26.06.2011

Veranstaltungsreihe Zukunftsforschung in der Architektur

17. bis 22. Januar 2011

Für eine Woche war München Treffpunkt der internationalen Baubranche. Foto: Messe München GmbH - BAU 2011/Paul Gerhard Loske

Foto: heroal

Foto: heroal

Oskar Zieta, Designer, Architekt und Forscher an der ETH in Zürich, hob in seinem Vortrag zum "Prozessdesign mit Materialien" vor allem die konkrete Umsetzung der Virtual Engineering Methodik hervor. Anhand zahlreicher Materialverformungs-Experimente und gebauter Versuchsbeispiele stellte er die bereits vorhandenen Technologien und Werkzeuge vor. In seiner Lehre geht es vor allem darum, den Studenten die Übertragung vom Rechenmodell auf die Maschine und auf das Material selbst zu ermöglichen. Kooperationen mit verschiedenen Firmen, z.B. Trumpf in der Schweiz, ermöglichen den Studenten Ihre Entwürfe direkt am Modell zu überprüfen und ggf. zu überarbeiten. Oskar Zieta zeigte z.B. den Hocker "Plopp" (eine Art "aufgeblasenes" Sitzmöbel), bzw. dessen Produktionskette, über CNC-Fräs- und Laser-Schweißtechnik und robotergestützte Weiterverarbeitung bis hin zum fertigen Objekt und machte deutlich: alles läuft automatisiert. Manuell bzw. maschinengestützt ist erst der letzte Arbeitsschritt, das Aufblasen des Hockers.

Oskar Zieta: In seiner Lehre geht es vor allem darum, den Studenten die Übertragung vom Rechenmodell auf die Maschine und auf das Material selbst zu ermöglichen.

Granatkapelle, Zillertal © merz kley partner

Granatkapelle, Zillertal © merz kley partner

Tag 6, 22.01.2011

Parametrics - Parametrische Architektur

Begriffe wie "Parametrisches Planen", "Computational Design", "Digitales Entwerfen" und "Computergestützes Bauen" wurden in letzter Zeit viel diskutiert und sind nicht unumstritten und oft nicht klar definiert. DETAILresearch wollte mit dem Schlagwort der heutigen Diskussion im Forum MakroArchitektur - "Parametrics" - einen Blick werfen auf lückenlose digitale Prozessketten, die sämtliche Aspekte des Bauens samt ihren Wechselwirkungen beschreiben, überprüfen und optimieren sollen. Diesen Anspruch erhebt die parametrische Entwurfsmethodik für sich selbst. Aber welche Veränderungen, Erweiterungen und Entwicklungsmöglichkeiten der architektonischen Praxis bietet parametrisches Planen und digitales Entwerfen? Welche Perspektiven zeigt es auf und wie verändert sich die Rolle des Architekten zukünftig? Um diese Fragen zu beantworten, war vorweg eine Standortbestimmung notwendig, damit Sandra Hofmeister mit Prof. Dr. Ludger Hovestadt (ETH Zürich), Arnold Walz (designtoproduction Stuttgart), Prof. Tobias Wallisser (LAVA Architekten, Stuttgart) und Nils Fischer (Architekt und Associate bei Zaha Hadid Architects) fundiert diskutieren konnte.

Nils Fischer: Mit dem Computer bieten sich zahlreiche neue Möglichkeiten für den Architekten.

Veranstaltungsplakat

Nils Fischer übernahm die Ortsbestimmung mit seinem Vortrag zum Thema "Bauen im Jahr 2020". Fischer stellte heraus: mit dem Computer bieten sich zahlreiche neue Möglichkeiten für den Architekten. Aber ums Entwerfen geht es nach wie vor - mittlerweile um das Parametrische Entwerfen. Mit der parametrischen Entwurfsmethodik, den Programmen und Tools enthält der Entwerfer "mächtige Entwurfswerkzeuge", die die verschiedenen Informationen verknüpfen, Parameter bestimmen. Dabei sei die Bedienung der Werkzeuge heute kein Thema mehr. Dort, wo früher Programmierer nötig waren können heute schon Architektur-Absolventen die ausgereiften Programme und Tools bedienen. Eine Forschungsgruppe bei Zaha Hadid Architects entwickelt und optimiert ebenfalls solche Entwerfertools. Grundsätzlich, so Fischer, spiele vor allem die Zeit als limitierender Faktor im heutigen Planungsprozess eine große Rolle. Während ein Großprojekt in der Regel bis 5 Jahre in Anspruch nimmt, bleiben bei einem Wettbewerb nur 3 - 6 Wochen für die Entwurfsphase. Heutzutage sind schnelle und überzeugende Bilder und Entwurfslösungen gefordert, denn Wettbewerbe sind nur durch überzeugende Darstellungen zu gewinnen. Im Anschluss an den Vortrag von Nils Fischer stellte sich die Podiumsrunde den Fragen von Sandra Hofmeister und aus dem Publikum. Die Antworten finden Sie hier in Auszügen wieder.

Die Podiumsteilnehmer am Tag 6 (v.l.): Nils Fischer, Tobias Wallisser, Sandra Hofmeister,

Bild: PricewaterhouseCoopers GmbH

Sandra Hofmeister (SH): Kann sich der Architekt weiterhin als Schöpfer verstehen?   Nils Fischer: Wenn die Prinzipien festgelegt wurden spart der Architekt in der Parametrischen Architektur Zeit, Zeit die für die Entwurfsphase nötig ist.
SH: es gibt ein Buch von Ihrem Kollegen Ben van Berkel Pladoyer für Abschaffung des Entwurfs...
Tobias Wallisser: Das ist ein anderes Thema.... Manchmal wird man zum Gefangenen seines eigenen Werkzeugs. Eine Antwort z. B. von Studenten die ich bekommen habe: "mein Entwurf sieht so aus, weil das Programm es genauso ausgibt." SH: Ist denn eine Serienfertigung in der Architektur durch parametrische Entwurfsmethoden denkbar?

