08.07.2019 Bettina Sigmund

Stadtakustik verbessern

Typische Stadtsituation mit unterschiedlichen Lärmquellen (Foto: Free-Photos auf Pixabay)

Die Geräuschkulisse und Lärmbelastung in Großstädten sind teils so hoch, dass sie ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Dass Architektur über die Volumenanordnung und Oberflächenmaterialien einen Beitrag zur Lärmreduzierung leisten kann, ist grundsätzlich bekannt, wie sich jedoch akustische Räume in der Stadt bilden und wie man Stadtsituationen nicht nur quantitativ, wie bisher in den Regelwerken üblich, sondern auch qualitativ in Abhängigkeit von der umgebenden Bebauung lärmtechnisch beurteilen kann, eruierte nun eine Forschungsgruppe der Frankfurt UAS.

Im Rahmen des Urban Acoustic Facade Lab, einem mobilen Akustiklabor, wurden dazu Lärmmessungen mit verschiedenen Fassadentypen an sechs Messstationen in Frankfurt am Main durchgeführt. Gerade in Großstädten mit hoher und dichter Bebauung spielt die Oberfläche der Gebäudehülle eine besondere Rolle bezüglich der Stadtakustik, da der Lärmeintrag zusätzlichen durch Reflektion an den großen schallharten Fassadenflächen gesteigert wird. Zwar existiert bereits eine Vielzahl von Untersuchungen der Schallausbreitung im städtischen Raum, aber es handle sich dabei um zweidimensionale Simulationen, die für Gebäude mit maximal acht Geschossen durchgeführt wurden, erläutern die Forscher. Somit ist deren Relevanz für Städte wie Frankfurt am Main mit aktuell 109 Hochhäuser mit einer Höhe von über 50 Metern eingeschränkt.

Im Forschunsvorhaben des Fachbereichs Architektur, Bauingenieurwesen und Geomatik wurden unterschiedlichen Fassaden-Mock Ups im Stadtraum aufgebaut. Es wurden Akustikmessungen mit einem aus Leichtbeton gefertigten Kunststein-Modul, einem aus Dämmschaum bestehenden Wärmedämmverbundsystem-Modul (WDVS), einem Textilmodul aus Glasfasergewebe und einem Metall-Modul aus Blechkassette mit Dreieckslochung durchgeführt. Die Feldmessungen zeigten, dass geometrisch strukturierte Fassaden den Lärmpegel im umgebenden Stadtraum beeinflussen und zu einer Pegelreduzierungen von bis zu vier Dezibel für einzelne Frequenzbänder führen können. Der vom Menschen empfundene Lautstärkezuwachs führt bei vier Dezibel aufgrund des logarithmischen Effekts zu einer überproportionalen Reizempfindung und einer Verdoppelung des gefühlten Lärmpegels. Gleiches gilts auch andersherum, eine Reduktion von vier Dezibel halbiert folglich die empfundene Lautstärke. Die Wissenschaftlern sehen darin ein enormes Potenzial zur Lärmreduzierung, das momentan noch nicht genutzt wird – und dies allein durch die Oberflächengestaltung und -materialien. Denn zuätzlich lässt sich eine Lärmminderung im Außenraum auch über die Gebäudekubatur beispielsweise durch Balkonen oder Loggien und die Lage der Baukörper zueinander steuern, was jedoch nicht Bestandteil dieses Forschungsvorhabens war.

Durch die Feldforschungen wurde das Potenzial der modifizierten Fassadenflächen im Vergleich zu schallharten, planen Fassadenreferenzflächen unter realen Bedingungen im Stadtraum erfasst. Um realistische Angaben für konkrete Bauvorhaben zu erhalten, mussten die Messungen für unterschiedliche Schallquellen durchgeführt werden – Verkehrslärm von Straße, Straßenbahn, Schiene und Flugverkehr. Auch die Richtung einer Lärmquelle im Stadtraum ist dabei ein wichtiger Parameter. Für den Wechsel von Flug- zu Straßenlärm wurden bei gleicher Testfassade Pegeländerungen von bis zu sechs Dezibel festgestellt. Bei Testfassaden aus kleineren Teilflächen fiel der Einfluss der Lärmeinwirkungsrichtung deutlich moderater aus als bei Testfassaden mit sehr großen Teilflächen.

Grundsätzlich kamen die Wissenschaftler zu folgendem Ergebnis: „Die Unterschiedlichkeit der Messungen zeigt, das sich die Werte der Testfassaden nur ortsbezogen interpretieren lassen. Jede Fassade wirkt an jedem Ort individuell, weil auch jeder Stadtraum individuell akustisch ist. (...) Übertragen auf konkrete Bauprojekte bedeutet dies, dass ähnlich einer Bodenbeprobung zum Standsicherheitsnachweis die akustische Situation rund um das geplante Gebäude im Hinblick auf Lärmquellen und deren Richtungen erfasst werden muss. Anhand der gefundenen Parameter könnte dann ein Fassadendesign mit einer beabsichtigten akustischen Wirkung gestaltet und vor Ort getestet werden." Die Forscher sehen es als eine „zwingende Notwendigkeit, akustische Interventionen in der Fassade individuell zu planen.“ Es ist angedacht, die Lärmminderungspotenziale der Fassaden sowohl im Gebäudebestand der Städte als auch in Neubauprojekten in zukünftigen Forschungsprojekten weiter zu bestimmen.

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