05.09.2014 Bettina Sigmund

Mensch und Technik: die Bedeutung von sozialem Monitoring

Zum ersten Mal werden das Energieverbrauchsverhalten und die Motive der Bewohner von Plusenergiehäusern analysiert. Ziel ist es, wissenschaftlich zu belegen, ob und wie Menschen positiv beeinflusst werden können, verantwortungsbewusst mit Ressourcen umzugehen. Dr. Eva Schulze vom Berliner Institut für Sozialforschung GmbH (BIS) ist für die sozialwissenschaftliche Begleitforschung der Effizienzhaus Plus-Projekte verantwortlich ist. Das BIS erhebt Informationen im Bereich der Wohnqualität von Plusenergiehäusern und ihrer Energieeffizienz unter realen Nutzungsbedingungen. Dabei werden die Alltagstauglichkeit der eingesetzten Technologien und die Auswirkungen der Technik auf das Wohlbefinden und den Lebensalltag der Bewohner erfasst.

Haussteuerung im Effizienzhaus Plus in Berlin (Quelle: BMUB)

„Bislang interessieren sich ausgewählte Personengruppen für das Leben in einem Effizienzhaus Plus. Sie haben ihre Werte an Energieeffizienz und Umweltschutz orientiert oder haben großes Interesse an der verbauten Technik. Sie schätzen den Imageaspekt und die Vorreiterrolle, die das Leben in einem Effizienzhaus Plus mit sich bringt. Für das Gros der Gesellschaft zählt jedoch primär, dass die Energiewende bezahlbar sein muss,“ stellt Eva Schulze die Rahmenbedingungen dar.

Befragung der Bauherren und Nutzer aus 36 Pilotprojekten im Netzwerk Effizienzhaus Plus (Ausschnitt der Auflistung), Quelle: BMVI

Die Fragestellungen
Ziel des sozialwissenschaftlichen Monitorings ist es, mehr über die Bauherren und Nutzer herauszufinden. Welche Personengruppen bauen ein Effizienzhaus Plus, wer möchte als Mieter in ein Plusenergiehaus ziehen? Welche Motive und welche Erwartungen stehen hinter dieser Entscheidung? Wie werden die Häuser aus der Nutzerperspektive bewertet, wie nutzerfreundlich ist die Gebäudetechnik und wie hoch die Wohnzufriedenheit? Das BIS versucht im Rahmen der sozialwissenschaftlichen Befragungen auch Änderungen von Einschätzungen und Empfindungen im Verlauf der Wohndauer herauszufiltern. Welches Umweltbewusstsein und welche Energiesparverhaltensweisen bringen die Bewohner mit und wie ändern sich diese im Laufe des Wohnens möglicherweise. Dabei ist das Zusammenspiel von Mensch und Technik ein wesentlicher Aspekt der Befragungen. Um zukünftige Projekte weiter zu optimieren, soll möglichst detailliert erfasst werden, wie die Bewohner mit der Technik umgehen. Wie gut lassen sich Lüftung, Raumklima, Wassertemperatur und Licht technisch beeinflussen und steuern? Wie einfach lässt sich die Haustechnik handhaben? Kommen die Nutzer mit dem Touch-Panel zurecht? Ist es sinnvoll die Energieverbrauchsanzeige zu sehen? Was ist sinnvoll? Was ist verständlich? Die Befragungen finden unter realen Bedingungen statt. Bereits vor dem Einzug wurden die Bauherren zu ihren Erwartungen befragt. Nach dem Einzug werden sie erneut zu ihren Erfahrungen befragt, sowie nach einer Wohndauer von 12 Monaten. Die Befragungen richten sich dabei an alle Beteiligten, an Bauherren ebenso wie die Mieter der Wohneinheiten.

Die erste Testfamilie des Effizienzhaus Plus in Berlin bei der Technikeinweisung (Quelle: BMVBS)