Arnold Walz: Es entstehen natürlich durch die Software und Werkzeuge ähnliche Dinge. Aber hierbei geht es eher um den richtigen Umgang mit den Werkzeugen. Dann kann es auch vielfältige Ergebnisse geben.
Ludger Hovestadt: Alles wird immer schneller werden. Stichwort: optimierte Städte. Ein Architekturstudent kann z. B. innerhalb von 3 Wochen alle Tools erlernen, um jeden Kunden seinen architektonischen Wunsch zu erfüllen. Ich finde die Vorstellung langweilig, dass Architektur in Zukunft von Computern "erledigt" wird.
Tobias Wallisser: Das ist nicht nur langweilig sondern absurd. Zeit ist dann nicht mehr der Faktor. Wer entscheidet bei der Prozess-Optimierung der Städte darüber welche Parameter gut und sinnvoll sind.
Arnold Walz: Wenn wir "Geile Bilder" mit Architektur gleichsetzen, ergibt das vielleicht Sinn. Aber wer möchte letztendlich in solchen Städten wirklich leben? Anspruchsvolle Gestaltung bedarf Architekten die notwendige Parameter bedienen können. SH: Was ist mit der Architekturqualität? Arnold Walz: Die Frage ist eher, wie Architektur in Zukunft aussehen soll. Und welche Produktionsprozesse braucht die Architektur im Gegensatz z.B. zur Automobilindustrie? Das müssen unsere Fragen sein...
Nils Fischer: Die Menschheit wächst stetig weiter. Die neuen Technologien sollten also da eingesetzt werden, z.B. in Ländern wie Indien. Wenn die Werkzeuge richtig eingesetzt werden, können sie durchaus zu einer Verbesserung beitragen. Tobias Wallisser: Über eine Sache haben wir noch nicht gesprochen: den Bauprozess. Die Dinge ändern sich. Die Frage ist wir geht man als Architekt damit um? Und diese Werkzeuge geben uns ein Feedback. Der Entwurfs- Planungs- und Bauprozess muss nicht mehr linear sein. (...)
Ludger Hovestadt: Meine Prognose für die Zukunft: Maschinen werden in Zukunft alles können. Das ist eine langweilige Vorstellung. (...) Die Variationen, die Vielfalt sind interessant. Da sollte angesetzt werden. Wir müssen aus der Langweile der kürzesten, optimiertesten Wege raus kommen. Jenseits der Optimierung passieren die spannenden Sachen.
TW/NU/SH

Tag 5, 21.01.2011

Massproduction - Industrialisierte Produktionsprozesse? Wie sie die Zukunft des Bauens verändern

Masse statt Klasse ist ein weit verbreitetes Vorurteil, das gerade für Prozesse und Produktionsmethoden rund um das Bauen revidiert werden muss. Ohne Masse kann angesichts des heutigen Bauvolumens nicht mehr gebaut werden. Die Prozesse der Industrialisierung sind also in diesem Sinne kein Übel (wie das Klischee Masse statt Klasse sagen will). Und sie sind auch kein Gegenbegriff zum Handwerk (gestern) sondern ergänzt sich gegenseitig. Was aber genau bedeutet Massenproduktion? Dieser Frage gingen heute, am Tag 5 im Forum MakroArchitektur, gemeinsam mit Sandra Hofmeister, Prof. Dr. Petra von Both (KIT Karlsruhe), Oskar Zieta (ETH Zürich), Martin Lutz (Drees & Sommer Advanced Building Technologies) und Peter Scheller (Palais Mai) nach. Die Reihe der Referenten  war ein wenig gelichtet, denn Thomas Pink musste wegen eines Skiunfalls, Prof. Peter Ebner wegen eines dringenden Auslandstermins kurzfristig absagen, was das Niveau der Diskussion aber nicht minderte. Vorangestellt waren zwei kurze Vorträge, die ins Thema "Massproduction" einführen sollten. Petra v. Both, die sich am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit diesem Thema eingehend beschäftigt, zeigte wie breit die Schere zwischen dem wirtschaftlichen Druck zur Massenproduktion (um Kosten zu sparen) und der durchschnittlichen Größe eines Architekturbüros (3 - 5 Mitarbeiter) ist. Kann hier überhaupt das Massenproduktionsgesetz aus der Konsumgüterindustrie gelten? Also: bei steigenden Fixkosten entsprechende Mengen ausstoßen um gewinnbringend zu arbeiten? Hier ist, so Petra v. Both, ein Umdenken nötig. Da Massenproduktion Massenkonsum erfordert, sind die Ansätze der Konsumgüterindustrie nicht auf unsere projektbezogene Arbeitsweise übertragbar - Effizienzsteigerung muss auf anderem Wege erfolgen. Doch einige Beispiele konnte die Referentin bereits nennen, die wegweisend sind. Ein möglicher Weg: die Individualisierung der Massenproduktion - Stichwort "Mass Customization". Sie verknüpft die Vorteile der Massenproduktion mit der Einzelfertigung, ganz im Sinne individueller Kundenwünsche, beispielsweise bei der Individualisierung von Bausystemen, welche die Grenzen des Systems durch eine Erweiterung mit individuellen Details aufbrechen möchten. Weg weisender scheint allerdings die automatisierte Fertigung kundenspezifischer Unikate. Das Bauunternehmen Max Bögl arbeitet bereits in diese Richtung: mittels automatisierter Produktionsprozesse schafft es die Firma zu individualisieren. Die Basis dafür, so Petra v. Both, ist die Virtual Engineering Methodik. Der Planungsprozess ist hier durchgängig modellbasiert,  jederzeit lassen sich einzelne Planungssschritte dreidimensional visualisieren, simulieren oder mittels CAD/CAM Kopplung in die Fertigung überführen. Wichtig für eine Breitenwirkung dieses Ansatzes (92% der Unternehmen im Bauhauptgewerbe sind kleiner als 20 Personen) sei allerdings Verbesserungen in Bezug auf die bisher noch sehr hohen Investitionskosten solcher Anlagen: Das Karlsruher Institut für Technologie forscht zurzeit an einem Low-Cost Ansatz für solche Rapid Prototyping Umgebungen.

Kann in der Architektur denn überhaupt das Massenproduktionsgesetz aus der

Bild: UdiDämmsysteme GmbH

Bild: UdiDämmsysteme GmbH

Image: UdiDämmsysteme GmbH

Image: UdiDämmsysteme GmbH

In der abschließenden Podiumsdiskussion, an der sich alle Teilnehmer auf dem Podium beteiligten, stand vor allem die Frage nach der praxisnahen Umsetzung der Massenproduktion in der Architektur im Raum. Sandra Hofmeister stellte die Frage an Martin Lutz: "In der Fassadentechnik ist dieses Thema sehr weit vorangeschritten. Zum Beispiel beim Projekt Elbphilharmonie Hamburg. Alle Elemente sind vorgefertigt und werden lediglich verankert. Da wird nichts mehr vor Ort aus Einzelteilen zusammengesetzt. In diesem Bereich ist man dem Ziel der kompletten Vorfertigung gegenüber anderen Disziplinen am Bau sehr nahe gekommen."

Martin Lutz: Wir brauchen mehr Leute, die zielstrebig ihre Forschung betreiben. Lösungen, die wir uns heute nicht leisten können werden durch konsequente Forschung weit vorangetrieben.

