18.04.2011

Nahezu energieautark

Die neue Monte-Rosa-Hütte setzt Maßstäbe im Umgang mit Ressourcen

Die neue Monte-Rosa-Hütte entstand in Zusammenarbeit der ETH Zürich mit dem Schweizer Alpen-Club (SAC), der Hochschule Luzern und den Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology (Empa). Als nahezu energieautarke Hütte setzt sie neue Maßstäbe bei Fragen der Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Die Daten und Erkenntnisse des Bauprozesses sind auf künftige Entwicklungen auch in Städten übertragbar.

Die neue Monte-Rosa-Hütte steht quasi auf einer Insel: Sie ist nur zu Fuß, auf Skiern oder per Helikopter erreichbar. Eine Anbindung an eine Energieversorgung ist ebenso wenig vorhanden wie der Anschluss an ein Wasser- oder Abwassernetz. Um die Anzahl der Versorgungsflüge per Helikopter möglichst gering zu halten, wurde bezüglich des Wasser- und Energiehaushalts eine hohe Autarkie von 90 % (ohne Kochen; mit Kochen: 60-70 %) angestrebt. Dies bedeutet, dass nur 10 % des Energiebedarfs mit dem Helikopter eingeflogen werden müssen. Diese "Inselsituation" hat aber noch eine weitere Konsequenz: Es ist nicht opportun, an diesem Standort neue Komponenten und Geräte zu erforschen oder noch nicht ausgereifte Spitzentechnologie einzusetzen, was beides mit einem hohen Betreuungsaufwand verbunden wäre.

Gesucht sind zwar effiziente, aber gleichermaßen robuste und zuverlässige Komponenten. Maßgeblich ist deren optimale Einbindung ins System. Bei der Systemoptimierung ist der Hebel für eine hohe Energieeffizienz bzw. Energieautarkie meist viel größer als bei der Optimierung der Einzelkomponenten.

Gebäudetechnik

Die Gebäudetechnik der neuen Monte-Rosa-Hütte ist entscheidend für die hohen Anforderungen in Sachen Energie. Energieeffiziente Anlagen und Geräte sorgen für einen niedrigen Energiebedarf. Im Vordergrund steht jedoch die Optimierung des Gesamtsystems Gebäude. Dabei wurde auf bewährte Komponenten gesetzt, Ventile und Pumpen wurden möglichst eliminiert, auf ein konventionelles Heizsystem verzichtet und Luftverteilkanäle wurden weggelassen. So kann primär mit Intelligenz statt Technik die nötige Robustheit und Zuverlässigkeit maximiert werden.

Die in die Südfassade integrierte Photovoltaikanlage erzeugt Strom, der in Batterien gespeichert wird. Aufgrund der Höhenlage und der Reflexion durch den umliegenden Schnee ist der Ertrag dieser Anlage etwa eineinhalb- bis zweimal so hoch wie in tieferen Regionen. Die Elektrizität wird für die Beleuchtung, für das Kochen und für den Betrieb der verschiedenen Geräte und Anlagen verwendet. Eine Anzeige informiert den Hüttenwart, wann er aufgrund eines zu tiefen Ladezustands der Batterien beim Kochen auf Gasbetrieb umstellen sollte. Unterhalb der Hütte an eine Felswand montierte Solarkollektoren gewinnen solare Wärme und führen diese den Wärmespeichern zu. Damit wird Warmwasser erzeugt und die Zuluft der Lüftungsanlage erwärmt.

Die Lüftung dient gleichzeitig der Wärmeverteilung im Gebäude. Die Zuluft strömt über das Treppenhaus in die einzelnen Räume, wird dort abgesogen und zentral über eine Wärmerückgewinnungsanlage geführt. Aus Sicherheitsgründen und für Perioden mit ungenügendem Energieertrag steht ein mit Rapsöl betriebenes Blockheizkraftwerk zur Verfügung, welches im Bedarfsfall sowohl Wärme als auch Strom produziert.

Das während weniger Monate im Jahr anfallende Schmelzwasser wird gesammelt und in einer 200 m3 fassenden Kaverne oberhalb der Hütte gespeichert. Die natürliche Höhendifferenz von 40 m3 zwischen Kaverne und Hütte sorgt für genügenden Wasserdruck, sodass keine Druckerhöhungsanlage notwendig ist. Das dank der Kaverne ganzjährig verfügbare Frischwasser wird zum Kochen, Waschen, Putzen und für die Körperhygiene verwendet. Das Abwasser wird in einer Mikrofilteranlage auf bakterieller Basis gereinigt, als Grauwasser für die WC-Spülung und zum Waschen wiederverwendet oder gereinigt an die Umgebung zurückgegeben.

Gebäude als System/Simulationen

Gebäude sind Systeme mit vielschichtigen Wechselwirkungen zwischen ihren Einzelelementen. Wie in anderen Ingenieurwissenschaften üblich, bedient man sich auch in der Gebäudetechnik immer mehr des Instruments der Simulation, um solche Systeme zu modellieren und zu optimieren. Bei der neuen Monte-Rosa-Hütte wurde z. B. mittels Simulation das Verhältnis zwischen Gebäudehülle (Aufwand für Dämmung) und Gebäudetechnik (Fläche der thermischen Kollektoren) optimiert, um minimale Lebenszykluskosten zu garantieren. Gleichzeitig erhöhten die Simulationen auch die Planungssicherheit, sodass - vorausgesetzt, die angenommenen Randbedingungen bezüglich Gästeaufkommen und Nutzerverhalten treffen ein - davon ausgegangen werden kann, dass die 90 % Energieautarkie realisiert werden können.

Mehr dazu in: DETAIL GREEN 1-2010, S. 22-25

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