch – eher Anspruch als Realität, auch wenn die Initiatoren große Ansprüche in diese Richtung unternehmen. Und wer bei der consense ein buntes Architektenprogramm mit inspirierenden Projekten und Vorträgen der einschlägigen Szenestars erwartet, sollte besser fernbleiben. Denn: Hier geht es um Grundlagen – was dennoch inspirierend sein kann, wenn man Hoffnung in die Zukunft des nachhaltigen Bauens hegt.

Hauptinitiatorin der consense ist die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen, die – und das ist ihr wohl größtes Verdienst – Architekten und Ingenieure, Immobilienwirtschaft und Bauproduktehersteller hinter sich geschart hat, um mehr Transparenz im nachhaltigen Bauen zu erreichen. Ihr Mittel zu diesem Zweck ist ein neues Zertifizierungssystem, das „Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen“. Es stellt den Anspruch, alle Nachhaltigkeitsaspekte eines Gebäudes über den gesamten Lebenszyklus hinweg zu betrachten, messen und bewerten. In diesem Zusammenhang ist in DGNB-Kreisen immer wieder von einem „Zertifizierungssystem der zweiten Generation“ die Rede. Die erste Generation – verkörpert unter anderem durch das britische BREEAM und das amerikanische LEED – betrachte nicht konsequent den ganzen Lebenszyklus, so die DGNB. Ferner animiere sie Bauherren und Planer zum „Punktesammeln“ via Einzelmaßnahmen wie Fahrradständer oder Regenwassertonnen. „Wir bewerten dagegen nicht die Verwendung einzelner Maßnahmen und Technologien, sondern Ergebnisse“, sagte Prof. Thomas Lützkendorf von der Universität Karlsruhe, einer der Initiatoren der DGNB, im Rahmen der consense.

DGNB-Präsident Prof. Werner Sobek Foto: Messe Stuttgart

Es ging also, bei dieser consense noch stärker als bei der vorangegangenen, vor allem um die Weiterentwicklung und Diversifizierung des DGNB-Zertifizierungssystems und um dessen Platzierung auf dem internationalen Markt. Zertifizierungssysteme sind an und für sich nichts Neues – das britische BREEAM startete bereits Anfang der 90er-Jahre – und das Deutsche Gütesiegel ist in diesem Zusammenhang ein Spätstarter. Dennoch würden die Deutschen ihre (strengen) Standards gern in möglichst vielen Ländern der Welt adaptiert sehen. Dass hinter dieser Expansionsstrategie ebenso die Sorge um Klima und Umwelt steht wie handfeste ökonomische Interessen, dürfte einleuchten.

Derzeit ist die internationale Lage noch extrem unübersichtlich: Einzelne Quellen sprechen von bis zu 140 nationalen und internationalen Gütesiegeln und Standards, die sich „irgendwie“ mit dem nachhaltigen Bauen befassen. Einheitliche Kriterienkataloge existieren ebenso wenig wie einheitliche Methoden bei der Erfassung der wichtigsten Kennwerte. Dennoch prognostizieren – oder wünschen sich – viele Marktteilnehmer eine baldige Marktbereinigung. Allen voran die internationalen Investoren und Projektentwickler: „Wir brauchen mindestens ein europaweit einheitliches Zertifizierungssystem“, sagt etwa Frank Billand, Vorstandsmitglied der Union Investment Real Estate AG - und fügt hinzu: „Aber ich fürchte, das wird noch länger dauern als ein einheitliches Steuersystem zu etablieren.“

Es war kein Zufall, dass der erste der beiden consense-Tage – zumindest auf dem Podium - klar durch die Vertreter der Immobilienwirtschaft dominiert wurde. Denn vor allem sie haben etwas davon, ihre Immobilien-Portfolios nach DGNB, LEED oder BREEAM zertifizieren zu lassen. „Wir erleben im Zuge der Finanzkrise derzeit einen Vertrauensverlust der Kapitalgeber, der mit hoher Risikoaversion einhergeht“, sagt Dr. Sebastian Reich, der Vorsitzende des Immobilienbeirats der DGNB. Statt kurzfristiger Profitmaximierung, so Reich, setzten die Investoren nun wieder verstärkt auf langfristige Wertbetrachtung und Transparenz – eben jenen Qualitäten also, wie sie die Zertifikate in Reinkultur verkörpern. Erste Studien aus den USA deuten an, dass sich zertifizierte Gebäude besser und gewinnbringender vermarkten lassen als nicht zertifizierte. Allerdings, so Frank Billand, seien diese Studien nur eingeschränkt aussagekräftig, weil Investoren meist ohnehin nur ihre „besseren“ (und damit auch leichter vermietbaren) Immobilien zertifizieren lassen. Das leuchtet ein: Niemand investiert Tausende von Euro in eine Zertifizierung, um am Ende womöglich leer auszugehen.

Mit anderen Worten: Zertifizierungen sind im Moment vor allem eine Angelegenheit für Großprojekte und Premium-Immobilien. Für die Wohnungswirtschaft und den privaten Einfamilienhausbau sind sie schlicht noch zu komplex und teuer. Andererseits bieten sie auch Architekten und Ingenieuren interessante Marktchancen – als Auditoren. Gerade erst sind die ersten Ausbildungsseminare für DGNB-Auditoren gestartet; ausgebildete Auditoren sind entsprechend rar und die Preise hoch.

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