Foto: Lindab GmbH

Foto: Lindab GmbH

Photo: Lindab GmbH

Photo: Lindab GmbH

Bauen im Bestand - wie im Fall der Elbphilharmonie ist eines der größten Themen unserer Zukunft. Wie lassen sich Massenfertigung und Bestand miteinander verbinden? Peter Scheller, Architekt und Stadtplaner im Büro Palais Mai, beantwortet Sandra Hofmeister Frage zwiegespalten: "Die Rahmenbedingungen sind schwer vorauszubestimmen. Der Bedarf muss also vorab geklärt werden. Bauen ist noch immer eher Projektarbeit. Für den Planer ist es eher neu, das alles vorgefertigt wird, kann, soll. Ich sehe das auch als große Gefahr, dass eintönige Wohnwüsten entstehen können." Petra v. Both sieht  die Gefahr hinsichtlich schlechter architektonischer Lösungen eher auf Seiten mangelnder Planungsmethodik und unzureichender Kundeneinbeziehung bei der Bedarfsplanung: "Man muss hier klar unterschieden! Die Überlegung, Standards von Anfang an in die Planung zu integrieren sind ja nicht neu.  Standardisierung ermöglicht Effizienzsteigerung. Die wichtige Frage muss doch lauten: Auf welcher Ebene und welchem Granularitätsgrad sollen Standards zum Einsatz kommen, um individuelle Planung effizienter realisieren zu können? Durch eine Standardisierung auf Ebene der Methoden und Prozesse sehe ich einen vielversprechenden Weg in der automatisierten Planung und Fertigung. " Ein Lösung, die für Martin Lutz überhaupt kein Thema ist: "Standardisierung finde ich schlecht. Rationalisierung ist aber trotzdem möglich. Die Erhaltung der Individualität heißt nicht gleichzeitig, dass keine Rationalisierung möglich ist oder wird!" Petra v. Both und Oskar Zieta haben in ihren Vorträgen darauf verwiesen: eine Architektengeneration wächst an den Universitäten und Fachhochschulen heran, die mit neuen technischen Werkzeugen prozesshaft Planen und Bauen lernen. Doch das ist noch Zukunftsmusik - wie sieht der Alltag in Planungsbüros aus. Wie entscheidend sind die Planungsprozesse dort? Martin Lutz meint: "Generalunternehmer zum Beispiel machen so gut wie nichts mehr selbst. Man handelt nur noch mit dem Handwerk, kauft sich Personal. Der GU ist clever - und der Kunde zahlt am Ende 15 % mehr. Sicherheit hat an dieser Stelle keiner mehr. Sicher ist ein Projekt nur, wenn gute Leute daran arbeiten, gute Handwerker. Nach dem Prinzip lebe ich."

Auf einen Konsens konnten und wollten sich die Teilnehmer nicht einigen, zu breit war das Spektrum - vom Wissenschaftler über den Designer bis zum planenden Architekten. Und zu schwammig die Chancen und Risiken für die Zukunft. Doch Martin Lutz steht stellvertretend für alle auf dem Podium, indem er deutlich macht: "Wir brauchen mehr Leute, die zielstrebig ihre Forschung betreiben. Lösungen, die wir uns heute nicht leisten können werden durch konsequente Forschung weit vorangetrieben. Und wir brauchen mehr Kontakt zu den Universitäten, Hochschulen und den Meinungsaustausch. Die Kommunikation fehlt im Bau da oft komplett."
TW/NU/SH

Tag 4, 20.01.2011

Craftsmanship - Renaissance des Handwerks

"Arts and Crafts" war eine Bewegung, die Mitte des 19. Jahrhunderts in England entstand, verbunden mit Namen wie William Moris oder John Ruskin, verschiedenen Architekten und Künstlern. Die Wiedervereinigung von Kunst und Kunsthandwerk war eines der Hauptziele dieser Bewegung, die auch in den USA vertreten war und u.a. durch die Entwürfe des Innenarchitekten Charles Rennie Makintosh bekannt wurde. Wenn also wie heute im Forum MakroArchitektur über Craftsmanship diskutiert wird, muss man die historische Rolle des Kunsthandwerks um deren aktuellen Stellenwert ergänzen, um einen Blick in die Zukunft zu wagen. Die Rolle des Handwerks, so scheint es auf den ersten Blick, wurde durch Prozesse der Industrialisierung zurückgedrängt. Doch gleichzeitig steht die Qualität handwerklicher Leistungen - auch und gerade in der Architektur und im Design - außer Frage. Sie ist sogar hoch im Kurs: Handwerk - Craftsmanship - oder "hand made" generell werden oft zu einem besonderen Luxusgut, das sich nur Wenige leisten können. Wo liegen also die Zukunftsperspektiven des Handwerks und sein Stellenwert in der Architektur? Und welchen Herausforderungen muss sich das Handwerk stellen, um dauerhaft zu bestehen? Um diese Fragen zu beantworten waren heute versierte Verfechter des Craftsmanship auf dem Podium. Prof. Dr. Paul Kahlfeldt (Berlin), Prof. Martin Rauch (Lehm Ton Erde Baukunst, Schlins) Philipp Mainzer (e15, Frankfurt am Main), Anna Philipp (Philipparchitekten, im Württembergischen) und Christoph Lemp (Bauwerk Capital, München) diskutierten bei Sandra Hofmeister ihre Standpunkte. Und sie ließen sich nicht durch das Bohren und Hämmern in der Messehalle stören. Denn das war schließlich authentisches Craftsmanship, "handmade" auf der BAU. Den einleitenden Vortrag hielt Martin Rauch, der seit vielen Jahren mit einem der ältesten Baustoffe der Menschheit - Lehm - arbeitet. Ohne das Handwerk waren und sind Lehmbauten nicht zu realisieren, wie er eindrucksvoll an seinen Projekten zeigte.  So z.B. die Kapelle der Versöhnung in Berlin, (www.kapelle-versoehnung.de, Reitermann & Sassenroth, in der Nähe des Denkmals Bernauer Straße): mit Schalungselementen, die dem Betonbau ähnlich sind, wurde der erste große öffentliche Lehm-Neubau seit über 150 Jahren gefertigt. Die Kapelle wurde in Stampflehmbauweise erstellt, die u.a. durch die charakteristische heterogene Schichtung die handwerkliche Qualität abbildet. Doch Rauch, der sich selbst als Künstler sieht, stellt klar: das Handwerk allein genügt nicht, die Architekten bleiben weiterhin gefordert.

Martin Rauch arbeitet seit vielen Jahren mit einem der ältesten Baustoffe der Menschheit: mit Lehm.

