15.05.2009 Jakob Schoof

Unterwegs zum Gipfel - Teil 1

Im Dezember ist es so weit: COP15, der UN-Klimagipfel in Kopenhagen, soll eine globale Nachfolgeregelung für das Kyoto-Protokoll bringen. In einer dreiteiligen Serie berichten wir von neuen Erkenntnissen der Klimaforscher, möglichen politischen Maßnahmen gegen den Klimawandel und den Auswirkungen, die sie auf Architektur und Bauwirtschaft haben könnten.

Foto: COP15

Unter Klimaforschern kursiert derzeit eine Kurve, die noch stärker nach unten weist als der Kurs des Dow Jones in den Monaten nach Lehman. Sie stammt von Wissenschaftlern des Klimaforschungszentrums auf der norwegischen Insel Spitzbergen und zeigt die Ausdehnung der sommerlichen Eisdecke in der Arktis. Kurz gesagt, besagt sie: Wenn sich der Trend der vergangenen drei Jahre fortsetzt, wird die Arktis irgendwann zwischen 2011 und 2015 im Sommer erstmals eisfrei sein.

Das hörte sich noch vor wenigen Jahren ganz anders an. In seinem letzten Bericht von 2007 hatte der Weltklimarat IPCC eine eisfreie Arktis erst für das Jahr 2090 vorhergesehen. Dass sich das Gremium der weltweit führenden Klimaforscher in seinen Prognosen um 80 Jahre verschätzt, zeigt jedoch, mit welchen Unsicherheiten alle Klimavorhersagen noch immer behaftet sind. Das System „Welt“ ist eben doch ungleich komplexer als alle Modelle der Wissenschaftler. Doch dies ist kein Grund zur Entwarnung: Fast alle Erkenntnisse, die die Klimaforschung in den letzten Jahren hinzugewonnen hat, weisen auf eine stärkere und schneller Erderwärmung hin als bislang angenommen. Die Konzentration der Klimagase in der Erdatmosphäre steigt stärker als prognostiziert und die Fähigkeit der Ökosphäre, CO2 auf natürlichem Wege (etwa durch Photosynthese) zu absorbieren ist geringer, als die Wissenschaftler noch vor kurzem annahmen. Selbst eigentlich positive Anstrengungen wie die vieler Entwicklungsländer um Luftreinhaltung könnten der Erderwärmung Vorschub leisten: Denn der Smog bewirkte bislang immerhin noch, dass sich die Erde aufgrund der geringeren Sonneneinstrahlung weniger aufheizt.
Überhaupt noch nicht bekannt sind die Auswirkungen sogenannter "tipping points" im Erdklima. Sie sind der berühmte Schmetterlingsflügel, der einen Wirbelsturm auslösen kann. Einer von ihnen könnte schon in naher Zukunft eintreten: Ist das Eis in der Arktis erst einmal verschwunden, könnten die Permafrostböden Sibiriens und Nordkanandas bald auftauen und riesige Mengen Methan freisetzen. „In den Permafrostböden sind vermutlich midestens eine Billion Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Das ist zehnmal so viel, wie die Menschheit bisher durch Verbrennung von Kohle, Gas und Öl freigesetzt hat“, sagt etwa Hans Joachim Schellnhuber, der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Klimaberater der Kanzlerin.
Kurz gesagt: Die Klimaforscher schlagen – wieder einmal – Alarm. „Nichtstun ist unentschuldbar“, hieß es etwa im Abschlussdokument einer Konferenz zum Klimawandel, die im März in Kopenhagen stattfand. Die gute Nachricht bringt der britische Ökonom und Regierungsberater Nicholas Stern auf den Punkt: „Wir besitzen die notwendigen Technologien, um die Erderwärmung zu begrenzen, und das macht mich im Grunde optimistisch. Was nun noch fehlt, ist der politische Wille zu ihrer Durchsetzung.“
Gerade haben zum Beispiel die Siemens AG und das Wuppertal Institut eine Studie veröffentlicht, die Wege in eine CO2-freie Zukunft der Stadt München aufzeigt. Ihr Ergebnis: Das Ziel der EU-Umweltminister, den Treibhausgasausstoß bis 2050 zu halbieren, ist mit bekannten Technologien auch ohne Verhaltensänderungen der Bevölkerung machbar. Erreichbar, so die Studie, wäre sogar eine Reduktion von 80 Prozent. Dazu müssten erneuerbare Energiequellen dort genutzt werden, wo sie am stärksten auftreten (also etwa durch solare Großkraftwerke in Nordafrika), die Kraft-Wärme-Kopplung massiv gefördert werden und sich die Zahl der Gebäude, die jährlich thermisch saniert werden, in etwa vervierfachen.
Lesen Sie in der kommenden Woche, welche Auswirkungen die Klimapolitik künftig auf das Bauwesen haben wird.
Links:

Die Eismassen der Arktis und Antarktis schrumpfen schneller als bislang angenommen Hier eine Satellitenaufnahme des Wilkins-Schelfeises vom Sommer 2008. Foto: NASA Earth Observatory

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