Die ersten Ergebnisse
Die Ergebnisse zeigen, dass die erste Idee ein Plus-Energie-Gebäude zu bauen überwiegend auf Eigeninitiative beruht, aber auch durch Freunde oder Verwandte weitergegeben wurde. Über 90 % der Befragten wollen einen Betrag zum Umweltschutz leisten und Energie sparen. Fast 83% gaben als Motivation die Unabhängigkeit vom Energieversorger an. Über 70 % gehen davon aus, dass sich die Mehrkosten in wenigen Jahren amortisieren. 65 % der Nutzer sind technikaffin und geben an, von der Technik des Hauses fasziniert zu sein. Für über 50 % der Bewohner ist es wichtiger in einem energieeffizienten Gebäude zu leben, als Geld zu sparen. Diese Personen haben ein hohes Öko-Bewusstsein. Etwa 30 % wurden von dem Reiz des Neuen angelockt. Fast 80 % der Bewohner wollen stolz auf das eigene Haus sein können, für 48 % bedeutet dies, stolz darauf zu sein, den Energieverbrauch auf Null senken zu können. Fast 50% fühlen sich als Botschafter und möchten Bekannte dazu anregen, selbst ein Plusenergiegebäude zu bauen. Und 41 % geben an, Energie nun ohne schlechtes Gewissen verbrauchen zu können.

Motivation in ein Effizienzhaus Plus zu ziehen; Grafiken alle: Eva Schulze, BIS

Positive Erwartungen beim Einzug

Diese und weitere Befragungsergebnisse haben gezeigt, dass sich die Nutzer in zwei Gruppen einteilen lassen. Die technikaffine Gruppe unterstützt den Ansatz "Energiesparen durch Technik". Die zweite Gruppe stellt den ökologischen und umweltschonenden Ansatz in den Vordergrund. Dabei fiel auf, dass die ökologisch orientierten Personen zu einem großen Teil nicht technikaffin sind. Über die Hälfe der Bewohner hat die Befürchtung, dass die Technik sehr störanfällig ist und glauben, im Problemfall keine kompetenten Handwerker zu finden. Knapp 22 % der Befragten bezweifeln, dass der benötigte Energiebedarf für Heizung und Warmwasser gedeckt sein wird. Während der Wohnphase zeigte sich jedoch bei 86 % der Befragten, dass sie weniger Energie als zuvor verbrauchten.

Befürchtungen beim Einzug

Energieverbrauch im Vergleich

100 % der Befragten sind mit der neuen Wohnsituation zufrieden. Auf die Frage, ob das Leben im Effizienzhaus Plus einen Mehrwert bietet, antwortete eine Bewohnerin: „Ich finde es gut, mal zu zeigen, dass Umweltschutz und moderner Lifestyle sich nicht ausschließen müssen. Dass man wegkommt von diesem belächelten Öko-Image.“ Noch basiert die Befragung auf einer kleinen Bewohnergruppe von prototypischen Leuchtturmprojekten. In der Auswertung der Motivation und des Verhaltens dieser Personen sieht das BIS jedoch die Chance herauszufiltern, wie das das Leben im Effizienzhaus Plus das Verhalten der Bewohner verändert. Anhand der Best-Practice-Beispiele soll aufgezeigt werden, dass das Plusenergiekonzept funktioniert und den Bewohner nicht einschränkt. In einem weiteren Schritt sollen diese Ergebnisse auf kommende Projekte übertragen werden.
Zur Person
Dr. Eva Schulze ist geschäftsführende Gesellschafterin und wissenschaftliche Leiterin des BIS Berliner Institut für Sozialforschung GmbH. Sie ist Expertin für Familien- und Frauenforschung, Gerontologie und Technikfolgenforschung. Nach dem Studium der Innenarchitektur sowie dem Studium der Soziologie, Politik, Psychologie und Geschichte in München und Berlin promovierte sie an der Technischen Universität Berlin in Soziologie. Im Anschluss war Eva Schulze als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Zukunftsforschung und am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung in Berlin tätig. Von 1982 bis 1993 war sie Leiterin der Forschungsgesellschaft "Familie und Technik". Seit 1993 ist sie wissenschaftliche Leiterin des Berliner Instituts für Sozialforschung, seit 1995 weiterhin geschäftsführende Gesellschafterin. In den Jahren 2009 und 2010 hatte sie eine Gastprofessur für "Alter(n) und Geschlecht" am Zentrum Altern und Gesellschaft an der Universität Vechta inne. Eva Schulze ist Mitglied in diversen Gremien und Verfasserin zahlreicher Publikationen.

Fotografin: Cordia Schlegelmilch

Vortrag von Dr. Eva Schulze, BIS Berliner Institut für Sozialforschung GmbH, im Rahmen der fünfteiligen Veranstaltungsreihe „Die Zukunft des Bauens“, veranstaltet von DETAIL research und der Forschungsinitiative Zukunft Bau des BMUB und BBSR am 22. Mai in Frankfurt zum Thema "Ganzheitliche Konzepte zur Erstellung von Plusenergiehäusern
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