Foto: Klafs GmbH & Co. KG

Foto: Klafs GmbH & Co. KG

Photo: Klafs GmbH & Co. KG

Photo: Klafs GmbH & Co. KG

Der Baustoff Lehm, der im hoch industrialisierten Europa eher ein Nischendasein als Konstruktionsbaustoff führt, ist laut Rauch in anderen Regionen (z.B. Bangladesh) Baustoff "Nummer eins". Der hohe handwerkliche Aufwand in der Verarbeitung ist dort kein Thema: der Tageslohn eines Arbeiters liegt in Bangladesh bei umgerechnet 1 - 2 Euro... Ist das Handwerk also zu teuer in Deutschland?

Paul Kahlfeldt: "Wir als Architekten müssen ein Formenverständnis besitzen und dieses im

Foto: Luc Boegly

Foto: Luc Boegly

Photo: Luc Boegly

Photo: Luc Boegly

In der anschließenden Podiumsdiskussion bringt es Paul Kahlfeldt auf den Punkt: "Europa ist hoch entwickelt und reich. Die handwerkliche Massenproduktion wurde im Laufe der Jahrzehnte durch industrielle Massenprodukte abgelöst. Und das Handwerk kann schnell kitschig werden. Um also Qualität zu erzeugen, in ästhetischer Hinsicht, muss das Handwerk gut gemacht sein. Es ist also eine Definitionsfrage: Was ist letztlich gutes Handwerk. (...)." Christoph Lemp erkennt vor allem die wirtschaftlichen Kraft des Handwerks an: "der klassische Mittelstand, 20-25 Personen pro Betrieb, erhält letztlich unseren wirtschaftlichen Wohlstand! Und Ästhetik kann sich nicht jeder leisten, nehmen Sie als Beispiel Kunststoff-Fenster: die sind weder schön noch nachhaltig. Dennoch kann mancher nicht mehr zahlen und verwendet diese Produkte."

Christoph Lemp sieht das Handwerk weiterhin in der Nische. Die wenigsten können es

Foto: GriP Safety Coatings AG

GriP Safety Coatings AG

Photo: GriP Safety Coatings AG

Photo: GriP Safety Coatings AG

Gibt es also noch Bereiche, in denen das Handwerk Ästhetik und Kunst verbinden können, wohin kann es sich noch entwickeln? Paul Kahlfeldt dazu: "Kein Tischler baut heute mehr Fenster! Wir als Architekten möchten aber schöne, besondere Fenster haben. Die Materialfrage ist eigentlich nicht die Frage des Bauens." Martin Rauch ergänzt: "Es gibt nur noch Baumontageleute, keine Handwerker mehr. Der Maler zum Beispiel war früher ein angesehener Beruf - heute nicht mehr. Das Handwerk hat jedoch weiterhin eine wichtige Rolle." Paul Kahlfeldt: "Handwerk gibt es heute Null. Kann sich keiner mehr leisten. Es ist billiger den Block aus Brasilien einzufliegen als kleinteiliges Handwerk."

Philipp Mainzer: "Die Effizienz spielt auch im kleinen Maßstab der handwerklichen Fertigung

Foto: Philippe Ruault

Foto: Philippe Ruault

Doch wo steht der Architekt in diesem Szenario? Anna Philipp: "Architekten und Handwerker müssen zusammenkommen, wie zwei Puzzleteile. Der Architekt ist auf den Handwerker angewiesen. Handwerker mit Fachkompetenz müssen her!" Paul Kahlfeldt: "Wir als Architekten müssen ein Formenverständnis besitzen und dieses im Bauprozess umsetzen. Wir brauchen tragende Konzepte." Christoph Lemp hakt hier ein: "Die Zielgruppe, die das Handwerk verlangt und sich dieses leisten kann, ist eine Minderheit. Die Handwerksnische wird es aber auch in Zukunft geben. Doch dies ebenfalls nur als Minderheit. Der große Rest wird dann in anderer Form abgehandelt. Nehmen Sie mal ein großes schwedisches Möbelhaus: es geht nicht um Qualität sondern um Quantität."

Foto: Heck Wall Systems

Foto: Heck Wall Systems

Photo: Heck Wall Systems

Photo: Heck Wall Systems

Martin Rauch bringt das Risiko für Handwerk und Handwerks-Kunst in einer simplen Gleichung zusammen: Weniger Handwerk = weniger Nachhaltig. Die Architekten besitzen also zukünftig eine große soziale Verantwortung. Denn, so Martin Rauch: "Billig ist nicht gleich gut!" Wie recht er doch damit hat...
TW/NU/MS/SH

Tag 3, 19.01.2011

Megatrends - Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur

Das Zuschauerforum war wieder bis auf den letzten Platz belegt, selbst Stehplätze waren kaum mehr frei - dieses Bild bot sich am Mittwoch im Forum MakroArchitektur, das mit einem Vortrag zum Thema "Megatrends - Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur" und einer Podiumsdiskussion mit Prof. Manfred Hegger (TU Darmstadt), Prof. Arno Brandlhuber aus Berlin, Prof. Markus Schlegel (HAWK Hildesheim) und Prof. Tilman Harlander (Universität Stuttgart) zum Innehalten im Messetrubel einlud. Sandra Hofmeister führte mit ihrem Vortrag "Architektur von morgen - Utopien, Visionen, Zukunftsszenarien" ins Thema ein und moderierte gewohnt souverän die Veranstaltung, die zum Selbstläufer wurde. Die kontroverse Podiumsdiskussion, die Sie hier in Auszügen finden, hat DETAIL-Redakteurin Katja Pfeiffer (KP) für unsere kleine Nachlese mitgeschrieben. Das Lesen lohnt in jedem Fall!

Forum Makro Architektur, Halle A6, - Architektur von morgen:

Foto: Philippe Ruault

Foto: Philippe Ruault

Photo: Philippe Ruault

Photo: Philippe Ruault

Sandra Hofmeister (SH): Sind Architekten überhaupt an Trends beteiligt? Oder laufen sie ihnen hinterher? Ist Architektur eine Leitdisziplin - und wie ist ihr Stellenwert?

Arno Brandlhuber: Es fällt auf, dass kein deutscher Beitrag bei den von Frau Hofmeister im Vortrag vorgestellten Projekten dabei war. Woher kommt das? Wir leben momentan in einer relativ regressiven Phase. Es gab und gibt Krisenszenarien, die den Glauben in die Zukunft nicht gefördert haben. So herrscht heutzutage ein neorealistisches Bild im Bereich der Architektur. Am Beispiel von Stuttgart 21 lassen sich allerdings erste Tendenzen erkennen, dass Gesellschaft und Architektur wieder zueinander finden.

