08.12.2009 Frank Kaltenbach

Ehrendoktorwürde für Shigeru Ban


»Ob Gebäude temporär sind, ob sie nach kurzer Zeit abgerissen oder jahrelang gepflegt werden, hängt nicht von der Dauerhaftigkeit des Baumaterials ab, sondern allein davon, ob die Menschen die Gebäude lieben«.
Mit diesen Worten beendete Shigeru Ban seine Festrede gestern abend im nagelneuen Oskar von Miller Forum der TU München. Der 1957 in Tokio geborene Architekt weiß wovon er spricht. Denn im Gegensatz zu vielen seiner prominenten Kollegen, die einen Großteil Ihrer Energie auf die Gestaltung von edlen und effektvollen Oberflächen verwenden, entwickelt Shigeru Ban auch Notunterkünfte in Katastrophengebieten für Menschen »die nicht so privilegiert sind wie wir«. Dass dabei Materialien zum Einsatz kommen, die vor Ort kostengünstig und leicht erhältlich sind ist für ihn selbstverständlich. Dabei kommt die Gestaltung nicht zu kurz. Denn aufbauend auf einer konzeptionellen Grundstruktur passt er seine Bausysteme nicht nur technisch an die klimatischen Verhältnisse an, sondern orientiert sich auch gestalterisch am jeweiligen kulturellen Kontext. Es entsteht trotz der akuten Notsituation Architektur, die die Würde der Bewohner respektiert, ganz gleich ob nach dem Erdbeben in Kobe 1995 oder Sichuan 2008, in Sri Lanka oder in den Flüchtlingslagern Ruandas. Die Akzeptanz seiner Projekte liegt nicht zuletzt daran, dass er die Bewohner oder Studenten in den Bauprozess miteinbezieht.

Foto: Frank Kaltenbach

Häuser ganz aus Papier?
Von allen Recycling-Materialien, die Shigeru Ban einsetzt, ist es das Papier, das ihm zu weltweiter Aufmerksamkeit verholfen hat. Waren die braunen Papprollen bei seiner der Alvar Aalto Ausstellung noch als rein gestalterisches Element eingesetzt, erforschte Shigeru Ban bald das konstruktive Potenzial dieses Halbzeugs und entwickelte Stützen in verschiedenen Durchmessern bis hin zu Raumfachwerken mit dreidimensionalen Aluminium-Gussknoten und Hartholz-Verbindern. Ein »chicker« Showroom für den Star-Modedesigner Issey Miyake ist aus den selben braunen Pappröhren gemacht, wie eine temporäre Kirche oder eben Notunterkünfte für Obdachlose.

Foto: Christian Schittich, München

Sein Meisterwerk, sollte der Expo-Pavillon 2000 in Hannover werden. Shigeru Ban versäumte es nicht sich gleich zu Beginn seiner Rede sich von der realisierten Detaillierung zu distanzieren. Denn was technisch möglich gewesen wäre eine riesige Halle ganz aus Papier, war bei den deutschen Behörden trotz langwieriger Verhandlungen und Tests letztendlich doch nicht genehmigungsfähig. Für die meisten Besucher der EXPO 2000 war der Japanische Pavillon, mit seiner Weite, Transluzenz und heiteren Atmosphäre dennoch ein unvergleichliches Erlebnis.

Foto: Christian Schittich, München

Sein nächstes Meisterwerk steht kurz vor der Fertigstellung: Das Centre Pompidou in Metz wird im Frühjahr 2010 eröffnet. Hier hat Shigeru Ban seine Kenntnisse von frei geformten Tragwerken perfektioniert. Abgehängt von einem stählernen Turm schwingt sich eine Membran bespannte filigrane Gitterschale aus Holz über drei schräg übereinander gestapelte Betoncontainer.

Foto: Frank Kaltenbach

Mit viel Humor erzählte der Architekt von der zunächst vergeblichen Standortsuche für sein Baustellenbüro. Erfindungsreich wie seine sonstigen Projekte löste er auch dieses Problem: Mit einer temporären Pappröhre auf dem Dach des Centre Pompidou in Paris.

Foto: Christian Schittich, München

Vorbilder Mies van der Rohe und Frei Otto
Während er für seine Gitterschalen Frei Otto als Vorbild verehrt, der übrigens 2005 mit der Ehrendoktorwürde der TUM ausgezeichnet worden war, beschäftigt sich Shigeru Ban für seine Einfamilienhäuser intensiv mit dem Werk von Mies van der Rohe. In der Gegenüberstellung von Mies Farnsworth Haus mit seinem Vorhang-Haus erläuterte er seine Interpretation von Offenheit, Flexibilität, öffenbaren Fassadenelementen und weißer Eleganz. Dass Richard Horden, sich bei seiner Laudatio genau auf diese eleganten weißen Häuser mit minimalistischen Details und großen Glasflächen konzentrierte, wunderte all diejenigen nicht, die Richards eigene Architektursprache kennen.

Foto: Ateler Shigeru Ban

Picture Window House, Foto: Atelier Shigeru Ban

Traditionelles Raumverständnis und Liebe zum Experiment
Überraschend ist die Vielseitigkeit im Werk von Shigeru Ban. Das von Notunterkünften, Gitterschalen aus Holz, Bambus oder Papier, bis zu weißen Einfamilienhäusern reicht. Einige Aspekte ziehen sich dennoch durch die meisten Projekte unabhängig von Maßstab, Material und Konstruktion: Ein traditionell japanisches Raumverständnis mit fließenden Übergängen zwischen innen und außen und ein experimenteller Charakter, der den Bauten trotz aller technischen Raffinesse anstelle zur Schau gestellter Perfektion einen sympatischen manchmal fast gebastelt wirkenden Ausdruck verleiht und die Menschen emotional berührt.

Naked House, Foto: Hiroyuki Hirai

Die Redaktion Detail gratuliert Shigeru Ban zu seiner Ehrendoktorwürde und schließt sich der Laudatio von Richard Horden gerne an wenn er sagte: »In den 1960er Jahren waren wir alle gespannt auf den nächsten Song der Beatles, später auf das neueste Computermodell, heute können wir es kaum erwarten mit was für einem Gebäude uns Shigeru Ban als nächstes überrascht!«


Dekanin Prof. Regine Keller und Hannemor Keidel, Beauftragte des Präsidenten, bei der Preisverleihung

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