Kinetische Plastik: Happy-Shop in Berlin

Wenn es so etwas wie einen „Boulevard Bohème“ in Berlin gibt, dann ist er laut und schmutzig und heißt Torstraße: Rafael Horzons "Spülen Sparadies" ist hier ebenso zu Hause wie der neue Minimum-Design-Store, handverlesenes skandinavisches Vintage-Mobiliar findet man hier und handgenähte Kleider. Internationale Fashion Victims suchen in einer eigenen Adresse Zuflucht: Der Concept-Store Happy Shop ist eine temporäre Holzkonstruktion des jungen Architekturbüros Fingerle&Woeste (Berlin), das damit eine der letzten Baulücken auf der Torstraße bespielt.
Die Konstruktion des Pavillons verortet ihn im Kontext Berlin-typischer Zwischennutzungen: Er ist ein einfacher Holzskelettbau mit einer Innenverkleidung aus Seekieferpaneelen und einer hinterlüfteten Vorhangfassade aus farbigen Faserzementplatten. Auch die Einrichtung kann komplett demontiert und anderswo neu errichtet werden. Sie besteht aus einer motorisierten Stahlrohrkonstruktion.
Die Fassadengestaltung des Shops mit abwechselnd dunklen und hellen Platten gibt der Fassade einen stark grafischen, zweidimensionalen Charakter, der den Shop aus der umgebenden Bebauungssituation heraushebt und den zeitgebundenen Aspekt des Projekts betont: Es ist auf eine Nutzung von vier bis acht Jahren angelegt. Die Architekten beziehen sich dabei ganz bewusst auf Werbetafeln und Billboards als temporäre Elemente im Stadtraum – auch und gerade im Kontext von Baulücken. Das grafische Streifenmuster wurde auf die Bewegung von Passanten, Rad- und Autofahrern hin konzipiert: „Durch den sich ändernden Blickwinkel auf das Gebäude scheint sich dieses aus jeder Position zu verändern. Wie eine kinetische Plastik ihre Erscheinung erst durch die Bewegung erhält, so erhält der Laden erst sein Erscheinungsbild durch das Passieren.“ (Architekten)
Der Shop selbst gliedert sich in drei Körper, die die Bereiche Verkauf, Atelier und Service beherbergen. Der Planung des 5,80 Meter hohen Verkaufsraums kam dabei besondere Aufmerksamkeit zu. Um dem Wunsch der Bauherren gerecht zu werden und unterschiedliche Nutzungen – Fashionshows, Ausstellungen, Tanzaufführungen oder Parties – zu ermöglichen, ist er als Bühnenraum konzipiert, dem ein großzügiger „Schnürboden“ im oberen Bereich zugeordnet ist. So kann die gesamte Kleideraufhängung mit Hilfe von Elektromotoren unter die Decke gefahren werden, damit der untere Bereich frei bespielbar wird. Diese vertikale Raumschichtung wird auch über die Materialität deutlich: Während der untere Bereich grau gestrichen ist, sind im oberen Teil die Seekieferplatten unbehandelt belassen.
Ein grün gestrichener Servicebereich befindet sich im niedrigsten Gebäudeteil mit einer Raumhöhe von 2.40 Metern. Hier gibt es eine kleine Küche, ein WC und ein Lager. In einem violettfarbigen Atelier werden Änderungen und Anpassungen vorgenommen; hier findet auch die Planung der Veranstaltungen statt. Aus einem blau gestrichenen Durchgang gelangt man von der Straße aus direkt in den Hof, ein weiterer Zugang zum Hof ist von der Küche aus möglich.
Alle Fotos/Pläne: Fingerle&Woeste, Berlin