Sitzplätze waren kaum mehr zu ergattern. Gespannt verfolgt das Publikum den Vortrag von Sandra Hofmeister und die anschließende Podiumsdiskussion.

Foto: Philippe Ruault

Foto: Philippe Ruault

SH: Sind Architekten an den wichtigen Trends beteiligt? Markus Schlegel: Architekten sind nicht selten Leitfiguren und wesentlich an der Gestaltung von Zukunftsmodellen beteiligt. Deutschland steht als Ingenieurs-Land nicht so schlecht da. Wir sind jedoch umgeben von einem Volk von Gestaltungslegasthenikern, in Deutschland!
Manfred Hegger: Zum Stichwort Legastheniker, wir sind Kommunikationslegastheniker! Masdar City beispielsweise ist nicht zukunftstüchtig, aber gut kommuniziert. Wir sollten als Architekten zwar gestaltungsgetrieben sein, aber nicht ohne die gesellschaflichen Hintergründe zu berücksichtigen. SH: Fehlt es also an Zielen? Manfred Hegger: Wir müssen uns den Schwierigkeiten stellen!
Markus Schlegel: Gestaltungsgetrieben bezieht sich meiner Meinung nach auf den Neubau. Der Schwerpunkt der Entwicklung liegt aber im Bauen im Bestand (...). Weiterverdichten der Städte wird aber für die Zukunft des Bauens immer relevanter, und hier besteht ein Vakuum.
Tilman Harlander: Wir müssen aufpassen, dass unsere Visionen nicht allein in Richtung "technische" Innovationen gehen (...). Die Architektur-Zunft hinkt der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Wo sind die glaubwürdigen Wohnkonzepte für die Zentren der Städte als Äquivalent der suburbanen Konzepte, die Konzepte des Altenwohnens: Wo sind die Lösungen? (...) Das Auseinandertriften unserer Stadtgesellschaft ist auch ein Megatrend, dem wir begegnen müssen! (...)

Arno Brandlhuber: "Die Typologie des Einfamilienhauses ist aus verschiedenen Gründen

Foto: Joan Casals Pañella

Foto: Joan Casals Pañella

SH: Zu den Räumen für das private Wohnen: Wo liegen hier die Hebel? Arno Brandlhuber: Keiner wagt es so deutlich auszusprechen: Der EFH-Bau verbraucht den größten Raumverbrauch, die Typologie als solche ist aus verschiedenen Gründen ans Ende gekommen. Wie bringt man die Qualitäten des EFH-Baus in die Stadt? Hier liegt der Knackpunkt.(...)
Tilman Harlander: Wir haben uns alle an eine stete Steigerung des Wohnflächenkonsums gewöhnt. Dies waren 25 qm - in 50 Jahren und pro Person. Dieser Flächenzuwachs steht im Verhältnis zum steigenden Wohlstand. Das ist uferlos, unökologisch und stadtunverträglich, weil es eine "Entdichtung" bewirkt. Hier müssen wir umsteuern. Wir sollten dies aber nicht nur in die Verantwortung der Architekten, sondern auch der Bauträger geben. Diese dürfen wir nicht getrennt sehen. Private Baugemeinschaften haben hier Pionierleistungen getan. Fast alle Städte geben solchen Baugemeinschaften mittlerweile einen gewissen Raum.
SH: In München gab es letztes Jahr eine einzige zugelassene Baugemeinschaft!
Arno Brandlhuber: Andere Modelle sind z.B. das Freiburger Modell (Genossenschaftsmodell) oder das "Mietshäuser-Syndikat" in Berlin. Und es braucht generell neue Finanzierungsmodelle.
Tilman Harlander: Es unterstreicht einen Megatrend im Wohnungsbau: Mehr Selbstbestimmung, der in solchen Projekten seinen Ausdrucksform findet.

Manfred Hegger: "Ich warte auf die Stadt - und die klare Aussage: Wir schrumpfen und wir

Foto: Joan Casalas Pañella

Foto: Joan Casalas Pañella

Photo: Joan Casals Pañella

Photo: Joan Casals Pañella

SH: Doch zurück zur Energiefrage und Masdar City: In 40 Jahren werden wir laut Prof. Schuler kein Energieproblem mehr haben. Wie ist der technische Stand? Manfred Hegger: Zunächst sollte man zwischen Alt- und Neubauten differenzieren. Die Wohnbaugesellschaften sind "architektenresistent", schaffen bauphysikalische Nachteile, und das ist ein Problem. Architekten erzeugen Bilder von Stadträumen, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz. Unser Ziel ist es, mit weniger Mitteln mehr zu machen. Wir als Architekten sehen aber noch viel zu wenig die Potenziale.
Markus Schlegel: Im Sinne der zukünftigen Stadt beziehen die Behörden keine Position. Das ist ein großes Manko. Hildesheim bspw. wäre gut beraten, wenn sie sich mit dem Thema Stadtmarketing auseinandersetzen würde. Der Raum ist ein dritter Erziehungsfaktor. Die Fehler sind jetzt zu spüren, die die Stadtverwaltungen gemacht haben. Das Thema wird "Stadtmarketing" sein.
Tilman Harlander: Ich möchte die Stadtplanerkollegen in Schutz nehmen. Vauband, Hafencity, Trier Petrisberg etc. - alle kommen mit dem Anspruch daher, sie wollen keine Verkehrsdominanz, stattdessen autoarme Quartiere, funktional gemischte Städte. SH: Doch wenn die Städte marketingtechnisch in Konkurrenz treten? Es geht nicht überall, und die demographische Entwicklung können wir nicht aufhalten. Was können wir tun? Welche Konzepte gibt es dann? Manfred Hegger: Ich warte auf die Stadt - und die klare Aussage: "Wir schrumpfen und wir gehen damit um!"
T
ilman Harlander: Das gibt es schon! Es gibt Kommunen, die diesen Mut zur Lücke angenommen haben. Die IBA in Sachsen-Anhalt zum Beispiel: Dort gibt eine Fülle an Initiativen. Das Programm "Stadtumbau Ost", was ein Rückbau war, war ein historisch beispielloser Vorgang. Als Deutsche sind wir bereits mittendrin!

