16.03.2011

Vergangenheit und Zukunft

Zur Relevanz vergangener Form- und Farbtrends für die Gestaltungswelt von morgen von Prof. Dr. Sabine Foraita, HAWK In einem Forschungsprojekt des Institute for International Trendscouting an der Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim wurde untersucht, inwieweit zukünftige Gestaltungstrends in Form und Farbe auf vergangenen Trends bestehen und welche kulturellen Einflussfaktoren dabei wichtig sind.

Foto: Stéphane Bourgeois

Foto: Stéphane Bourgeois

Vergangene Gestaltungstrends zu analysieren und damit eine Grundlage für zukünftige Trends zu ermitteln, ist ein Ziel dieses Forschungsprojekts, das verschiedene Ebenen der Zukunftsforschung verknüpft. Um Tools für eine fundierte Trendforschung zu entwickeln, ist es nötig, die Einflussfaktoren der vergangenen Gestaltungsentwicklungen zu untersuchen. Dabei ist zunächst eine Grundlagenforschung vonnöten, die die Trends und Stile der Vergangenheit analysiert. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf der Erforschung der trendbestimmenden Faktoren. Es wurden zunächst die Trends und Nebentrends der letzten 50 Jahre im deutschsprachigen Raum untersucht werden. Die Grundlagenforschung mit den ermittelten Farb-, Form- und Materialzyklen aus vergangenen Epochen (Trends und Nebentrends), mit der Abfolge von langsamen bis zu schnelleren epochalen Phänomenen, steht in direktem Bezug zu dem kulturellen Gedächtnis. Das Wissen und Verstehen der Vergangenheit und Gegenwart, also bereits vorhandener Ausdrucksformen der Gestaltung ist Bedingung für die Erstellung von Zukunftsszenarien. Der Schwerpunkt der Betrachtung kultureller Einflussfaktoren lag auf dem so genannten Avantgarde Design, das sozusagen der Vorreiter für das Normal Design ist (vgl. Sabine Foraita, Borderline - Das Verhältnis von Kunst und Design, S. 211). Dazu wurde die erste deutsche Designzeitschrift "die form" ab 1957 (da in diesem Jahr erstmalig erschienen) in Bezug auf Architektur, Produktgestaltung und Grafikdesign untersucht. Dabei wurden die gestalterischen Entwicklungslinien visuell dargestellt, die daraufhin in Bezug auf die Einflussfaktoren unter-sucht wurden. Darüber hinaus ließen sich die Schlüsselaussagen zum Design bzw. zur kulturellen Entwicklung allgemein betrachten, sodass zunächst grob eine Aussage zu der designtheoretischen Entwicklung der entsprechenden Jahrzehnte ermittelt werden konnten. Grundlage für die Arbeit war es, zunächst die Einflussfaktoren zu überprüfen, um sie dann visuell aufzubereiten. Dazu wurde die analytische Methode des Scoutings und Monitorings genutzt. Die Visualisierung der anderen Bereiche erfolgte aufgrund der Häufigkeit des Vorkommens der Bilder (vgl. hierzu Forschungsbericht von Prof. Markus Schlegel). Der Schwerpunkt lag also zunächst in der Visualisierung der Einflussfaktoren in ihrem zeitlichen Zusammenhang, um daraus Entwicklungslinien ablesen zu können. Jedes Jahrzehnt wurde auf einer Wand von 1 x 2 m dargestellt und so aneinandergereiht, dass eine übergangslose Darstellung von sechs Jahrzehnten möglich wurde. Dabei bildete Politik die erste Ebene, gefolgt von der Wirtschaft, der Wissenschaft und Technologie, dem Produktdesign der Architektur, der Kunst, der Mode. Um ein Lebensgefühl der Zeit widerspiegeln zu können, wurden ebenfalls Filmplakate eingebunden, denn das Kino war in den ersten zwei Jahrzehnten unserer Betrachtungszeitraumes neben dem Radio das wichtigste Medium innerhalb des Freizeitverhaltens der deutschen Bevölkerung. Insofern war es ein wichtiges Instrument der Meinungsbildung und Ausdruck des Lebensgefühls. Eine Tatsache, die sich in den folgenden Jahrzehnten ebenfalls, wenn auch nicht so ausgeprägt beobachten lässt. Wie und nach welchen Prinzipien ist ein Trendwechsel in der Gestaltung vollzogen worden, welcher Einflussfaktor hat in den verschiedenen Jahrzehnten dominiert und welche Haupttrends sind auszumachen? Und mit welcher Methode ist es möglich, darüber Aussagen zu treffen? Das IIT arbeitet bereits seit mehreren Jahren mit der Methode des Monitorings und Screenings. Bildmaterial wird zu bestimmten Fragestellungen gesichtet und nach Häufigkeiten geclustert. Je häufiger Bilder in ähnlicher Ausprägung erscheinen, umso mehr Bedeutung kann diesem Bild zugeschrieben werden; dabei spielt die Auswahl des Mediums und der Zeitraum des Erscheinens eine entscheidende Rolle. