30.09.2012 Cordula Vielhauer

New Forms in Wood

Finnlands Tradition im Holzbau ist lang: Zahlreiche Holzkirchen und eine lebendige Bootsbautradition verweisen darauf, und spätestens seit Alvar Aaltos Experimenten mit Formsperrholz hat das skandinavische Land auch immer wieder mit dem innovativen Umgang mit Holz auf sich aufmerksam gemacht. Dazu gehört beispielsweise der Expo-Pavillon in Sevilla 1992 oder die Sankt-Henry-Kapelle von Matti Sanaksenaho am Ende des letzten Jahrtausends, im Januar 2012 eröffnete das Kilden Performing Arts Center der finnischen ALA Architects im norwegischen Kristiansand. Ein temporärer Holzpavillon als Veranstaltungsort und Showcase für Helsinki als World Design Capital 2012 ist der aktuellste Zeuge dieser Bauweise; und an der Aalto-Universität dort gibt es einen eigenen Lehrstuhl nur zu Holzkonstruktionen, bei dem sich Lehrende und Studenten ganz der Forschung zu Holztechnologien verschrieben haben.

Event-Pavillon für Helsinki World Design Capital 2012

Der Event-Pavillon für Helsinki als World Design Capital (Architekten: Pyry-Pekka Kantonen) ist das Herzstück des Festivals: Es verbindet das Museum für Finnische Architektur und das Design Museum und dient gleichzeitig als Veranstaltungsort für die verschiedenen öffentlichen Vorträge, Diskussionen und Events. Das Gebäude ist aus dreieckigen Modulen aufgebaut und besteht aus drei Teilen: einer überdachten Terrasse und zwei dreieckigen Räumen, in denen ein Café und ein Medienraum untergebracht sind. Beide Räume lassen sich zur Terrasse hin öffnen, so dass vielfältige unterschiedliche Nutzungen möglich sind. Für die Konstruktion wurde flaches UPM aus finnischen Hölzern eingesetzt, die Zuschnitte sind besonders schmal und hoch, so dass sich eine fast Papier-artige Anmutung mit besonderer Raumwirkung ergibt, die eine helle, freundliche Atmosphäre schafft.

Helsinki World Design Capital: Event Pavillon

Auch auf der Venedig-Biennale 2012 ist Finnland – neben der Gruppenschau mit den anderen nordischen Ländern – in einer eigenen Ausstellung vertreten: New Forms in Wood heißt die Ausstellung in dem wunderbaren kleinen Holzpavillon, den Alvar Aalto 1956 zunächst lediglich als temporären Bau für die Biennale entworfen hatte,  und der seitdem in loser Folge vom finnischen Architekturmuseum bespielt wird. Nachdem im vergangenen Herbst während eines Sturms ein Baum auf den Pavillon stürzte und diesen komplett zerstörte, fand im Rahmen der Rekonstruktion eine intensive Auseinandersetzung mit der Architektur des Pavillons statt. Gleichzeitig wurde die Ausstellung New Forms in Wood zu innovativen Holzkonstruktionen in und aus Finnland vorbereitet.

Aaltos Pavillon in den Giardini, Foto: Jonas Stürzebecher

Zu sehen sind im Aalto-Pavillon kleinmaßstäbliche Modelle und ganze Konstruktionsteile – also Modelle im Maßstab 1:1 – von sechs verschiedenen Bauten: Neben dem aktuellen Design-Capital-Pavillon in Helsinki von Pyry Pekka Kantonen sind dies das Performing Arts Center von ALA Architekten mit seinem ondulierenden Dach, eine öffentliche Sauna von Avanto Architekten als Hügellandschaft, die sich den Dünen ihrer Umgebung anpasst sowie ein temporärer Pavillon für Turku in Holz-Leichtbauweise, der von Eero Lundén und Markus Wikar mit Hilfe von Computer-Algorithmen entwickelt wurde. Die Kapelle der Stille von K2S Architekten in Helsinki sucht mittels Nanotechnologie-Finish und CNC-geschnittenen Elementen den Dialog zwischen traditionellen Holzkonstruktionen und modernen Fertigungsverfahren und die Kuokkala Kirche von Lassila Hirvlammi Architekten setzt mit ihrer ungewöhnlichen Form und den sorgfältig geschnittenen Hölzern auf eine besonders hochwertige Verarbeitung.