SH: Meine Herren, wir haben ein sehr zwiespältiges Bild des Architekten gezeichnet. Wie ist Ihr Schlussstatement?
Tilam Harlander: (...) Ich würde mir wieder ein stärkeres Einbeziehen der sozialen Aspekte in die Architektur wünschen, die mir im Moment zu technisch geworden ist. Ich habe aber Hoffnung, dass wir mit den besten Projekten auf dem Weg dazu sind.
Markus Schlegel: Wenn wir Gestaltung und Architektur für und mit dem Menschen machen, und wenn wir mit anderen Hochschulen aus dem Ausland kooperieren und wenn wir versuchen, sie dort zu verstehen, und wenn sich die Menschen wieder besinnen und zurücknehmen, dann sind wir auf dem guten Weg.
Manfred Hegger: Wir beobachten eine Entwicklung, die uns als Architekten verunsichert: der Raum verschwindet. Die nächste lange Phase wird sein, die gesellschaftlichen Grundlagen und das Bewusstsein zu schaffen, dass unsere Ressourcen endlich sind. Dann ergeben sich neue Formen, aus neuen Aufgaben, die wir haben.
KP/TW

Tag 2, 18.01.2011

Forschung und Anwendung - Innovative Materialien, Produkte und Prozesse

Nur die wenigsten innovativen Materialien aus Forschung und Entwicklung finden heute Anwendung in der architektonischen Praxis. Viele von ihnen sind zu teuer, zu aufwendig in der Herstellung oder aber nicht in komplexe Systeme integrierbar. Welches Zukunftspotenzial geht also von diesen Baustoffen aus? Und was versprechen wir uns von der Forschung? Haben Holz und andere traditionsreiche Baustoffe ausgedient - oder wo liegt deren Potenzial? Und schlussendlich: Der Graben zwischen Forschung zur Anwendung ist oft groß. Wie lässt er sich also überbrücken, welche Perspektiven ergeben sich daraus und inwiefern wird das Innovationspotenzial, das die Forschung für sich entdeckt hat, die Zukunft des Bauens prägen? Fragen über Fragen warf Sandra Hofmeister in der heutigen Diskussion mit Dr. Thomas Winterstetter (Werner Sobek Stuttgart), Stefan Camenzind (Camenzind Evolution, Zürich), Prof. Armin Rogall (Fachhochschule Dortmund), Prof. Fabio Gramazio /ETH Zürich) und Hans-Dieter Hegner vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung auf. Und die Antworten waren genauso heterogen wie das breite Feld der Gäste und Referenten. Hans-Dieter Hegner führte in seinem der täglichen Podiumsdiskussion vorangestellten Vortrag an, dass es vor allem die Megatrends Energie- und Rohstoffeffizienz sowie der demographische Wandel die Triebfedern der kommenden Jahrzehnte sein werden. Um dem gerecht zu werden, wurde die Forschungsinitiative "Zukunft Bau" gegründet (www.forschungsinitiative.de). Durch sie sollen neue Erkenntnisse schnell in die Baupraxis integriert werden können: von HOAI über Normung bis hin zu technischen und technologischer Defiziten und Potenzialen.

Hans-Dieter Hegner vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung

Foto: Aitor Ortiz

Foto: Aitor Ortiz

Photo: Aitor Ortiz

Photo: Aitor Ortiz

Fabio Gramazio, Referent der zweiten Nachmittagvortrags, schlägt mit ersten Forschungsprojekten an der ETH Zürich die Brücke zum realen Baualltag. So schafft er es mit Hilfe von Industrierobotern Handwerk und Bautechnik auf eine digitale (Programmier-)Ebene zu vereinen. Gramazio: "Der Architekt entwirft nicht nur den Plan sondern auch noch den Prozess des Bauens, indem er zudem die ausführende Hand - den Greifarm der Maschine entwirft. Das heißt, er gestaltet den Prozess des Arbeitens mit dem Bauroboter aktiv mit: durch die Auswahl von Werkzeugen, Halterungen, Programmen etc."

Foto: TheSize Surfaces S.L.

Foto: TheSize Surfaces S.L.

Bedeuten diese Entwicklungen also, dass Forschung und Technik den Weg in die Bautechnik von morgen weisen? Die abschließende Podiumsdiskussion zwischen Thomas Winterstetter, Stefan Camenzind, Armin Rogall, Fabio Gramazio und Hans-Dieter Hegner ließ viele Interpretiationen zu. Hegner: "Forschung kann auch scheitern. Das muss hingenommen werden. Die Bauabwicklung und vorangehende Zulassungen und Verfahren müssen beschleunigt werden! Und der Mut zum Ausprobieren muss gefördert werden. Das Bauministerium beteiligt sich gerne an Projekten des Ausprobierens." Stefan Camenzind sieht vor allem in der rasanten technischen Entwicklung Zukunftspotenziale. Sein Appell: "Die digitale Technik ist bereits wichtig und wird es mehr und mehr werden. Neue Materialien zum Individualisieren müssen her!"

Foto: TheSize Surfaces S.L.

Foto: TheSize Surfaces S.L.

Photo: TheSize Surfaces S.L.

Werden also Roboter in 20 Jahren unsere Häuser bauen? Für den umtriebigen Fabio Gramazio ist der Weg schon jetzt vorgezeichnet: "Ja! Der Baubereich hat der Industrialisierung bis zum bitteren Ende Widerstand geleistet. Jetzt kommt ein Umbruch. Die Hardware ist vorhanden." Doch Gramazio fragt sich selbst - als Architekt -, wer diese Veränderungen vorantreibt: "Wirtschaftliche Zwänge wären die größte Gefahr für eine solche Entwicklung."  Das solche Zwänge ein aktuelles Dilemma beschreiben, darauf verweist Hans-Dieter Hegner: "Im Moment ist diese Arbeitsweise in der Bauwirtschaft mit den zahllosen Gewerken und Verbänden nicht umsetzbar. Es gibt kaum eine Zusammenarbeit."  Fabio Gramazio macht hierfür vor allem falsche und fehlende Schnittstellen am Bau verantwortlich. Seiner Meinung nach muss jemand die Zügel in die Hand nehmen - und das ist der Architekt. Wenn er das Risiko für neue Techniken und Prozesse übernimmt, werden die anderen Beteiligten nachziehen: "Für mich ist das kein technisches sondern ein kulturelles Problem und ein Problem der Haltung aller am Bau Beteiligter."
TW/NU/SH
Die Tore der Weltleitmesse für Architektur, Materialien und Systeme - zur BAU 2011 waren zwischen dem 17. und 22. Januar offen. Doch nicht nur Bauprodukte und Technologien wurden in München präsentiert. DETAIL research griff gemeinsam mit den Partnern, der Messe BAU 2011 und VELUX, relevante Zukunftsthemen auf. Über sechs Messetage hinweg fanden sich jeden Nachmittag renommierte Architekten, Fachplaner sowie wissenschaftliche und angewandte Forscher im Forum "MakroArchitektur" zusammen, um über verschiedenste Themenfelder zu diskutieren.