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Betrachtung des Ver-hältnisses von Kunst und Design, wofür die Kataloge der "documenta" in Kassel seit 1955 untersucht haben. Der Vorteil einer Visualisierung bietet eine gleichzeitige Gesamtschau eines Beziehungsgeflechtes, in dem Design sowohl als kultureller Faktor hervorgeht als auch mitbestimmend ist. In diesem ersten Forschungsprojekt sollten die Einflussfaktoren auf das Design untersucht und dargestellt werden, um eine Grundlage für Aussagen über eine zukünftige Entwicklung im Design zu ermöglichen, denn "Zukunft braucht Herkunft" (Odo Marquard, Zukunft braucht Herkunft, Philosophische Essays, S. 234). Alle Formen und Farben liegen in den betrachte-ten Jahrzehnten vor, der Schwerpunkt sowie die Kombination und der thematische Kontext wechseln jedoch. Festzustellen ist, dass in jedem Jahrzehnt sowohl ein organischer als auch ein geometrisch strukturierter Trend auszumachen ist. Festzustellen ist weiterhin, dass es jedoch Trends und Nebentrends gibt, die sich durchdringen und den nächstfolgenden Trend vorbereiten, so wie es auch im Jugendstil festzustellen war, der zwar in seiner "Mainstream"-Ausprägung, die wir im Rückblick feststellen, eher dem Floral-Organischen und Ornamentalen verpflichtet war (z.B. William Morris, Henry van de Velde), in seinem Nebentrend aber das abstrakte Konstruktivistische schon darstellte (Joseph Hoffmann, Charles Rennie Mackintosh). Für die 1950er Jahre ist dies mit der Anknüpfung an den vergangenen "Gestaltungstrend" des Bauhauses der 20er Jahre und dem "Stromlinien-Trend" der 30er Jahre zu erklären. Durchgängig ist festzustellen, dass die Aufeinanderbezogenheit der Trends in einem Abstand von etwa einer Generation erfolgt. Jedoch unter anderen Interpretationsbedingungen. Diese These gilt es jedoch in einem weiteren Forschungsprojekt zu untermauern. Design befindet sich in einem kulturellen Kontext, der von den folgenden Faktoren abhängig ist: Ideologie, Politik, Wirtschaft, Kunst, Architektur, Technologie, Wissenschaft. Die aufgezählten Bereiche bilden zum einen die Bedingungen für ein Lebensgefühl, für einen Stil, zum anderen repräsentieren Produktgestaltung, Mode, Grafik gestalterisch umgesetzt dieses Gefühl, das heißt die ideellen Voraussetzungen finden materiell ihre Repräsentation. Durchgängig ist festzustellen, dass die Aufeinanderbezogenheit der Trends in einem Abstand von etwa 30 Jahren erfolgt - jedoch unter anderen Interpretationsbedingungen. Diese These konnte grundsätzlich im Rahmen einer intensiven Zyklenbetrachtung (Forschungsprojekt WS 2009/2010 und SS 2010) bestätigt werden. Darauf Bezug nehmend, kann man davon ausgehen, dass eine Interpretation der 90er Jahre wiederum als Interpretation der 60er Jahre ansteht. Diese Erkenntnis sollte in der Erstellung von Zukunftsszenarien in Bezug auf Form, Farbe und Material Eingang finden. Um diese entsprechend darstellen zu können, ist es erforderlich, den kulturellen Kontext in einer Ist-Aufnahme 2010 zu untersuchen und diese Erkenntnisse im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Expertenbefragung zu prolongieren. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Schlüsseltexten, um die Übergänge zwischen den verschiedenen Trends und Stilen deutlich zu machen, wird der Untersuchungsgegenstand des Wintersemesters 2010/2011. Copyright: Institute of International Trendscouting (IIT), HAWK Weitere Informationen finden Sie hier
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