14.10.2014 Julia Liese

Sensible Intervention: Schlesisches Museum von Riegler Riewe

Das Schlesische Museum in Katowice zeigt beispielhaft, wie die postindustrielle Nachnutzung von ehemaligen Zechengeländen gelingen kann: Das neue, überwiegend unterirdisch angelegte Gebäude setzt ein neues Zeichen, ohne die Geschichte des Ortes zu verleugnen. Architekten: Riegler Riewe Architekten, Graz
Standort: ulica Tadeusza Dobrowolskiego 1, Katowice, Polen

Foto: Paolo Rosselli

Wie in vielen Städten Oberschlesiens ist die Vergangenheit der rund 310 000 Einwohner zählenden Stadt Katowice eng mit dem Steinkohlebergbau verknüpft. Als identitätsstiftendes kulturhistorisches Erbe der Region hat er markante künstliche Landschaften, Industrieanlagen und Gebäude hinterlassen, die heute brach liegen. Die Situation in Katowice ist insofern speziell, als dass sich die 1994 aufgegebene Kohlegrube in unmittelbarer Nähe des Stadtzentrums befindet. Mit dem Neubau des Schlesischen Museums bot sich die Chance, nicht nur architektonische, sondern auch städtebauliche Akzente zu setzen und dieses große, bislang vernachlässigte Areal mitten in der Stadt neu zu beleben.

Foto: Wojciech Krynski

Als Institution blickt das Schlesische Museum auf eine wechselvolle Geschichte zurück: 1924 gegründet, sollte das Museum in den 1930er-Jahren ein eigenes Gebäude erhalten, doch wurde der noch nicht ganz fertiggestellte Bau 1939 wegen seiner kulturpolitischen Bedeutung von der deutschen Besatzung zerstört. Nur ein kleiner Teil der Sammlung blieb erhalten und überdauerte den Krieg in der nah gelegenen Stadt Bytom. Erst 1984 wurde das Museum neu gegründet und zunächst in einem ehemaligen Hotel aus dem 19. Jahrhundert untergebracht. Bald schon entstanden Pläne für einen Neubau, doch wurden diese 2003 wieder verworfen, weil ein neues Baugrundstück in den Blickpunkt rückte: das Gelände der ehemaligen Kohlenzeche mit seinen historischen Hinterlassenschaften. Nachdem die Grazer Architekten Florian Riegler und Roger Riewe den 2006 ausgelobten Wettbewerb für sich entscheiden konnten, wurde der Neubau für das Schlesische Museum schließlich 2013 fertiggestellt. Die offizielle Eröffnung mit fertiger Ausstellungsarchitektur ist für Juni 2015 geplant.

Grafik: Riegler Riewe Architekten

Foto: Wojciech Krynski

In Anlehnung an die ehemalige Bedeutung des Zechengeländes basiert das architektonische Konzept auf der Idee, das umfangreiche Raumprogramm weitgehend »unter Tage« umzusetzen. Neben Ausstellungsräumen für Dauer- und Wechselausstellungen mit Exponaten aus den Bereichen Kunst, Archäologie, Ethnografie und Geschichte sollten auch Konferenz- und Seminarräume Platz finden. Nach außen hin tritt der gesamte Komplex ausschließlich durch abstrakte Glaskuben in Erscheinung, die so dimensioniert sind, dass sie sich harmonisch in das Ensemble der bestehenden historischen Gebäude – Maschinenhaus, Waschkaue und Förderturm – einfügen. Zusammen mit einem neu geschaffenen Netz aus Wegen, Plätzen und Grünanlagen ist ein feingliedriger öffentlicher Naherholungsraum entstanden – ein »Stadt-Park« im besten Sinn.

Foto: Wojciech Krynski

Die gläsernen, längs aufgereihten Quader variieren in ihrer Größe und Nutzung: Der größte, viergeschossige Riegel nimmt zum einen die Verwaltung auf; zum anderen erreicht man von hier aus die unter der Erde gelegenen Konferenz- und Seminarräume. In der Verlängerung dieses Gebäudes befindet sich ein weiterer, aber flacher Riegel mit dem Museumseingang. Vom großzügigen Foyer aus führt ein imposantes Rampensystem nach unten zu den zwei Hauptausstellungsebenen. Belichtet werden sie durch fünf kleinere Glaskuben, die sich durch die Decken hindurchzudrücken scheinen und in den weitläufigen, hohen Räumen interessante Akzente setzen. Neben diesen »Lichtboxen« sorgen vier Patios für Tageslicht in den benachbarten, ebenfalls unterirdischen Bereichen mit Seminarräumen, Auditorium und Werkstätten.

Foto: Paolo Rosselli

Foto: Wojciech Krynski

Durch die streng orthogonale Ausrichtung der beiden Glasriegel und der Lichtboxen nimmt der einzig schräg gestellte, etwas abseits stehende Baukörper eine Sonderstellung ein. Von einer unterirdischen Rampe erschlossen, nimmt der quadratische Raum die Wechselausstellung auf und wird durch eine eindrucksvolle Lichtkassettendecke überspannt.

Foto: Paolo Rosselli

Foto: Wojciech Krynski

Auch die historischen Bestandsgebäude aus rotem Ziegelmauerwerk sind in die neue Museumsnutzung einbezogen: In der ehemaligen Waschkaue (Umkleide für die Bergleute) ist das Polnische Bühnenbildzentrum untergebracht und im Maschinenhaus befindet sich ein Restaurant. Durch den Anbau eines Treppenturms mit Aufzug wird der bestehende Förderturm ebenfalls für Besucher zugänglich und bietet einen fantastischen Ausblick – nicht nur über das ehemalige Zechengelände, sondern über die ganze Stadt Katowice.

Foto: Wojciech Krynski

Projektdaten:

Projektleiterin: Paulina Kostyra-Dzierzega
Mitarbeiter: Mikolaj Szubert-Tecl, Anna Zbieranek, Markus Probst, Nicole Lam, Lavinia Floricel, Minoru Suzuki, Bettina Tóth, Bartlomiej Grzanska, Tomasz Kabelis-Szostakowski, Dorota Zurek, Pawel Skora
Bauherr: Museum Slaskie
Generalunternehmer: Budimex S.A.
Fertigstellung: 2013


Eine ausführliche Print-Dokumentation finden Sie in unserer Ausgabe
DETAIL 2015/1+2 zum Thema »Bauen mit Glas«.
https://detail-cdn.s3.eu-central-1.amazonaws.com/media/catalog/product/R/i/Riegler-Riewe-katowice-teaser.jpg?width=437&height=582&store=de_de&image-type=image
Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse ein, um einen Link zum Zurücksetzen Ihres Passworts zu erhalten.
Pflichtfelder
oder
Copyright © 2024 DETAIL. Alle Rechte vorbehalten.