Tag 1, 17.01.2011 

Meta-Thema "Trendboard

Mit der "Zukunftsforschung in der Architektur" setzt sich das sechstägige DETAIL research-Symposium auseinander. Einen ersten Zugang zu dem vielschichtigen Themenfeld boten die heutigen Referenten. Täglich widmen sich renommierte Referenten einem anderen Kernthema. Moderiert wird die Veranstaltungsreihe von der Architekturjournalistin und Publizistin Sandra Hofmeister.

Render: © MVRDV, VG Bild-Kunst Bonn 2019

Render: © MVRDV, VG Bild-Kunst Bonn 2019

Der heutige Nachmittag stand unter dem Meta-Thema "Trendboard". Sandra Hofmeister formulierte die Fragen, die sich unwillkürlich mit Architektur-Trends und Trendprognosen verbinden: Welche Trends zeichnen sich in der Architektur ab? Sind Trendprognosen möglich und wie unterscheiden sich die Prozesse von der klassischen Trendforschung? Sind die Architekten und am Bau Beteiligten selbst schon Trendforscher? Den Auftakt zur Diskussion bildete der Vortrag von Alexander Rieck (Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraunhofer Gesellschaft und Partner des Architekturbüros LAVA), der eine Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation unter dem Titel "Bauen im Jahr 2020" vorstellte. Alexander Rieck: "Heute zählt die Individuelle Mobilität. Das Industrielle Zeitalter ist vorbei, die frühere Trennung zwischen Leben und Arbeiten wird heutzutage aufgehoben." Sein Blick in die Zukunft stellt zwei Megatrends heraus:
1. die Nachfrage nach weiter steigender Lebensqualität und Gesundheit, verbunden mit Attributen wie gesundem Geist, gesunder Umgebung und gesundem Körper und
2. die demographische Entwicklung in einer weiter alternden Gesellschaft, in er es immer mehr Menschen in die Städte zieht. Das Fraunhofer-Innovationsnetzwerk "FUCON" zeichnet dafür 3 Szenarien vor:1. Craftsmansship - also die hohe handwerkliche Qualität, die erhalten bleibt, u.a. wegen der zahlreichen Gebäude im Bestand2. Massproduction - die Standardisierung und Automatisierung des Planungs- und Bauprozesses3. Parametrics - eine Entwicklung, die aus der Industrie kommt und die Planung in Zukunft stärker durch Programmierung und nicht mehr von Hand bestimmt sieht. Berechnungen bezüglich Daten und Fakten (Kosten, Materialbedarf etc.) übernimmt das Programm bzw. der Computer.

Die anschließende Podiumsdiskussion, an der sich Alexander Rieck, Kai-Uwe Bergmann vom Architekturbüro BIG, Prof. Daniel Kündig von der UC´NA AG und Matthias Schuler von Transsolar Energietechnik beteiligten, verlief durchaus kontrovers. Daniel Kündig stellt klar, dass die Architekten in seiner Generation aufgehört haben, zu Forschen. Architekten müssen seiner Meinung nach "Forscher sein und keine Gehilfen der Bauindustrie". Er stellt sich Fragen wie: sind grüne Städte wie Masdar-City überhaupt sinnvoll im Bezug auf künftige Lebensqualitäten? Die intellektuelle Beschäftigung mit der Zukunft von Städten sollte zuerst betrieben werden. Erst dann kann seiner Meinung nach die Reaktion und Umsetzung neuer Konzepte erfolgen. Alexander Rieck glaubt, dass Industriefaktoren über die zukünftige Entwicklung bestimmen. Laut Rieck haben sich Architekten den Prozess, wie man Städte entwickelt von der Industrie aus der Hand nehmen lassen. Sie müssen schleunigst Prozesse entwickeln die machbar und umsetzbar sind, sonst wird die Welt von anderen gebaut. Sandra Hofmeister wirft daraufhin ein, welche Rolle Zukunftsfragen im Entwurfs- und Planungsprozess spielen können und wie die Rolle des Architekten in Zukunft aussieht. Kai-Uwe Bergmann dazu: "Architekten haben Verantwortung. Die eigentliche Frage muss lauten: Wie können Architekten in zentraler Rolle die Zukunft beeinflussen. Architektur und Design sind keine temporäre Modeerscheinungen." Und weiter: "Es gibt bis jetzt keine Institution, die sich mit  diesen großen Zukunfts-Themen beschäftigt." Mathias Schuler bringt es schließlich auf den Punkt: "Es geht mittlerweile um größeres, um das Überleben des Planeten!"
TW/NU/SH

Programmübersicht

"Zukunftsforschung in der Architektur"
Veranstaltungsreihe auf der BAU 2011
Halle A6, Forum MakroArchitektur, Stand 332 Moderation: Dr. Sandra Hofmeister, freie Architekturjournalistin, München Montag, 17. Januar 2011
TRENDBOARD - Zukunftsforschung in der Architektur 14.30 Uhr   "Bauen im Jahr 2020"
                      Alexander Rieck, Fraunhofer-Gesellschaft, München 15.00 Uhr   Podiumsdiskussion:
                      Welchen Ausblick erlaubt die Zukunftsforschung?
                      Mit welchen Methoden operiert sie? Teilnehmer Expertenrunde:
  • Alexander Rieck, Fraunhofer-Gesellschaft, München 
  • Prof. Matthias Schuler, Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart 
  • Prof. Daniel Kündig, UCNA AG, Zürich  
  • Kai-Uwe Bergmann, BIG - Bjarke Ingels Group, Kopenhagen

