10.08.2010 Daniela Steffgen

Ein weites Feld. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin

Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas entfaltet seine Wirkung über eine abstrakte, scheinbar deutungsoffene Architektur. Der Film »Ein weites Feld« von Gerburg Rohde-Dahl verknüpft die Denkmalsentstehung mit einer persönlichen Spurensuche: Sie befragt das private Familiengedächtnis auf die Verbindungen des Vaters zum Nationalsozialismus und stellt dem die öffentliche Debatte um das kollektive Gedenken gegenüber.
Die Konfrontation einer deutschen »Alltagsgeschichte« mit dem umstrittenen geschichtspolitischen Projekt verrät wenig über die, an die das Denkmal erinnert. Der »Ort der Information« unterhalb des Stelenfelds wird in der Dokumentation nur gestreift. Umso mehr erhellt der Fokus auf die oberirdische Schöpfung Peter Eisenmans die zwiespältigen Gefühle von Publikum und Zaungästen. Nach ihrer Meinung gefragt, ringen sie um eine angemessene Sprache zur Thematisierung des Holocaust. Diesen Szenen werden Gespräche der Dokumentarfilmerin mit ihrer Schwester über die NSDAP-Mitgliedschaft und den Antisemitismus des Vaters an die Seite gestellt.

Das Holocaust-Mahnmal in Berlin

Eindrucksvoll gelingt es Rohde-Dahl, in Interviews die gegenwärtigen Geschichtsdeutungen der Stifter einzufangen. Mit welchen visuellen Strategien sollen in der Denkmalsarchitektur Bezüge zur Vergangenheit geschaffen werden? Die Publizistin und Initiatorin des Denkmals, Leah Rosh, will Geschichte emotional erfahren sehen: Das Raumerlebnis einer Architektur der Schwere soll Beklemmung erzeugen, um den Besuchern die Lage der im Nationalsozialismus Verfolgten deutlich zu machen. Eisenman hofft ebenfalls auf einen therapeutischen Effekt im Denkmal - das Grau, die Kanten, die unterschiedlich geneigten Stelen sollen die Abwesenheit von Lebendigem, Wachsendem spürbar machen. Mit seiner abstrakten Architektur will er der Unermesslichkeit des im Holocaust erfahrenen Leids entsprechen.

Skeptiker haben das Konzept des »Nachfühlens« wegen dieser Unermesslichkeit des Leids verurteilt, die Monumentalität des Denkmals kritisiert und nicht zuletzt den Versuch, vermeintlich richtige und falsche Vorstellungen von Gedenken zu etablieren. Die Aneignung des Ortes durch Sonnenbadende und spielende Kinder lief vor allem Roshs Vorstellungen vom angemessenen Umgang mit der Vergangenheit zuwider. Sie verteidigt ihre Deutungsmacht im Gespräch mit Rohde-Dahl energisch – eine Öffnung für Interpretationen wünscht sie nicht.

Peter Eisenman im Gespräch mit Gerburg Rohde-Dahl

Gerburg Rohde-Dahl schließt mit dem persönlichen Fazit, dass sie gar nicht so genau wissen will, was ihr Vater in der Zeit des Nationalsozialismus getan hat. Vielmehr will sie sich selbst in der Gegenwart und zukünftig zu tolerantem Verhalten mahnen. Wie sich diese Entscheidungen über Vergessen und Erinnern im Spannungsfeld von Familiengedächtnis und öffentlichen Formen von Gedenken auswirken, werden die geschichtspolitischen Auseinandersetzungen der nächsten Generationen zeigen – Generationen, die beispielsweise keine lebenden Zeitzeugen mehr vor Augen haben werden.

Ein Dokumentarfilm von Gerburg Rohde-Dahl, Deutschland 2010, 66 Min., Farbe, deutsch mit englischen Untertiteln.

www.absolutmedien.de

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