27.05.2013 Cordula Vielhauer

Sanierung: Zeitreise oder Palimpsest? – Architekturgesellschaft, die ZWÖLFTE

Manchmal wird aus der zunächst unspektakulär erscheinenden Aufgabe einer Gebäudesanierung eine Zeitreise. Bei der zwölften Architekturgesellschaft zum Thema „Sanierung“ war Andreas Hild von Hild und K Architekten unser Ehrengast und berichtete über den Umbau des TU-Gebäudes „0505“ in München. Das Gebäude in der Maxvorstadt – ein Sechziger-Jahre-Stahlbetonbau von Franz Hart aus dem Jahr 1963 – zeigt sich heute nach Hilds Eingriff als expressiver, schwarzer, metallisch schimmernder Klinkerbau. Zumindest von außen. Im Innenraum feiert Hild hingegen den Beton der Sechziger und dessen beinharte Struktur mit einem klaren Minimalismus und einer goldfarbenen Decke. Was war da los?

Neue Fassade des Unigebäudes, Foto: Michael Heinrich

Sechziger-Jahre-Bauten zu sanieren, ist alles andere als einfach. Dies gilt auch für das ehemalige Gebäude für Hochspannungstechnik der TU München auf der Ecke Theresien-/Luisenstraße von Franz Hart. Der strukturalistische Bau zeichnete sich durch eine rohe Betonästhetik aus, dessen Fassade gleichzeitig fein durchkomponiert war. Diese Ästhetik ließ sich jedoch nicht retten, Energieverbrauch und Brandschutz des Hart-Baus entsprachen nicht mehr heutigen Standards. Will man jedoch alle geltenden Normen erfüllen, gibt es heute kaum noch andere Wege, als das Gebäude komplett mit Wärmedämmung einzupacken. Doch was kommt danach? Putz? Die mit Umbau und Sanierung des Gebäudes beauftragten Architekten Hild und K haben sich einen Namen mit raffinierten Putzbauten gemacht, auch und gerade im Bereich der Sanierung. Doch bei diesen zumeist historischen Bauten konnten sie sinnfällig an den vorhandenen Umgang mit Putz anknüpfen. Beim TUM 0505 hätte man keinen wie auch immer gearteten Bezug zu Putz herstellen können. Jede Putzhaut über der Wärmedämmung hätte dem verzweifelten Versuch geglichen, sich zwar farblich dem Ursprungsmodell des Hart-Baus annähern zu wollen – ihm jedoch weder strukturell noch phänotypisch gerecht zu werden.

Ursprungsbau von Franz Hart

Und das war auch gar nicht das Ziel von Hild und K. Bei Umbau und Sanierung des 0505 ging es ihnen um die nachträgliche formalästhetische Verortung des Gebäudes in den stadthistorischen Kontext. Von „Kreuzworträtseln“ sprach Andreas Hild nicht umsonst in diesem Zusammenhang bei der Architekturgesellschaft. Als solche betrachtet er nämlich das Bauen im Bestand: Die bauliche Lösung ist für ihn eben nicht eine frei formulierte Antwort auf eine gestellte Aufgabe, sondern soll auch im Kontext mit den anderen – bereits gegebenen Antworten – lesbar bleiben. Für die „freien Antworten“ fand Hild hingegen die Metapher des „Gedichts“.

Neue Fassade (links) und Foyer (rechts), Fotos: Michael Heinrich

Mit der „rekontextualisierenden Hülle“ aus schwarz schimmerndem Klinker suchten Hild und K den historischen Bezug einerseits zu den verklinkerten Fünfziger- und Sechziger-Jahre-Bauten auf dem Nordgelände, der metallische Schein der Ziegel soll andererseits den Aluminiumfassaden der Campusbauten Rechnung tragen. Die Konstruktionsweise des Betonbaus mit seinen beiden „Stahlbetonrahmen“ scheint unter der schweren Hülle noch durch: Hild und K entwarfen ein tiefes, expressionistisch anmutendes Relief aus lisenenartigen Streifen im Raster der vorhandenen Stützen – Hild spricht von „Plissee-Stoff“. Beim Hart-Bau zeigten sich die verschiedenen Funktionen des Gebäudes – eine große Halle unten, Büros in den Obergeschossen – in einem Zurückspringen des Rahmens oberhalb der Halle. Hild und K nehmen diesen Versprung in der neuen Fassade auf und lassen an dieser Stelle die „Pfeiler“ in einem sanften Bogen in die Ebene zurücklaufen, so dass das Relief nach oben hin flacher wird. Die Fassade wird zum Palimpsest.

Innenraumgestaltung, Fotos: Michael Heinrich

Man betritt das Haus nach der Umgestaltung durch einen gebäudehohen Luftraum, eine Raum-Zeit-Schleuse, die den Übergang von außen nach innen, von jetzt nach früher großzügig in Szene setzt. Entstanden ist er aus der Schließung des vorher hier vorhandenen Rückversatzes zwischen den beiden L-förmig angeordneten Baukörpern. Farbige Fenster aus dem Bestand belichten diesen neu geschaffenen Schwellenraum. Auf ihn folgt ein großzügiges Foyer mit einer fulminanten skulpturalen Treppe, die den teils doch recht trockenen Funktionalismus des Ursprungsbaus um eine organische Dimension bereichert. Auch die neue Klarheit des Innenraums, die Hild und K durch sandgestrahlte Wände und einen äußerst vorsichtigen Einsatz von Brandschutzputz erreichten, tut dem Gebäude gut. In den Fluren geben nun gelbe Wandflächen den langen Gängen einen lebendigen Rhytmus. Der rohe Innenausbau wird durch eine golden gestrichene Decke gekrönt, deren metallischer Schimmer an den silbrigen Effekt der Mauerziegel außen anknüpft.

Tragstruktur des Bestandsbaus (links) und Eingangsraum mit neuen Fenstern aus Bestandsgläsern (rechts), Bildnachweis: Michael Heinrich

12. Architekturgesellschaft

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