Aaltos Pavillon in den Giardini, Foto: Jonas Stürzebecher

Die Kapelle der Stille oder Kamppi Kapelle (K2S Architekten) steht an einem der lautesten und unruhigsten Orte Helsinkis: dem Narinkka Platz. Mit ihrer elliptischen Form setzt sie der Hektik des Außenraums einen kontemplativen, geschlossenen Raum entgegen, der den Besucher Geborgenheit und Ruhe vermittelt. Der Rahmen für die Kirche besteht aus CNC-gefrästen Glulam-Elementen (laminiertes Leimholz); die Fassade wurde aus horizontalen Fichtenholzplanken detailgenau zugesägt und über Fingerverbindungen gefügt. Ein pigmentiertes Wachs, das mittels Nanotechnologie entwickelt wurde, schützt die Fassade vor Verschmutzungen und Witterungseinflüssen.

Kapelle der Stille

Der Pudelma Pavillon entstand als Kooperation zwischen der Universität von Oulu und der Columbia Universität GSAPP und wurde im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres von Turku 2011 errichtet. Er wurde zunächst als digitales Modell entwickelt mit Hilfe von Preliminary Design (orientierenden Gestaltungsprozessen) und CNC Prototyping. Der fertige Pavillon kombiniert modernste digitale Fabrikationsweisen mit traditionellen finnischen Handwerkstechniken. So werden traditionelle Zapfen- und Nuten-Verbindungen mit einer komprimierten Schalenkonstruktion verknüpft. Die Originalform wurde leicht modifiziert, um sie den örtlichen Bedingungen anzupassen. Das Dach besteht aus einem zunächst orthogonalen Raster, das im Rahmen der Anpassung an das Tragverhalten deformiert wurde und schließlich filigran an den Fußpunkten aufsetzt.

Pudelma Pavillon Turku 2011

Die Kuokkala Kirche (Lassila Hirvlammi Architekten) ist ein kompaktes skulpturales Gebäude, das alle Funktionen in einer einzigen wiedererkennbaren Form vereint. Diese ist erkennbar modern, verweist aber – zum Beispiel über das spitze Satteldach – auf traditionelle Bauformen. Während der skulpturale Körper nach außen hin nahezu homogen wirkt und mit dunklen Schindeln verkleidet ist, öffnet sich im Inneren ein heller Raum, der sowohl auf die traditionellen Holzkirchen in Finnland als auch auf den gotischen Kathedralenbau verweist. Der Innenraum ist komplett mit radial gesägtem Fichtenholz verkleidet, das durch ein weiß pigmentiertes Wachs aufgehellt wurde.

Kuokkala Kirche

Die Ausstellung im Alvar-Aalto-Pavillon in den Giardini in Venedig ist noch bis zum 25. November 2012 im Rahmen der 13. Architekturbiennale zu sehen.

www.labiennale.org

www.mfa.fi

Alvar Aalto beim Bau des Pavillons in Venedig 1956

Noch in der Planung befindet sich der Hernesaari Sauna Komplex von Avanto Architekten in Helsinki. Er rekurriert auf die lange finnische Sauna-Tradition – die gerade wieder einen regen Auftrieb erhält – und schafft gleichzeitig eine städtebauliche Verbindung zwischen der Hauptstadt und dem Meer: Im Helsinki-Park gelegen, formt der Komplex selbst eine hügelartige Landschaft und lässt die Grenzen zwischen Gebäude und Landschaft verschwimmen. Mulden und Terrassen, die zwischen den Sauna-Hügeln entstehen, formen kleine geschützte Räume im Freien, gleichzeitig sorgen die mit Holzlamellen verkleideten Bauten für eine gute Klimatisierung im Inneren.

Hernesaari Sauna Komplex in Helsinki Park

Das im Januar 2012 eröffnete Kilden Performing Arts Center (ALA Architekten) beherbergt drei Kulturinstitutionen: Das Agder Theater, das Kristiansand Symphonieorchester und die Südoper. Eine große wellenförmige Wand, die in ein weit auskragendes Vordach übergeht, formt nicht nur das Auditorium, sondern zugleich ein architektonisches Zeichen am Ufer des Fjords von Kristiansand. Wir haben dieses Gebäude vor einiger Zeit bereits ausführlich dokumentiert.
(Cordula Vielhauer)

Kilden Performing Arts Center in Kristiansand

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