 
Dienstag, 18. Januar 2011
FORSCHUNG UND ANWENDUNG - Innovative Materialien, Produkte und Prozesse
14.30 Uhr  "Neue Materialien und Produkte"
                      Hans-Dieter Hegner, Ministerialrat, Bundesministerium
                      für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin 14.50 Uhr  "Digitale Fabrikation"
                      Prof. Fabio Gramazio, Digitale Fabrikation, ETH Zürich 15.15 Uhr  Podiumsdiskussion:
                      Welche neuen Materialien und Prozesse beeinflussen die     
                      Architektur von morgen? Welche Entwurfsziele lassen sich
                      dadurch realisieren und welchen Beitrag leistet die Forschung? Teilnehmer Expertenrunde:
  • Prof. Fabio Gramazio, Digitale Fabrikation, ETH Zürich 
  • Hans-Dieter Hegner, Ministerialrat, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin
  • Prof. Armin Dietmar Rogall, FH Dortmund
  • Dr. Thomas Winterstetter, Werner Sobek Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart 
  • Stefan Camenzind, Camenzind Evolution, Architecture - Design - Technology, Zürich
Mittwoch, 19. Januar 2011
MEGATRENDS - Neue Entwicklungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur
14.30 Uhr  "Architektur von Morgen: Utopien, Visionen und
                       Zukunftsszenarien"
                       Dr. Sandra Hofmeister, freie Architekturjournalistin, München 14.50 Uhr  Podiumsdiskussion:
                       Welche Entwicklungen werden die Gesellschaft maßgeblich
                       verändern? Wie müssen Architektur und Städtebau darauf
                       reagieren? Teilnehmer Expertenrunde:
  • Prof. Manfred Hegger, TU Darmstadt
  • Prof. Arno Brandlhuber, Brandlhuber+, Berlin 
  • Christian Labonte, AUDI AG, Ingolstadt 
  • Prof. Markus Schlegel, HAWK Hochschule, Hildesheim
  • Prof. Dr. Tilman Harlander, Universität Stuttgart
Donnerstag, 20. Januar 2011
CRAFTSMANSHIP - Renaissance des Handwerks?
14.30 Uhr  "Handmade: Die Qualität von Handwerkstraditionen"
                       Martin Rauch, Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins,
                       Österreich 15.00 Uhr   Podiumsdiskussion:
                       Welche Bedeutung hat das Handwerk in der Zukunft?
                       Welche Aspekte werden besonders relevant? Teilnehmer Expertenrunde:
  • Martin Rauch, Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins, Österreich 
  • Christoph Lemp, Bauwerk Capital GmbH & Co. KG, München 
  • Anna Philipp, Philipp Architekten, Untermünkheim
  • Philipp Mainzer, e15, Oberursel
  • Prof. Dr.-Ing. Paul Kahlfeldt, Kahlfeldt Architekten, Berlin         
Freitag, 21. Januar 2011
MASSPRODUCTION - Industrialisierte Produktionsprozesse?
14.30 Uhr   "Industrialisierung versus Individualisierung - was können
                       neue Methoden leisten?"
                       Prof. Dr. Petra von Both, Karlsruher Institut für Technologie, 
                       Karlsruhe 14.50 Uhr   "Prozessdesign mit Materialien"
                       Oskar Zieta, ZIETA prozessdesign, Zürich
15.15 Uhr   Podiumsdiskussion
                       Welche Vorteile bieten Methoden der Modularisierung
                       und Serienfertigung? Teilnehmer Expertenrunde:
  • Thomas Pink, Petzinka Pink Architekten, Düsseldorf
  • Prof. Dr. Petra von Both, Karlsruher Institut für Technologie, 
    Karlsruhe
  • Prof. Peter Ebner, futureLAB, München
  • Oskar Zieta, ZIETA prozessdesign, Zürich
Samstag, 22. Januar 2011
PARAMETRICS - Parametrische Architektur    ((START: 14.00 Uhr))
14.00 Uhr  "Entwerfen in Systemen - eine Positionsbestimmung"
                       Nils Fischer, Associate, Zaha Hadid Architects, London 14.20 Uhr   Podiumsdiskussion:
                       Werden neue Entwurfsmethoden die Baukultur verändern?
                       Wie wirken sich computergestützte Planungsprozesse auf
                       die Architektur von morgen aus? Teilnehmer Expertenrunde:
  • Arnold Walz, designtoproduction Germany, Stuttgart
  • Prof. Dr. Ludger Hovestadt, ETH Zürich, Institut für Technologie in der Architektur, Zürich
  • Prof. Tobias Wallisser, LAVA Laboratory of Visionary Architecture, Stuttgart
  • Nils Fischer, Associate, Zaha Hadid Architects, London

 
Informationen: Das Symposium ist als Fortbildungsveranstaltung für Architekten von folgenden Länderkammern anerkannt:
Architektenkammer Baden-Württemberg
Architektenkammer Brandenburg
Architektenkammer Hessen
Architektenkammer Mecklenburg-Vorpommern
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen
Architektenkammer des Saarlandes
Architektenkammer Sachsen
Referenten:

Foto: H-BAU Technik; PohlCon

Das neue Frischbetonverbundsystem SECUFLEX® ist eine anwenderfreundliche Lösung zur sicheren Abdichtung von hochwertig genutzten WU-Bauwerken. Foto: H-BAU Technik; PohlCon

  1. Kai-Uwe Bergmann, BIG - Bjarke Ingels Group, Kopenhagen 
  2. Prof. Arno Brandlhuber, Brandlhuber+ Architekten und Stadtplaner, Berlin 
  3. Stefan Camenzind, Camenzind Evolution, Architecture - Design -Technology, Zürich
  4. Prof. Peter Ebner, futureLAB, München
  5. Nils Fischer, Associate, Zaha Hadid Architects, London
  6. Prof. Fabio Gramazio, Digitale Fabrikation, ETH Zürich
  7. Prof. Dr. Tilman Harlander, Universität Stuttgart
  8. Hans-Dieter Hegner, Ministerialrat, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), Berlin
  9. Dr. Sandra Hofmeister, freie Architekturjournalistin, München
  10. Prof. Manfred Hegger, TU Darmstadt
  11. Prof. Dr. Ludger Hovestadt, ETH Zürich, Institut für Technologie in der Architektur, Zürich
  12. Prof. Dr.-Ing. Paul Kahlfeldt, Kahlfeldt Architekten, Berlin
  13. Christian Labonte, AUDI AG, Ingolstadt
  14. Christoph Lemp, Bauwerk Capital GmbH & Co. KG, München
  15. Philipp Mainzer, e15, Oberursel
  16. Jürgen Mayer H., J. MAYER H. Architekt, Berlin
  17. Anna Philipp, Philipp Architekten, Untermünkheim
  18. Thomas Pink, Petzinka Pink Architekten, Düsseldorf
  19. Martin Rauch, Lehm Ton Erde Baukunst GmbH, Schlins, Österreich
  20. Alexander Rieck, Fraunhofer-Gesellschaft, München
  21. Prof. Armin Dietmar Rogall, FH Dortmund
  22. Prof. Markus Schlegel, HAWK Hochschule, Hildesheim
  23. Prof. Matthias Schuler, Transsolar Energietechnik GmbH, Stuttgart
  24. Prof. Dr. Petra von Both, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe
  25. Prof. Tobias Wallisser, LAVA Laboratory of Visionary Architecture, Stuttgart
  26. Arnold Walz, designtoproduction Germany, Stuttgart
  27. Dr. Thomas Winterstetter, Werner Sobek Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart
  28. Oskar Zieta, ZIETA prozessdesign, Zürich
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