Verlust der Nacht

Der poetisch anmutende Titel "Verlust der Nacht" bezeichnet einen interdisziplinären Forschungsverbund, der sich mit der zunehmenden Lichtverschmutzung durch künstliche Lichtquellen und deren Folgen beschäftigt, sowie mögliche Lösungswege und -ansätze verfolgt. Der Wechsel von Licht und Dunkelheit dient fast allen Lebewesen als Signal, ist Taktgeber für verschiedenste Abläufe und Prozesse. Die oft sensiblen Gefüge werden durch die Zunahme der Helligkeit in dicht besiedelten Regionen und die Verdrängung der Dunkelheit beeinflusst. Vor diesem Szenario untersuchen nun erstmals Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen gemeinsam Ursachen und Auswirkungen ökologischer, gesundheitlicher, kultureller und sozioökonomischer Art. Die Ergebnisse sollen als Grundlage zur Entwicklung intelligenter und nachhaltiger Beleuchtungskonzepte und Techniken dienen. Die Studie "Verlust der Nacht" erstreckt sich über einen Zeitraum von drei Jahren. Abschließende Ergebnisse werden im Frühjahr 2013 erwartet.

Alle Fotos: Dr. Katharina Gabriel, Forschungsverbund "Verlust der Nacht"

Wirtschaftliche Prosperität ist eng mit der Erfindung und Entwicklung künstlichen Lichts verbunden. Die Unabhängigkeit von Tageslicht und die Verkürzung der natürlichen dunklen Ruhephasen führt zur Ausdehnung der Arbeitszeiten. Bänder laufen bis zu 24 Stunden am Stück. Die Folge ist eine enormen Steigerung der Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft. Licht wird mit Sicherheit und Wohlstand assoziiert. Mehr Licht bedeutet aber nicht eine grenzenlose Steigerung der positiven Effekte. In vierzehn geförderten Forschungsprojekten sowie weiteren Projekten ohne Förderung durch das BMBF wird das Phänomen der Lichtverschmutzung aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet: Quantifizierung und Ausmaß werden beispielhaft am Himmel über Berlin untersucht. Darüber hinaus werden geschichtliche Aspekte betrachtet. Eine weitere Gruppe beschäftigt sich mit entstehenden Kosten und möglichen Einsparungen, die nach vorsichtigen Schätzungen im Bereich von 30 Prozent und mehr liegen. Drei Teams forschen im Bereich Lichtquellen und Beleuchtungskonzepte. Eine Straße in der Hauptstadt wird als Versuchsstandort experimentell beleuchtet. Im Zentrum des Interesses steht dabei der Einfluss der spektralen Zusammensetzung des eingesetzten Lichts auf die Anwohner, deren Schlafqualität und Wohlbefinden sowie auf Verkehrsteilnehmer. Zusätzlich werden dort Untersuchungen zu Auswirkungen und Konsequenzen für betroffene Tierarten durchgeführt. Als Grundlage und zur Bewertung des Versuchs wurde ein Kriterienkatalog mit Anforderungen an eine ökologisch-innovative Beleuchtung aufgestellt.

Die Forscher können bereits interessante Zwischenergebnisse vorweisen: das sogenannte "Sky Quality Meter" kann mit eigens entwickelter Software die Helligkeit in einem bestimmten Himmelsabschnitt messen. Dabei wurde festgestellt, dass eine geschlossene Wolkendecke den Effekt der Lichtverschmutzung deutlich verstärkt. Sie wirkt dabei als Reflektor und erzeugt einen bis zu zehnmal helleren Himmel als in einer klaren Nacht. Neben weiteren detaillierteren Erkenntnissen über Ursachen und Auswirkungen der zunehmenden Illumination unserer Umwelt wird das Hauptaugenmerk des politischen und gesellschaftlichen Interesses auf praktisch anwendbaren Daten liegen. Der Forschungsverbund selbst will mit seiner Arbeit dazu beitragen, Lichtplanung als eigene Disziplin zu stärken und gebietsübergreifende Zusammenarbeit beispielsweise für die Aufstellung von Grenzwerten oder in der Regionalplanung anzuregen. Die Anstrengungen der interdisziplinären Gruppe stoßen in der Öffentlichkeit auf breite Aufmerksamkeit. Neben zahlreichen Publikationen können u.a. zwei Fernsehproduktionen online abgerufen werden. Zuletzt wurde die Kreativität und Leistungsfähigkeit der beteiligten Wissenschaftler mit der Ehrentafel des Wettbewerbs "365 Orte im Land der Ideen" gewürdigt.

Tendenzen, die allgegenwärtige Beleuchtung einzuschränken oder zu determinieren, gibt es bereits. In Stuttgart oder Karlsruhe werden entsprechende Zielsetzungen in „Lichtmasterplänen“ formuliert. Die Stadt Augsburg gilt als "Modellstadt" für umweltfreundliche Beleuchtung. Durch die Verwendung von Natriumdampflampen, die zusätzlich gedimmt werden können, konnte der Stromverbrauch um 20% gesenkt werden. Einsparung von Energie- und Kosten hat als Leit- und Zeitthema das Potenzial, weniger präsente Anliegen mit zu tragen und Synergieeffekte zu erzeugen. Aktuell wird die Straßenbeleuchtung in vielen deutschen Städten durch energie- und kostensparendere Leuchtmittel ersetzt. Hier bietet sich die Gelegenheit, fundierte Forschungsergebnisse aus den einzelnen Projekten einfließen zu lassen und über Einsparungen hinaus weitere positive Effekte für Menschen, Tiere und Umwelt zu generieren. Ein weiterer Ansatzpunkt können umfassende Lichtkonzepte unter Beteiligung von Herstellern und Wissenschaftlern unterschiedlicher Disziplinen in der Stadt- und Regionalplanung sein. Weitere Informationen finden Sie hier   Über den Forschungsverbund "Verlust der Nacht"
Studie unter der Projektleitung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung c/o Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Berlin
Projektleiter: PD Dr. Franz Hölker
Wiss. Koordination: Dr. Katharina Gabriel
Wiss. Koordination Integrationsprojekte: Dr. Sibylle Schroer, Dr. Stephanie I. J. Holzhauer Projektpartner
IZW Berlin; Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung
IFADO Dortmund, Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund
AIP Potsdam, Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam
UFZ Leipzig, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung
INP Greifswald,  Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie
IRS Erkner, Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung
ISR TU Berlin, Institut für Stadt- und Regionalplanung, Fachgebiet Stadt- und Regionalökonomie
LI-TU Berlin, Institut für Energie- und Automatisierungstechnik, Fachgebiet Lichttechnik
ISS-FU Berlin, Institut für Weltraumwissenschaften
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